
Beispiele für Kunststoffe im Bauwesen: Fensterrahmen, Flexkleber, Dämmstoff, Dampfbremse. Fotos: Velux, PCI, Wienerberger, Rockwool.
Überblick: Kunststoffe im Bauwesen
Der moderne Mensch ist umgeben von Kunststoffen. Oder in der Sprache der Chemie ausgedrückt: von synthetischen Polymeren. Man muss sich nur mal in seinem eigenen Zuhause umschauen und überlegen, was da alles aus Kunststoffen gefertigt ist oder in welchen Produkten zumindest teilweise auch Kunststoffe enthalten sind. Dann wird einem erst richtig bewusst, in was für einer künstlichen Welt wir mittlerweile leben. Natürlich hat diese Entwicklung auch vor dem Bauwesen nicht haltgemacht. Auch hier haben die Polymere bereits in zahlreichen Bereichen Einzug erhalten.
Wobei der Baustoffbereich – vergleicht man ihn zum Beispiel mit der Verpackungsindustrie oder der Welt der Spielzeugprodukte und Unterhaltungselektronik – eigentlich bisher relativ resistent gegen den Trend zum Kunststoff geblieben ist. Zumindest tragende Bauteile bestehen auch heute noch überwiegend aus mineralischen Materialien, Beton, Stahl oder Holz. Komplette Bauteile aus faserverstärktem Kunststoff haben sich zwar im Flugzeug- und Bootsbau und zum Teil auch in der Automobilindustrie durchgesetzt, nicht aber im Gebäudesektor.
Polymere im Gebäudebereich
Doch auch im Bauwesen findet man heute überall Materialien, die aus Kunststoff bestehen oder zumindest Polymerverbindungen enthalten. Eher selten im Bereich der Wandbaustoffe, dafür umso mehr in den vielen nicht tragenden Produkten. Das Spektrum reicht von Fensterrahmen und Dach- und Dichtungsbahnen über Hartschaum-Dämmstoffe, Fugenmassen und Bindemittel bis hin zu Fußbodenbelägen. Auch die meisten modernen Klebstoffe funktionieren auf Kunststoffbasis – und selbst Fliesenkleber auf Zementbasis enthält heute meist Kunststoffanteile, um sie flexibler – also: weniger spröde – zu machen (Flexkleber).
Begonnen hat das polymere Zeitalter im Baustoffbereich Mitte der 1930er-Jahre mit den ersten Rohren aus hartem Polyvinylchlorid (PVC-U). Erst seit den 1950er-Jahren werden auch zunehmend Fensterrahmen aus PVC gefertigt. Für Rohre und andere Produkte wie etwa Baufolien kommt seitdem auch immer häufiger die Polymerverbindung Polyethylen (PE) zum Einsatz. 1952 läutete zudem BASF mit der Erfindung von Styropor (expandiertes Polystyrol: EPS) die Geschichte der Kunststoffschaum-Dämmstoffe ein.
Weitere synthetische Polymere, die häufig im Bauwesen eingesetzt werden, sind beispielsweise Buthyl- und Silikonkautschuk für die Fugenabdichtung, Polyisobutylen (PIB) für Dach- und Dichtungsbahnen, Polymetylmethacrylat (PMMA: „Plexiglas“) für Produkte wie etwa Lichtkuppeln, Polyurethane (PU) für Dämmstoffhartschäume und Weich-PVC für Bodenbeläge. Außerdem gibt es die große Gruppe der Kunstharze, die insbesondere als Bindemittel und Zusatzstoffe in Klebstoffen, Mörteln und Beton zum Einsatz kommen.
Am Anfang standen Biokunststoffe

Altes Telefon: Das Material Bakelit gilt als erster vollsynthetischer Kunststoff. Foto: Frank Buschhüter / www.pixelio.de
Heute finden wir Kunststoffe also überall im Bauwesen. Und sie erscheinen uns mittlerweile als völlig selbstverständlicher Bestandteil unserer Lebensumwelt, obwohl es sie eigentlich noch gar nicht lange gibt. Selbst jenseits des Bauwesens ist die Kunststoffgeschichte noch relativ kurz. Auch die frühesten Kunststoffe fanden eigentlich erst im 19 Jahrhundert größere Verbreitung. Doch die damaligen Produkte unterschieden sich alle in einem wesentlichen Punkt von den heutigen Polymeren. Sie enthielten nämlich natürliche Substanzen, waren also im Grunde Biokunststoffe. Heute verstehen wir unter Kunststoffen ja eher die rein synthetisch hergestellten Polymere.
Eine frühe Kunststoffindustrie entwickelte sich im 19. Jahrhundert, nachdem Charles Goodyear 1839 entdeckt hatte, wie man Hartgummi herstellt. Dafür ließ er Kautschuk mit Schwefel reagieren (Vulkanisation). Kautschuk aber ist ein Rohstoff, der aus den Säften von Bäumen gewonnen wird. Auch das 1844 erfundene Linoleum, aus dem man insbesondere Fußbodenbeläge herstellte, bestand aus natürlichen Rohstoffen: unter anderem aus Leinöl und verschiedenen Naturharzen.
Ein weiteres Beispiel für einen natürlichen Biokunststoff ist das so genannte Galalith („Kunsthorn“), das im Wesentlichen aus Milch hergestellt wird. Dafür lässt man den Milchanteil Kasein mit Formaldehyd reagieren. Daraus entsteht ein Kunststoff, aus dem man in Deutschland zum Beispiel lange Zeit Knöpfe, Bauklötze oder auch Besteckgriffe gefertigt hat. Manche Gitarrenplektren bestehen noch heute aus Galalith. Überhaupt bietet die Musikbranche einige Beispiele für Biokunststoffe als Vorläufer unserer heutigen synthetischen Polymere. Das bekannteste Beispiel ist sicher der Vorgänger der Vinyl-LP: die so genannte Schellack-Schallplatte. Die bestand nämlich neben Gesteinsmehl, Ruß und Baumwolle vor allem aus einem speziellen Harz, das von der asiatischen Lackschildlaus („Kerria laccaus“) ausgeschieden wird.
Rein synthetisches Bakelit
Wie oben angedeutet, beginnt der Durchbruch der synthetischen Kunststoffe im Bauwesen eigentlich erst nach dem zweiten Weltkrieg. Davor war als erster vollsynthetischer Kunststoff bereits das so genannte Bakelit verbreitet. Bakelit ist ein Kunstharz, das aus der Reaktion von Phenol und Formaldehyd gewonnen wird. Aus diesem Material ließen sich Formteile aller Art herstellen. Nach der Erhärtung des Harzes enstand ein widerstandfähiger, harter Kunststoff von dunkler Farbe, der sich auch durch Erhitzen nicht wieder verformen ließ. Die Herstellung von Bakelit begann in Deutschland bereits vor dem ersten Weltkrieg. Zu den berühmtesten Produkten, die daraus gefertigt wurden, gehören alte Telefonapparate (siehe Foto). Ein großer Nachteil des Materials bestand aber darin, dass es ziemlich spröde und bruchanfällig war.
Dieses Problem besteht bei modernen Kunststoffen, die überwiegend aus Erdöl hergestellt werden, nicht mehr. Doch was genau sind eigentlich Kunststoffe? Worin unterscheiden sie sich von anderen Materialien? Und wegen welcher Eigenschaften haben sie sich auch im Bauwesen in kurzer Zeit so stark verbreitet? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns im nächsten Fachwissenbeitrag.