RM Rudolf Müller
Beispiele für Produktdeklarationen

Beispiele für Umwelt-Produktdeklarationen von Herstellern und Herstellerverbänden.

 
Energetisches Bauen
16. September 2014 | Artikel teilen Artikel teilen

Erklärt: Welche Funktion haben Umwelt-Produktdeklarationen

Nachhaltiges Bauen erfordert Baustoffe, die über ihre gesamte Lebensdauer – von der Herstellung bis zur Entsorgung – möglichst geringe Umweltbelastungen auslösen. Baustoffhersteller müssen heute immer häufiger belegen können, dass ihre Produkte derartigen Ansprüchen genügen – beispielsweise bei der Auftragsvergabe für öffentliche Gebäude. Als unabhängiger Nachweis über die Umwelteigenschaften von Bauprodukten haben sich so genannte Umwelt-Produktdeklarationen etabliert – kurz: EPDs („Environmental Product Declarations“). In Deutschland werden sie vom Institut Bauen und Umwelt vergeben.

Jede EPD beschreibt ausführlich die bauphysikalischen Eigenschaften und die Umwelteinwirkungen, die durch die Herstellung eines Bauprodukts – zum Beispiel ein bestimmter Mauerwerkstein oder ein Dämmstoff – entstehen. Erläutert werden dabei insbesondere der Ressourcenverbrauch und die Umweltemissionen von der Rohstoffgewinnung bis zum fertigen Produkt („von der Wiege bis zum Werkstor“).

Normative Vorgaben

Welche Angaben in eine EPD gehören, ist international abgestimmt und wird vor allem in den Normen ISO 14025 („Produktdeklaration nach Typ III“) und ISO 14040 („Ökobilanz“) beschrieben. Diese Normen gelten prinzipiell für Produkte aller Branchen. Bisher wurden EPDs aber vor allem in der Baubranche erstellt. Daher war es nur folgerichtig, dass 2012 mit der europäischen DIN EN 15804 eine eigenständige Norm veröffentlicht wurde, die sich speziell auf „Umwelt-Produktdeklarationen für Bauprodukte“ bezieht. Die in Deutschland vom Institut Bauen und Umwelt e.V. (IBU) vergebenen EPDs werden heute grundsätzlich nach dieser Norm erstellt.

Alle EPDs nach DIN EN 15804 sind so genannte Typ III-Produktdeklarationen. Diese sind anspruchsvoller als Produktkennzeichnungen nach den ISO-Standards Typ I oder Typ II. Sie beinhalten nicht nur eine Ökobilanz, sondern untersuchen auch Herstellung, Nutzungseigenschaften, Nutzungsdauer und Recyclingfähigkeit der Bauprodukte. Außerdem sind sie geeignet für solche Güter, die zusammen mit anderen in Systemen eingesetzt werden – so wie es in der Baubranche ja üblich ist. Typ III-Produktdeklarationen müssen zudem von unabhängiger Stelle geprüft werden.

Die Rolle des IBU

Das IBU wirkt in Deutschland als Programmhalter für die Bauprodukte-EPDs. Derzeit hat der Verein mit Sitz in Berlin rund 150 Mitglieder – allesamt namhafte Hersteller oder Verbände aus der Baustoffindustrie. Obwohl es sich um eine Herstellerinitiative handelt, betont das Institut aber seine Unabhängigkeit bei der Vergabe der Produktdeklarationen. Sämtliche Angaben der Hersteller würden durch unabhängige Dritte („Verifizierer“) überprüft.

Zudem hat das IBU einen Sachverständigenrat, dem Wissenschaftler, Ökobilanz- und Normungsexperten sowie Vertreter von Naturschutzverbänden, des Bundesbauministeriums, des Umweltbundesamts und der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung angehören. Dieser Sachverständigenrat prüft auch regelmäßig, ob das EPD-Programm des IBU noch konform zur aktuellen Normung und dem Stand der Technik ist. Übrigens sind alle EPDs, die das IBU bisher ausgestellt hat, für Jedermann offen zugänglich. Auf der Website www.bau-umwelt.de stehen sie als kostenloser PDF-Download zur Verfügung.

Inhalte einer EPD

Dach+Holz 2014

Auf der Messe Dach+Holz 2014: IBU-Geschäftsführer Dr.-Ing. Burkhart Lehmann (Mitte übergab eine neue EPD für das Produkt „Wakaflex“ an Georg Harrasser (r., Vorsitzender der Geschäftsführung von Braas, und Axel Rump (Monier Roofing Components. Foto: IBU

Am Anfang jeder Umwelt-Produktdeklaration für Bauprodukte steht erst einmal eine Definition, die festlegt, wofür das Dokument überhaupt gilt. Es kann sich um ein konkretes Produkt einer bestimmten Firma handeln oder auch um einen Produkttyp, für den es bereits eine vereinheitlichende DIN-Norm gibt und der von mehreren Herstellern mit identischer Rezeptur produziert wird (Beispiel: Kalksandsteine). Ist letzteres der Fall, dann werden EPDs meist von Herstellerverbänden beantragt. Grundsätzlich gilt, dass sich das IBU nur an die Ausarbeitung von Umwelt-Produktdeklarationen macht, wenn diese von Herstellerseite in Auftrag gegeben werden. Vom Ausstellungsdatum an sind die EPDs dann jeweils für drei Jahre gültig.

Nach der Produktdefinition folgt eine Auflistung der Grundstoffe, aus denen das Produkt hergestellt wird. In diesem Zusammenhang werden alle Bestandteile bezüglich ihres Mengenanteils, ihrer stofflichen Eigenschaften und ihrer Funktion innerhalb des Produkts genauer beschrieben. Anschließend folgen Informationen über die Herkunft, Gewinnung und Verfügbarkeit der Rohstoffe, und danach wird das Verfahren zur Produktherstellung erläutert. Falls erforderlich, werden auch spezielle Gesundheits- und Umweltschutzmaßnahmen für den Produktionsprozess angegeben.

Als nächstes liefern die EPDs Hinweise zur Produktverarbeitung, und unter dem Gliederungspunkt „Nutzungszustand“ werden insbesondere Emissionen aufgelistet, die von den verbauten Produkten ausgehen können. Außerdem gibt es Angaben zur Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Einflüssen sowie zur Haltbarkeit beziehungsweise Lebensdauer des Produkts. In einem weiteren Punkt wird das Verhalten der Bauprodukte bei „außergewöhnlichen Einwirkungen“ beschrieben. Hier stehen das Brandverhalten sowie Folgen von Wassereinwirkung im Fokus. Und auch zur Nachnutzung der Bauprodukte, also zum Themenfeld Recycling und Entsorgung, bieten EPDs Informationen.

Zum Schluss folgt der normalerweise längste Abschnitt: die Ökobilanz nach DIN ISO 14040. Dabei handelt es sich um das Herzstück jeder EPD. Wir werden dieses Thema im nächsten Fachwissenbeitrag noch genauer beleuchten.



Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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