RM Rudolf Müller
Doppelnutzen: Es gibt sogar Heizelemente, die als Kunstwerk „getarnt“ daherkommen. Foto: www.easy-therm.com

Doppelnutzen: Es gibt sogar Heizelemente, die als Kunstwerk „getarnt“ daherkommen. Foto: www.easy-therm.com

Haustechnik
23. Juni 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Was sind Infrarotheizungen?

Die neue DIN EN IEC 60675-3 definiert Infrarotheizungen als Heizelemente, die Wärme überwiegend in Form von Infrarotstrahlen abgeben und einen Strahlungswirkungsgrad von mindestens 40 % aufweisen. Das schließt unter anderem auch die umstrittenen Gas-Heizpilze für Außenbereiche mit ein. Doch es gibt auch elektrisch betriebene Niedertemperatur-Infrarotheizungen, mit denen sich Innenräume effizient heizen lassen. Nachhaltig wird das insbesondere in Kombination mit einer Photovoltaikanlage.

Der neue „Leitfaden Infrarotheizung“ verspricht „sachlich und neutral“ über die Technik zu informieren. Tatsächlich handelt es sich bei der 52-seitigen Broschüre um eine technisch anspruchsvolle und informative Einführung in das Thema, die sich nicht wie eine Marketing-Postille liest. Das ist nicht selbstverständlich, denn das Anfang 2021 veröffentlichte Werk hat mit Dr. Ing. Peter Kosack von der TU Kaiserslautern zwar einen „neutralen“ Autor, wurde aber gemeinsam von der IG Infrarot Deutschland und dem Bundesverband Infrarot-Heizung (BVIR) herausgegeben – von zwei Herstellerverbänden also.

Hoch- und Niedertemperatursysteme

Das Infrarotpaneel an der Decke erwärmt direkt die Raumoberflächen.  Foto: www.easy-therm.com

Das Infrarotpaneel an der Decke erwärmt direkt die Raumoberflächen.  Foto: www.easy-therm.com

Infrarotstrahlern wird oft pauschal unterstellt, dass sie zwar für besonders schnelle Wärme sorgen, zugleich aber teuer, ineffizient und schlecht für die Umwelt seien. Der Leitfaden sorgt hier für mehr Differenzierung und verweist unter anderem auf die Unterschiede zwischen gas- und strombetriebenen Systemen sowie zwischen Hoch- und Niedertemperatur-Geräten.

Der klassische Heizpilz in der Gastronomie gehört zu den Hochtemperaturstrahlern – so bezeichnet man Geräte ab 200 Grad Betriebstemperatur – und wird in der Regel mit Erd- oder Propangas betrieben. Das ist natürlich wenig nachhaltig und erzeugt zudem Abgase. Allerdings sind Geräte mit einer so hohen Strahlungsintensität ohnehin nur für Außenbereiche geeignet. Für Innenräume gibt es stattdessen elektrisch betriebene Niedertemperatur-Infrarotstrahler, die – je nach Modell – Oberflächentemperaturen zwischen 40 und 200 Grad erreichen.

Qualitätskriterium Strahlungswirkungsgrad

Innenleben eines Infrarot-Paneels des Herstellers Easy-Therm. Foto: www.easy-therm.com

Innenleben eines Infrarot-Paneels des Herstellers Easy-Therm. Foto: www.easy-therm.com

Diese elektrischen Niedertemperaturheizungen sind auch der Hauptgegenstand des Leitfadens. Sie bestehen aus einem stromdurchflossenen Heizelement und einem Gehäuse. Das Gehäuse hat meist die Form einer flächigen Platte, die man am besten an der Decke oder im oberen Wandbereich montiert – wobei eine Positionierung gegenüber Fenstern vermieden werden sollte. Innerhalb dieser Heizpaneele wird die elektrische Energie fast zu 100 % in Wärme umgewandelt.

Der extrem hohe Umwandlungswirkungsgrad ist aber gar nicht das entscheidende Qualitätskriterium von Infrarotheizungen. Worauf es laut Leitfaden vor allem ankommt, ist ein hoher Strahlungswirkungsgrad. Diese Kenngröße gibt an, wieviel Prozent der elektrischen Energie, die man der Heizplatte zuführt, am Ende auch tatsächlich als Infrarotstrahlungsleistung bis an die Raumoberflächen gelangt. Niedertemperatur-Infrarotheizungen erreichen Strahlungswirkungsgrade bis hin zu maximal 70 %. Bei Hochtemperatur-Geräten sind sogar Werte bis über 90 % möglich.

Niedertemperatur-Strahler sind nicht nur als Zusatzheizung einsetzbar, zum Beispiel zur Komforterhöhung im Bad, sondern lassen sich grundsätzlich auch als Hauptheizung eines Gebäudes verwenden. Man kann also auch ganze Räume per Infrarotstrahlung „ausleuchten“. Solange die Geräte nicht glühen und nur im Infrarot-C-Bereich strahlen, ist die dauerhafte Verwendung unbedenklich – heißt es im Leitfaden.

Neue DIN EN IEC 60675-3

Die neue DIN EN IEC 60675-3 („Elektrische Haushalt-Direktheizgeräte – Prüfverfahren zur Bestimmung der Gebrauchseigenschaft“), die dieses Jahr in Kraft treten soll, legt übrigens erstmals ein Verfahren zur Bestimmung des Strahlungswirkungsgrades fest. In einem standardisiertem Testraum wird die tatsächlich übertragene Wärmeleistung auf die Oberflächen des Raumes gemessen. Darüber hinaus legt die Norm auch ein Messverfahren für die Aufheizzeit der Heizelemente fest. Die schnellen Aufheizzeiten – oft unter fünf Minuten – sind einer der großen Vorteile von Infrarotheizungen.

Die DIN legt ferner erstmals fest, dass nur Produkte ab 40 % Strahlungswirkungsgrad als Infrarotheizungen bezeichnet werden dürfen. Damit wird wohl die Anzahl der Heizgeräte, die sich heute mit dem Label „Infrarotstrahler“ schmücken, in Zukunft deutlich abnehmen. Zum Vergleich: Ein elektrisch betriebener einfacher Heizlüfter gibt zum Teil auch Wärme in Form von Infrarotstrahlen ab. Sein Strahlungswirkungsgrad liegt aber nur bei maximal 5 %. Bei einer elektrisch oder mit Warmwasser betriebenen, normalen Fußboden-Flächenheizung sind es übrigens 15 bis 35 %.

Behaglichkeit durch hohe Raumflächentemperaturen

Die 52-seitige Broschüre ist Anfang 2021 erschienen.

Die 52-seitige Broschüre ist Anfang 2021 erschienen.

Infrarotheizungen gehören zu den Direktheizungen. Die zum Heizen verwendete Energie wird ohne Zwischenspeicherung direkt an der Verbrauchsstelle in Wärme umgewandelt. Mehr noch: Die Oberflächen im Gebäude werden direkt per Wärmestrahlung auf ein höheres Temperaturlevel gebracht. Anders als bei herkömmlichen Heizkörpern, die immer erst die Umgebungsluft erwärmen und dann erst die Dinge und Personen im Raum, funktioniert Wärmestrahlung ganz ohne Medium beziehungsweise sich berührende Luftmoleküle. Die Wärme wird in Form von elektromagnetischen Strahlen unmittelbar auf die Raumoberflächen übertragen, die Erwärmung angestrahlter Körper erfolgt deutlich schneller als bei klassischen Konvektionsheizungen.

Nach Angaben des Leitfadens lassen sich behagliche Raumtemperaturen sowohl mit niedrigen Raumflächentemperaturen und hohen Lufttemperaturen als auch umgekehrt mit hohen Raumflächentemperaturen und niedrigen Lufttemperaturen erreichen. Die zweite Variante sei aber in vielen Fällen die energiesparendere und kostengünstigere. Mit der Aufheizung der Oberflächen komme man viel schneller in die Behaglichkeitszone hinein als mit der Aufheizung der Luft – und dies bei Einsatz von insgesamt weniger Wärmeenergie.

Bei Infrarotheizungen wird die Wärme überwiegend durch Infrarotstrahlen abgegeben. Das ist der für Menschen unsichtbare Anteil der elektromagnetischen Strahlung, der auch dafür sorgt, dass unsere Körper Wärme empfinden, wenn sie zum Beispiel von der Sonne oder einem Lagerfeuer angestrahlt werden.

Unsichere Planung

Trotz der dargestellten Vorteile räumt der Leitfaden auch ein, dass es bei der noch relativ jungen Produktgruppe der Infrarotheizungen gewisse Planungsunsicherheiten gibt. Es gäbe viele Praxisbeispiele, bei denen die Infrarotheizungen energetisch wesentlich besser abschneiden als vergleichbare Konvektionsheizungen. Zugleich gäbe es aber auch viele Gegenbeispiele, bei denen der Energieverbrauch beim Umstieg auf eine Infrarotheizung gestiegen ist – heißt es an einer Stelle der Broschüre.

Es gäbe auch noch keine zugeschnittenen Berechnungsformeln für Infrarotheizungen, auf deren Basis sich im Voraus entscheiden ließe, ob eine Infrarotheizung in einem konkreten Gebäude von Vorteil wäre oder nicht. Daher könne – so der Leitfaden – die Infrarotheizung bei der Berechnung nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) in vielen Fällen die geforderten Grenzwerte nicht erfüllen und müsse dann als Hauptheizung ausscheiden. Anders sähe es allerdings aus, wenn der Strom für die Heizung aus der hauseigenen Photovoltaikanlage kommt. Diese Kombination hilft laut Leitfaden, die Grenzwerte des GEG zu erfüllen.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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