RM Rudolf Müller
Stampflehm-Fertigelemente

Stampflehm-Fertigelemente sind ein Hingucker im Wohnbereich. Foto: Claytec

 
Grundstoffe des Bauens
17. November 2015 | Artikel teilen Artikel teilen

Überblick: Moderne Lehmbaustoffe

Im Baustoff Know-how über Lehmböden sind wir bereits darauf eingegangen, woraus das Naturmaterial an sich besteht. Die Baustoffindustrie verwandelt den Rohstoff dann in unterschiedlichste Produkte. Das Spektrum reicht von Lehmmörtel und Faserlehm über Lehmsteine und Lehmbauplatten bis hin zu Stampflehm.

Häuser aus Lehm wurden im Hessischen früher auch als „Drecksbauten“ bezeichnet. Das klingt wenig schmeichelhaft, trifft aber zumindest einen wahren Kern. Zweifellos ist Lehm ja ein relativ „matschiger“ Naturstoff, den der Mensch direkt der Erde entnimmt. Lehmböden sind ein bindiges Gemisch aus winzigen Tonmineralien, etwas größeren Schluff-Mineralien und Quarzsandkörnern. „Spiel nicht im Dreck“, werden da sicher auch heute noch viele Eltern ihre Kinder mahnen.

Echter Naturbaustoff

Hinzu kommt, dass Lehmbaustoffe oft weitere Zuschlagstoffe enthalten, die auf den ersten Blick etwas „schmuddelig“ erscheinen. Um das Material fester und weniger rissanfällig zu machen sowie die Trockenschwindung zu verringern, kommt es durchaus vor, dass Lehm nicht nur mit Stroh oder anderen pflanzlichen Fasern vermischt wird, sondern beispielsweise auch mit Tierhaaren oder sogar Tierexkrementen. Das allerdings sollte niemanden von der Verwendung der Baustoffe abhalten. Schließlich düngen wir auch unsere Felder mit Mist und essen die dort wachsenden Nahrungsmittel hinterher trotzdem gerne.

Manch einer mag Lehmbaustoffe für altertümlich halten. Dieses Image trifft insofern zu, als die Menschheit schon immer mit Lehm gebaut hat und es sich eben um einen hundertprozentigen Naturbaustoff handelt. Aber gleichzeitig stehen Lehmbaustoffe auch für vieles, was heute als modern und zeitgemäß gilt: zum Beispiel für ein Plus an Wohngesundheut und für eine Ökobilanz, die natürlich besser ausfällt als die von Beton. Lehm ist also alles andere als „Dreck“.

Mörtel und Faserlehm

Die Baustoffindustrie verarbeitet Lehm unter anderem zu Lehmmörtel. Sowohl Mauermörtel als auch verschiedene Putzmörtel werden angeboten. Da Lehm wasserlöslich ist, eignet sich der Baustoff nicht für stark bewitterte Außenbereiche – zumindest nicht in unseren feuchten Breitengraden. Die Anwendung im Innenausbau ist dagegen problemlos möglich. Die Putze eignen sich besonders gut zur Regulierung der Raumluftfeuchtigkeit, weil Lehm in der Lage ist, viel Wasserdampf zu speichern und zeitversetzt wieder an die Raumluft abzugeben. Für die Mörtelherstellung wird der Lehm mit zusätzlichem Sand vermischt. Häufig fügt man auch noch pflanzliche Fasern oder mineralische Leichtzuschläge hinzu.

Auch im Fachwerkbau hat mit Faserstoffen bewehrter Lehm eine uralte Tradition. So genannter Faserlehm – auch Strohlehm genannt – dient beispielsweise zum Verfüllen der Ausfachungen zwischen den Holzbalken von Fachwerkhäusern. Auch in alten Holzbalkendecken wurde die weichplastische Lehmmasse früher oft verbaut.

Normaler Faserlehm zeichnet sich durch Rohdichten zwischen 1.200 und 1.700 kg/m3 aus. Lehm-Faser-Mischungen mit geringerer Rohdichte werden als Leichtlehm bezeichnet (400 bis 1.200 kg/m3). Wie der Name schon andeutet, enthält dieser Baustoff leichtere Zuschläge als normaler Faserlehm: zum Beispiel Stroh- oder Holzhäcksel, aber auch mineralische Leichtzuschläge wie Blähton, Perlite oder Bims. Die Einsatzbereiche von Leichtlehm sind im Prinzip identisch mit denen von Faserlehm. Aufgrund seiner geringeren Dichte bietet das Material aber eine bessere Wärmedämmung.

Steine und Bauplatten

Verschiedene Lehmbaustoffe auf einen Blick

Verschiedene Lehmbaustoffe auf einen Blick. Foto: Claytec

Faser- und Leichtlehm dient auch als Rohstoff zur Herstellung von Lehmsteinen und Lehmbauplatten. Dafür wird das Material in Formen gepresst und getrocknet, aber nicht – wie Tonziegel – gebrannt! Lehmsteine werden vor allem zur Ausmauerung von Fachwerk verwendet, aber auch als Deckenfüllung sowie zum Bau nichttragender Innenwände und Vorsatzschalen sind sie geeignet. Dafür stehen Loch- und Gittersteine zur Verfügung. Daneben gibt es auch besonders feste Vollsteine. Diese können sogar für tragende Wände eingesetzt werden, die im Außenbereich allerdings verputzt werden müssen.

Lehmbauplatten kommen für den trockenen Innenausbau zum Einsatz: zum Beispiel zur Beplankung von Leichtbauwand-Ständerwerken und abgehängten Decken oder im Dachgeschoss-Ausbau. Dünne Bauplatten werden häufig zusätzlich armiert, um ihre Stabilität zu erhöhen. Das geschieht zum Beispiel mithilfe von Schilfrohrmatten. Lehmbauplatten, die dicker als 50 mm sind, sind sogar selbsttragend. Mit diesen Produkten kann man also nichttragende Wände auch ohne Unterkonstruktion erstellen.

Stampflehm

Schon in der Jungsteinzeit (10.000 bis 3.000 v. Chr.) haben Menschen mit Stampflehm gebaut. Bei dieser faszinierenden historischen Bauform mischt man erdfeuchten Lehm mit Wasser und Stroh oder Kies und füllt die frische Masse dann schichtweise in eine Mauerschalung. Die zehn bis 15 cm hohen Schichten werden zwischendurch immer wieder verdichtet. Das war früher eine schweißtreibende Arbeit, bei der Menschen den Lehm mit nackten Füßen zusammenstampften – daher der Name Stampflehm.

Die Optik einer massiven Stampflehmwand hat bis heute nichts von ihrer Faszination verloren. Zumindest im hochwertigen Innenausbau erlebt das archaische Material heute durchaus eine kleine Renaissance. Zumal es nicht nur beeindruckend aussieht, sondern auch noch das Raumklima positiv beeinflusst. Vor dem großen Aufwand und den langen Trocknungszeiten bei der Erstellung einer klassischen Stampflehmwand schrecken die meisten dann aber doch zurück. Das ist heutzutage allerdings auch nicht mehr notwendig, denn mittlerweile gibt es Stampflehm-Wandbauelemente auch als Fertigbauteile zu kaufen.


Mehr zu den Grundstoffen des Bauens findest du hier.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

Woraus bestehen Lehmböden?

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