RM Rudolf Müller
Attikagully „Sita Turbo“ mit angeschlossenem Fallrohr. Abbildungen: Sita Bauelemente GmbH

Attikagully „Sita Turbo“ mit angeschlossenem Fallrohr.
Abbildungen: Sita Bauelemente GmbH

 
Entwässerung
15. März 2016 | Artikel teilen Artikel teilen

Flachdach: Was versteht man unter einer Attikaentwässerung?

Die Attikaentwässerung auf dem Flachdach war früher oft nicht viel mehr als ein simples Loch in der Attika. Eine Notentwässerung für Überschwemmungssituationen. Heute gibt es dagegen sehr leistungsfähige Attikagullys, die sogar als Hauptentwässerung eine gute Figur machen. Denn eine außen liegende Flachdachentwässerung hat durchaus Vorteile.

Flachdächer erfordern eine zuverlässige Entwässerungstechnik, damit bei Niederschlägen kein Wasser auf der Dachfläche stehen bleibt, das die Dachhaut schädigt und im Extremfall sogar die Gebäudestatik überfordern könnte. Um so etwas zu verhindern, kommen Dachgullys zum Einsatz, die das Wasser sammeln und ableiten.

Innen oder außen liegende Entwässerung

Die Ableitung vom Flachdach wird entweder nach dem Prinzip der Freispiegelentwässerung oder per Druckentwässerung realisiert. In beiden Fällen fließt das Wasser aus den Dachgullys früher oder später in senkrechte Fallrohre, die von oben nach unten durch das komplette Gebäude verlaufen und im Erdreich an die Grundleitung des Grundstücks angeschlossen sind. Da die Rohre im Gebäude verbaut sind, spricht man von einer innen liegenden Entwässerung. Doch es gibt eine Alternative zu dieser vorherrschenden Methode: die so genannte Attikaentwässerung.

Bei der Attikaentwässerung handelt es sich um eine außen liegende Entwässerung. Wasser vom Flachdach wird hier nicht mitten durch das Gebäude abgeleitet, sondern fließt über eine Durchdringung in der Attika im Außenbereich ab. Als Attika bezeichnet man den Teil der Gebäudewand, der oben über das Flachdach hinausragt. Die Entwässerung durch dieses Bauteil hindurch wird in der Praxis bisher meist nur für die Notentwässerung genutzt. Vor allem bei Passivhäusern setzt sich das Prinzip aber auch immer häufiger als Hauptentwässerung durch.

Funktionsweise

Die Baustoffindustrie hat spezielle Attikagullys entwickelt, die in die Flachdachfläche eingebaut und über kurze Ablaufrohre durch die Attika verlegt werden (siehe Grafik). Auf der anderen Seite der Attika kann man diese Gullys an Fallrohre aus Kunststoff oder Edelstahl anschließen. Solche außen an der Fassade befestigten Fallrohre kennt man ja auch von Steildächern mit Regenrinnen.

Bei der Attikaentwässerung sind Fallrohre allerdings kein Muss. Dient das System lediglich zur Notentwässerung, kann darauf verzichtet werden. Man nutzt das Anschlussrohr des Gullys in diesem Fall nur als so genannten Speier – das Regenwasser wird also einfach durch die Attika auf das Grundstück „gespien“. Wenn allerdings die Hauptentwässerung durch die Attika geführt wird, dann gehören Fallrohr und ein Anschluss an die Grundleitung dazu. Das Fallrohr hat zudem auch den praktischen Nutzen, dass es die Fassade vor Feuchtigkeitsbelastung durch das Wasser vom Dach schützt.

Die Leistung einer Attikaentwässerung hängt sehr von der Auswahl des jeweiligen Attikagullys ab. Entscheidend dabei sind die Querschnittmaße der Gully-Abdeckung und der Rohre. Außerdem sind herkömmliche runde Abflussrohre weniger leistungsfähig als Rechteckrohre, wie man sie etwa beim „Turbo“-Attikagully von Sita findet. Dieses Modell schafft laut Hersteller pro Sekunde bis zu 29 Liter Wasser vom Dach. Damit eignet sich der „Turbo“ insbesondere für Großdächer. Eine große Ablaufleistung hat auch den Vorteil, dass weniger Gullys und damit auch weniger Attika-Durchdringungen benötigt werden.

Vorteile der Attikaentwässerung

Laborversuch: Das rechteckige Gully-Ablaufrohr bringt eine deutlich höhere Leistung.

Laborversuch: Das rechteckige Gully-Ablaufrohr bringt eine deutlich höhere Leistung.

Die außen liegende Entwässerung an der Fassade hat unter anderem den Vorteil, dass eventuelle Undichtigkeiten an den Fallrohren viel leichter erkennbar sind. Das gilt zumindest für freiliegende Rohre, die nicht durch Fassadenplatten verdeckt werden. Auch Wartungen und Reparaturen sind häufig einfacher umzusetzen als bei innen liegenden Entwässerungssystemen. Wobei man hier nicht verallgemeinern kann. Sicher gibt es auch Fälle, bei denen innen verlegte Rohre über die Gebäudeetagen leichter zu erreichen sind als wenn sie an der Fassade befestigt wären. Ein Vorteil der Attikaentwässerung besteht aber zweifellos darin, dass dabei weniger Wärmebrücken entstehen, weil ja keine Rohre durch das Dachschichtenpaket beziehungsweise durch das Gebäude verlegt werden.

Einsatz als Notentwässerung

Als Hauptentwässerung bei Flachdächern ist die Attika-Methode heute noch die Ausnahme, als zusätzliche Notentwässerung dagegen die Regel. Nach der deutschen DIN 1986-100 beziehungsweise der europäischen DIN EN 12056-3 sind Notentwässerungen für Flachdächer mittlerweile verbindlich vorgeschrieben. In der Praxis wird dafür meist der Weg über die Attika gewählt. Es gibt zwar Ausnahmen für kleine Dächer und Gründächer, aber ansonsten muss eine Notentwässerung für den Fall eingeplant werden, dass das Hauptentwässerungssystem überlastet ist.

Wie gefährlich vor allem Starkregenereignisse für Flachdächer werden können, verdeutlichen folgende Zahlen: Ein nur 10 cm hoher Wasserspiegel lastet bereits mit einem Gewicht von 100 kg pro Quadratmeter auf der Dachfläche. Bei einer Dachfläche von 200 qm entspricht das einer gewaltigen Zusatzlast von 20.000 kg. Deshalb ist es so wichtig, dass die Entwässerung zuverlässig funktioniert und bei Überschreitung definierter Pegelstände die Notentwässerung ins Spiel kommt. Die Wassermassen müssen schnell vom Dach, damit dessen Statik nicht gefährdet ist. Wird die Notentwässerung durch die Attika realisiert, dann lässt sich das Wasser besonders einfach auf überflutbare Freiflächen im Außenbereich ableiten. Denn Notentwässerungen dürfen natürlich nicht an die Grundleitung angeschlossen werden. Diese ist ja im Notfall ohnehin schon überlastet.


Mehr zum Thema Dach finden Sie in der Übersicht.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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