RM Rudolf Müller
Das Zentrum einer Wendeltreppe bezeichnet man als Treppenauge.  Alle Fotos: Treppenmeister

Das Zentrum einer Wendeltreppe bezeichnet man als Treppenauge.  Alle Fotos: Treppenmeister

Bauelemente
26. April 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

Varianten der Wendeltreppe

Wendeltreppen sind Bauelemente, dich sich wie eine Spirale senkrecht nach oben winden, wobei die Treppenstufen kreis- oder ellipsenförmig um ein innen liegendes Zentrum angeordnet sind. Eine Sonderform der Wendeltreppe ist die Spindeltreppe. Neben Wendeltreppen, die sich komplett im Kreis drehen, gibt es auch halbgewendelte beziehungsweise viertelgewendelte Varianten.

Das Zentrum einer Wendeltreppe bezeichnet man als Treppenauge. Bei den klassischen, freitragenden Wendeltreppen besteht dieses „Auge“ aus Nichts – in der Mitte befindet sich nur ein runder Leerraum. Historische Vorbilder der heutigen Wendeltreppen findet man im mittelalterlichen Turmbau und noch früher auch im Brunnenbau.

Mit und ohne Spindel

Die Stufen der Spindeltreppe sind an der innen liegenden Säule befestigt.

Die Stufen der Spindeltreppe sind an der innen liegenden Säule befestigt.

Wendeltreppen mit „leerem“ Treppenauge sind freitragend und kommen ohne Stützen aus. Sie lagern nur auf zwei Punkten – auf der unteren und der oberen Etage –, dazwischen schweben sie gewissermaßen frei im Raum. Unter den Stufen verbleibt somit relativ viel Platz, der für Wohnzwecke genutzt werden kann.

Bei der so genannten Spindeltreppe dagegen – einer Sonderform der Wendeltreppe – gibt es eine innen liegende Säule. An dieser Säule, oft auch Stab oder eben Spindel genannt, sind die Treppenstufen befestigt. Spindeltreppen sind also nicht freitragend. Die Spindel trägt die Treppe und leitet einen Teil der auf sie einwirkenden äußeren Kräfte ab. Während bei der klassischen Wendeltreppe das Treppenauge ziemlich breit sein kann, wird es bei der Spindel durch den eher schmalen Durchmesser der Spindel definiert.

Bei der Spindeltreppe schmiegen sich die Treppenstufen direkt an die meist metallische Spindel an, sodass das gesamte Bauelement viel weniger ausladend ist als Wendeltreppen mit breitem Treppenauge. Spindeltreppen zählen deshalb zu den Raumspartreppen. Bei ihnen fällt auch das Geländer zum Treppenauge hin weg. Da Spindeltreppen so wenig Platz einnehmen, kommen sie oft als frei mitten im Raum stehende Bauelemente zum Einsatz. Dann ist ihre Raumwirkung auch am spektakulärsten.

Kreisrund oder halbgewendelt

In der Praxis sind viele Wendeltreppen nur halbgewendelte Bauelemente.

In der Praxis sind viele Wendeltreppen nur halbgewendelte Bauelemente.

Stärker ausladende Wendeltreppen ohne Spindel findet man dagegen häufig in Treppenhäusern. Die Außenränder des Bauelements stoßen dann meist direkt an die Treppenhauswände. Bei „lupenreinen“ Wendeltreppen dreht sich die Lauflinie tatsächlich mindestens einmal um 360° im Kreis. In der Baupraxis kommt es allerdings oft vor, dass sich der Kreis nicht derart schließt. Es gibt zum Beispiel viele halbgewendelte Treppen, die sich nur um 180° um das Treppenauge winden. Dann kann man die Wendeltreppe auch als Bogentreppe bezeichnen.

Egal ob 360°-Drehung, halb- oder sogar nur viertelgewendelt: Alle Wendeltreppen haben gemeinsam, dass ihre Stufen zum Treppenauge hin schmaler werden. Das erhöht die Unfallgefahr im Vergleich zu normalen Treppen. Halbgewendelte Treppen haben in der Regel längere Stufen und sind damit besser begehbar als kreisrunde Modelle. Spindeltreppen sind aufgrund ihrer „engen“ Abmessungen am unfallträchtigsten. Je kleiner das Treppenauge ist, umso platzsparender sind zwar die Bauelemente, umso steiler ist in der Regel aber auch ihr Anstieg.

Spindeltreppen und Baurecht

Bei der Planung von Spindeltreppen muss immer beachtet werden, ob diese der einzige Zugang zu einem Zimmer oder Wohngeschoss sind oder es sich nur um Nebentreppen handelt – also um „nicht notwendige Treppen“. Handelt es sich um die einzige und damit um eine notwendige Treppe, dann sind bei der Planung bestimmte baurechtliche Vorschriften einzuhalten.

In § 34 der deutschen Musterbauordnung heißt es sehr allgemein: „Die nutzbare Breite der Treppenläufe und Treppenabsätze notwendiger Treppen muss für den größten zu erwartenden Verkehr ausreichen“. Konkreter wird die DIN 18065, die für den Treppenbereich die anerkannten Regeln der Technik definiert. Demnach müssen notwendige Treppen in Wohnungen und Wohngebäuden eine nutzbare Laufbreite von mindestens 80 cm sowie einen Treppenauftritt von mindestens 26 cm haben. Die einzelnen Treppenstufen müssen zudem weniger als 20 cm voneinander entfernt sein, die Steigung darf also nicht zu hoch sein.

Da viele Spindeltreppen diese Anforderungen nicht komplett erfüllen, dürfen sie nur als Nebentreppen zum Einsatz kommen. Ein Bauelement, das nicht die baurechtlichen Anforderungen an notwendige Treppen erfüllt, darf in Wohnbereichen nur zum Einsatz kommen, wenn zugleich eine notwendige Treppe als Haupttreppe vorhanden ist. Ist dies der Fall, kann man die Spindeltreppe als Nebentreppe auch enger planen.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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