RM Rudolf Müller
Bauteilaktivierung in der Decke

Bauteilaktivierung in der Decke: Die Rohre werden mit der Stahlbewehrung einbetoniert. Foto: Uponor

Haustechnik
19. Februar 2015 | Artikel teilen Artikel teilen

Bauteilaktivierung: Wie funktioniert das?

In den bisherigen Fachwissenbeiträgen zu Flächenheizungen ging es um Systeme, bei denen die Heiz-Kühlrohre an der Oberfläche der raumbildenden Bauteile verlegt werden. Man überputzt sie entweder oder montiert sie als Bestandteil von Trockenbausystemen auf Fußböden und Wänden oder Decken. Davon zu unterscheiden ist die so genannte Bauteilaktivierung. Bei dieser befinden sich die Rohre nicht an der Oberfläche, sondern im Kern massiver Gebäudebauteile (Wand, Fußboden, Decke). Die Installation solcher Heizungen muss daher bereits im Rohbau erfolgen.

Am häufigsten findet man die Bauteilaktivierung in Betondecken. Bereits 1908 brachte der englische Hersteller Crittall die ersten Stahlbetondecken mit fest integrierten Heiz-Kühlrohren auf den Markt. Die „Crittall-Decke“ gilt als erste moderne Deckenstrahlungsheizung. Die damals noch metallischen Rohre befanden sich direkt im tragenden Deckenbauteil. Sie wurden während des Rohbaus auf der Stahlbewehrung befestigt und dann zusammen mit dieser einbetoniert. Natürlich lassen sich solche „Betonheizungen“ auch im Wandbereich realisieren, allerdings sind Anwendungen bei Decken/Böden wesentlich häufiger.

Wirkungsweise

Mithilfe der Bauteilaktivierung wird z. B. eine komplette Decke zum Heiz- oder Kühlkörper. Durch die integrierten Rohre – heute meist aus Kunststoff – fließt in der Regel warmes oder kühles Wasser. Wie andere Flächenheizungen auch, benötigt die Technik deutlich geringere Vorlauftemperaturen als normale Heizkörper. Es handelt sich also um eine energiesparende Methode zur Raumtemperierung. Über die Rohrleitungen wird die thermische Energie zunächst an das Bauteil abgegeben, das sich dadurch – je nach Benutzereinstellung – langsam erwärmt oder abkühlt. Im Vergleich zu Flächenheizungen, die an der Oberfläche von Bauteilen installiert sind, erfolgt die Abgabe der Energie an den Raum aber deutlich zeitversetzt. Man kann auch sagen: Bauteilheizungen reagieren noch viel träger als normale Flächenheizungen, die ja ihrerseits bereits langsamer „auf Touren“ kommen als normale Heizkörper.

Zum schnellen Temperieren der Wohnung eignet sich diese Technik also nicht. Dreht man die Heizung auf, kann es locker sechs bis acht Stunden dauern, bis die gewünschte Wärme tatsächlich an den Raum abgegeben wird. Zwischenzeitlich erwärmt sich nur das Bauteil selbst. Eine so langsame Heizung mag für viele Menschen ein erschreckender Gedanke sein. Doch für heutige Energiesparhäuser kann die Technik durchaus eine sinnvolle Lösung sein.

Große Wärmespeichermassen

Kalksandstein-Aktivierung

System „Quadrotherm“: Plansteine aus Kalksandstein nehmen die Heiz-Kühlrohre auf. Grafik: Evotura

Gut gedämmte Häuser mit ausgefeilter Lüftungstechnik haben insgesamt einen sehr geringen Wärmebedarf. Und dank Wärmerückgewinnung beim Lüften kühlen sie auch nur sehr langsam aus. Eher droht eine Überhitzung der Räume aufgrund der Sonneneinstrahlung durch die oft großen Fensterflächen. Zu solchen modernen Gebäuden passt die Bauteilaktivierung mit ihrer sanften Strahlungswärme ziemlich gut. Ihr Prinzip besteht in der Nutzung der großen Wärme-Speichermassen von massiven Gebäudebauteilen. Eine Bauteilheizung ist zwar träge beim Anfahren, aber aufgrund ihrer Speicherfähigkeit gibt sie anschließend auch lange Zeit Wärme ab, ohne dass man dem System neue Energie zuführen muss. Beton eignet sich für diese Technik eben deshalb besonders gut, weil das Material über eine hohe Wärmespeicherfähigkeit verfügt.

In der Praxis findet man die Bauteilaktivierung besonders häufig in den Betondecken moderner Bürogebäude. Da spielt dann nicht so sehr das Heizen, sondern eher der mögliche Kühleffekt die entscheidende Rolle. Beton speichert ohnehin viel Wärme, die in Büros heute nicht nur durch Sonneneinstrahlung, sondern vor allem auch durch den Betrieb von Computern, Druckern und anderen technischen Geräten im hohen Maße anfällt. Indem man den Beton mithilfe der Wasserrohre kühlt, wird die Wärmespeicherfähigkeit nochmals gesteigert. So kann man einer Überhitzung der Arbeitsräume effektiv entgegenwirken. Und zwar mit deutlicher weniger Energieverbrauch als beim Betrieb einer klassischen Klimaanlage anfällt.

Alternativen zu Beton

Ziegelschalen mit integrierten Heizrohren

„Unitherm“ im Rohbau: Ziegelschalen mit integrierten Heizrohren. Foto: Unipor

Aber nicht nur Betonbauteile lassen sich auf diese Weise zum Heizen oder Kühlen nutzen. Auch manche Hersteller von klassischen Mauerwerksteinen bieten entsprechende Lösungen. Ein Beispiel dafür ist das Produktsystem „Quadrotherm“ von KS-Original, einem Markenverbund der deutschen Kalksandsteinindustrie. Es besteht aus großflächigen Kalksandstein-Plansteinen, die bereits werkseitig mit senkrechten Installationskanälen präpariert sind, in die sich Heiz-Kühlrohre einführen lassen (siehe Foto). Die Rohre werden im Abstand von 12,5 cm über die gesamte Wandhöhe durch die Lochkanäle geführt, untereinander verbunden und an den Wasserkreislauf der Gebäudeheizung angeschlossen. Da Kalksandstein ein relativ schwerer Mauerwerk-Baustoff ist, verfügt er ebenfalls über eine hohe Wärmespeicherfähigkeit.

Eine etwas andere Lösung zur Bauteilaktivierung bietet seit ein paar Jahren die Unipor-Ziegel-Gruppe. Bei den „Unitherm“-Elementen handelt es sich um geschlossene Ziegelschalen mit integrierten Heizrohren, die sich problemlos in ein Ziegelmauerwerk einfügen lassen (siehe Foto). Die 5cm dicken Elemente haben eine Höhe von 50cm und werden in Längen von 50 bis 200cm geliefert. Sie können in Wänden, Decken und Böden eingebaut werden – sowohl im Wohn- als auch im Industrie- und Wirtschaftsbau. Anders als herkömmliche Lösungen zur Bauteilaktivierung zielt dieses flexible System aber nicht auf die durchgehende Temperierung kompletter Bauteile. Der Bauherr kann je nach Bedarf frei entscheiden, wie viele der Ziegelschalen er an welchen Stellen des Rohbaus einbauen lässt.

Die Unitherm-Elemente bestehen aus relativ porösem Ziegelmaterial, das eine deutlich geringere Rohmasse hat als Beton oder Kalksandstein. Sie haben daher auch eine geringere Wärmespeicherfähigkeit. Dafür ist das System aber auch weniger träge. Bereits nach zwei Stunden Vorlauf wird rund 60% der zu erzielenden Heizleistung erreicht – so der Hersteller. Unipor spricht in diesem Zusammenhang von einem „optimalen Kompromiss zwischen Speicherfähigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit“.



Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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