
Hydrophile Putzsysteme können Feuchtigkeit zwischenspeichern und zeitversetzt wieder an die Außenluft abgeben. Grafik: Saint-Gobain Weber
Grünbildung auf Dach und Fassade 2: Schützende Baustoffe
Wie in Teil 1 dieses Beitrags bereits erläutert wurde, tritt das Problem der Grünbildung auf Dach und Fassade nur dort vermehrt auf, wo die Baustoffe durch Regen oder Tauwasser längere Zeit feucht bleiben. Baustoffe mit speziellen Schutz-Oberflächen oder bestimmten Eigenschaften können dazu beitragen, dass Algen und Pilzen weitgehend die Lebensgrundlage entzogen wird.
Die Grünbildung an Gebäuden lässt sich bereits durch eine vorausschauende Bauplanung ganz gut eindämmen. Wenn Häuser nicht direkt neben üppiger Vegetation gebaut, wenn ausreichende Dachüberstände und Tropfkanten vorgesehen werden, dann ist ein größerer Befall durch Mikroorganismen wie Algen und Pilze wesentlich unwahrscheinlicher. Doch auch mit speziellen Dach- und Fassadenbaustoffen kann man der Grünbildung entgegenwirken.
Lotus-Effekt auf Dächern
Im Jahr 2004 hat der Dachziegelproduzent Erlus als erster Hersteller einen Tondachziegel mit so genanntem Lotus-Effekt auf den Markt gebracht. Das von den Blättern der Lotus-Blume abgeschaute Prinzip steht für eine besonders glatte Oberfläche, auf der Wasser in Tropfen abperlt und schnell abläuft. Die Idee dahinter: Wenn der Ziegel durch eine wasserabweisende Oberfläche vor tiefergehender Durchfeuchtung geschützt wird, sinkt auch die Anfälligkeit der Dachflächen für einen Befall durch Mikroorganismen.
Der wasserabweisende Effekt ist aber nicht die einzige besondere Eigenschaft der Lotus-Ziegel. Nach Erlus-Angaben zerstört die eingebrannte Oberflächenveredelung mithilfe des Sonnenlichts auch organische Schmutzteilchen wie Fettablagerungen und Ruße oder auch vorhandene Moose und Algen. Der Regen wäscht diese Bestanteile dann ab. Auch dieses Selbstreinigungs-Prinzip wurde übrigens der Natur abgeschaut. Es basiert auf der Fähigkeit vieler lebender Organismen, Verunreinigungen auf ihrer Oberfläche durch Oxidation zu „verbrennen“. Biologen sprechen in diesem Zusammenhang vom „oxydative burst“. Die Oberfläche der Lotus-Ziegel enthält das in der Natur vorkommende Mineral Anatast, das unter Licht-Einfluss Elektronen freisetzt und Schmutz oxydiert.
Dass die Lotus-Ziegel auch zur Zerstörung von Algen und Moosen beitragen sollen, verweist indirekt auf die Grenzen der Technologie. Langfristig lässt sich eine Grünbildung offenbar auch auf den extrem glatten Dachpfannen nicht gänzlich verhindern. Das deckt sich mit Erfahrungen bei glasierten Dachziegeln oder auf Glasdächern, die ebenfalls – abhängig vom Standort – keinen hundertprozentigen Schutz vor Mikroorganismen garantieren können.
Selbstreinigung durch Titandioxid
Ein anderer Selbstreinigungseffekt, auf den viele Hersteller der Baustoffindustrie setzen, beruht auf der Wirkungsweise des Minerals Titandioxid. Der Hersteller Nelskamp beispielsweise hat 2007 einen Dachstein vorgestellt, der mithilfe von Titandioxid einerseits Schadstoffe aus der Luft unschädlich machen, andererseits aber auch organische Substanzen wie Algen und Flechten zerstören soll.
Baustoffe mit Titandioxid-Zusatz funktionieren nach dem photokatalytischen Prinzip. Das Mineral wirkt als Katalysator (Reaktionsbeschleuniger), der mithilfe von Sonnenstrahlen zum Beispiel schädliche Stickstoffoxide aus der Luft in ungefährliches Nitrat umwandelt. Der Einfluss des Sonnenlichts ist dabei entscheidend. Erst durch die Bestrahlung wird das Titandioxid aktiv. Erst dann hat es auch eine zersetzende Wirkung auf Mikroorganismen.
Baustoffe, die mithilfe von Titandioxid Luftschadstoffe und Mikroorganismen zersetzen, findet man nicht nur auf dem Dach. Beispielsweise vertrauen auch viele Pflastersteinhersteller auf das Prinzip. Und auch an der Fassade macht man sich die Eigenschaften von Titandioxid zunutze. So bietet etwa das Unternehmen Getifix eine photokatalytisch wirkende Schutzbeschichtung mit Titandioxid, die das Entstehen organischer Verschmutzungen stark hemmen soll. Die transparente Beschichtung kann auf mineralischen Untergründen, Putzen, Ziegel- und Natursteinen, Beton sowie auf allen üblichen Fassadenfarben angewandt werden.
Fassadenputze und -farben

Titandioxid in Dachsteinen trägt dazu bei, dass schädliche Stickstoffoxide aus der Luft in ungefährliches Nitrat umgewandelt werden. Grafik: Nelskamp
Um der Grünbildung an der Fassade entgegenzuwirken, hat die Baustoffindustrie früher vor allem auf den Einsatz von Bioziden gesetzt – also auf Gifte gegen Mikroorganismen. Vor allem wasserabweisende (hydrophobe) Farben und Oberputze werden zusätzlich oft mit bioziden Chemikalien ausgerüstet. Das Problem ist allerdings, dass die Giftstoffe in der Regel innerhalb von zwei bis drei Jahren durch Niederschläge ausgewaschen werden. An der Fassade fallen sie dann zur Bekämpfung von Algen und Pilzen aus, dafür belasten sie aber an anderer Stelle die Umwelt. Außerdem lässt auch die Wirkung vieler hydrophober Schutzbeschichtungen im Laufe der Zeit nach. Dann sind die Fassadenputze oder Farben nicht mal mehr vor Durchfeuchtung geschützt.
Studien haben zudem ergeben, dass wasserabweisende Fassadenbeschichtungen zwar ein Vollsaugen der Baustoffe mit Feuchtigkeit verhindern, dass sich auf den Oberflächen aber trotzdem oft relativ lange ein Feuchtigkeitsfilm hält – vor allem durch Tauwasserbefall. Deshalb gibt es bei Putzsystemen für die Fassade schon seit Längerem einen Trend weg von bioziden, hydrophoben Beschichtungen hin zu offenporigen Putzen, die in der Lage sind, Wasser rasch aufzunehmen, zwischenzuspeichern und zeitversetzt wieder an die Außenluft abzugeben.
Hydrophile Putze
Vor allem hydrophile (wasserliebende), mineralische Putzsysteme, die ganz ohne Biozide auskommen, haben sich in diesem Zusammenhang bewährt. Derartige Produkte weisen Feuchtigkeit nicht ab, sondern saugen sie im Gegenteil regelrecht auf. Der Vorteil: Die Fassadenoberfläche – also der bevorzugte Lebensraum für Mikroorganismen – ist schneller wieder trocken. Algen und Pilzen fehlt damit die Lebensgrundlage.
Allerdings funktionieren auch die hydrophilen Beschichtungen nur dann gut, wenn die aufgesaugte Feuchtigkeit durch Sonnenstrahlung später wieder verdunsten kann. Der Hersteller Sakret weist darauf hin, dass WDVS-Fassaden mit hydrophilen Putzen im Winter Frostschäden erleiden können, wenn die Rücktrocknung aufgrund mangelnder Sonneneinstrahlung gefährdet ist. Bei Verwendung offenporiger Beschichtungen ist also sicherzustellen, dass die Fassaden nicht allzu stark verschattet werden.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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