RM Rudolf Müller
Echte Naturfarben bestehen ausschließlich aus Zutaten pflanzlicher oder mineralischer Herkunft. Foto: Auro AG

Echte Naturfarben bestehen ausschließlich aus Zutaten pflanzlicher oder mineralischer Herkunft. Foto: Auro AG

Boden und Wand
06. Juli 2017 | Artikel teilen Artikel teilen

Was sind Naturfarben?

Für die Beschichtung von Wänden und Decken steht ein riesiges Sortiment an Innen- und Außenfarben zur Verfügung. Allerdings unterscheiden sich die angebotenen Anstrichstoffe zum Teil erheblich – nicht nur in den Farbtönen, sondern auch bezüglich der sonstigen Inhaltstoffe. Als besonders umweltfreundlich gelten so genannte Naturfarben.

Eins haben alle Anstrichstoffe gemeinsam: Sie enthalten Lösungsmittel. Das gilt auch für Farben auf Wasserbasis. Bei diesen dient eben das Wasser als Lösungsmittel. Bekanntlich sind Wandfarben bis zu ihrer Verarbeitung flüssig, sonst wären sie schließlich nicht streichfähig. Aber nach einer gewissen Trocknungszeit besteht die Beschichtung, die wir fortan als Farbe an der Wand wahrnehmen, nur noch aus den festen Bestandteilen des Anstrichstoffs. Darin liegt eben die unverzichtbare Funktion der Lösungsmittel: Sie machen die Farbe verarbeitungsfähig, verdunsten anschließend aber.

Herkömmliche Farben enthalten oft VOC-haltige Lösungsmittel, die gesundheitsgefährdend sind, wenn man zu viel davon einatmet. Nach einem Anstrich in Innenräumen muss man daher noch lange Zeit lüften. Leider sind auch Farben auf Wasserbasis nicht völlig unbedenklich. Auch sie enthalten nämlich vielfach noch gefährliche künstliche Stoffe, zum Beispiel Verdickungsmittel und Biozide zur Abwehr von Schimmelpilzen. Wer auf so etwas komplett verzichten möchte, muss zu Naturfarben greifen. Die enthalten – wie alle Farben – zwar ebenfalls Lösungsmittel, dabei handelt es sich aber neben Wasser um natürliche Pflanzenöle und Gärungsalkohol.

Was steckt in Naturfarben?

Das Bild zeigt typische Rohstoffe von Naturfarben. Foto: Auro AG

Das Bild zeigt typische Rohstoffe von Naturfarben. Foto: Auro AG

Naturfarben bestehen idealerweise ausschließlich aus natürlichen Rohstoffen und eben nicht aus künstlich hergestellten Chemikalien. Zum Einsatz kommen vor allem pflanzliche und zum Teil auch mineralische Rohstoffe. Die Einschränkung „idealerweise“ muss man machen, weil der Begriff Naturfarbe gesetzlich nicht geschützt ist. Es gibt keine allgemeinverbindliche Definition oder DIN-Norm, die genau beschreibt, was in einer Naturfarbe stecken darf und was nicht.

Wer also nach einem „chemiefreien“ Anstrichstoff sucht, sollte sich vom Etikett „Naturfarbe“ (oder Biofarbe, Ökofarbe, …) nicht täuschen lassen und auf jeden Fall zunächst die Zutatenliste studieren. Hersteller „echter“ Naturfarben bekennen sich in der Regel zur freiwilligen Volldeklaration aller Inhaltsstoffe und verwenden keine synthetisch erzeugten Stoffe.

Anstrichstoffe enthalten neben dem Lösungsmittel noch Bindemittel, Farbpigmente, sowie verschiedene Hilfsstoffe wie zum Beispiel Füllstoffe oder Verdickungsmittel. Bei Naturfarben besteht das Bindemittel sehr häufig aus Leinöl. Daneben kommen aber auch andere pflanzliche Öle, Fette oder Harze zum Einsatz. Mitunter werden auch natürliche Bindemittel mit tierischem Ursprung eingesetzt, zum Beispiel Bienenwachs, Schellack oder der Milchbestandteil Kasein.

Als natürliche Farbpigmente werden in Naturfarben zum Beispiel Pflanzenfarben verwendet. Für Brauntöne setzt man häufig auf Erdpigmente, und auch die meisten Weißpigmente sind mineralischen Ursprungs: zum Beispiel Kreide, Gips, Kalk oder Titandioxid. Weißpigmente werden übrigens nicht nur für weiße Farbtöne verwendet, sondern erhöhen auch das Deckvermögen von bunten Farben. Wie oben schon erwähnt, kommen bei echten Naturfarben auch für die Lösungsmittel nur natürliche Rohstoffe zum Einsatz. Und auch bei den sonstigen Hilfsstoffen sollte es sich um pflanzliche oder mineralische Naturstoffe handeln.

Inhaltstoffe kritisch prüfen

Wie gesagt: Der Begriff Naturfarbe ist rechtlich nicht geschützt. Etikettenschwindel ist daher nicht auszuschließen. Man sollte sich also vor der Kaufentscheidung genau beim Handel oder Hersteller informieren. Dabei ist die natürliche Herkunft der Rohstoffe nicht das einzige ökologische Kriterium. Von einer Naturfarbe sollte man etwa auch erwarten können, dass sie umweltschonend hergestellt wird und biologisch abbaubar ist.

Natürlich sollte eine Naturfarbe auch die Gesundheit der Hausbewohner nicht schädigen. Das ist allerdings leichter gesagt als getan, denn schließlich reagieren Menschen individuell anders auf bestimmte Inhaltstoffe. So enthalten viele Naturfarben zum Beispiel Orangenöl als Lösungsmittel. Das ist an sich natürlich nicht giftig. Die meisten Menschen empfinden den Geruch sogar als ausgesprochen angenehm. Aber es gibt eben auch Personen, die auf dieses oder andere ätherische Öle allergisch reagieren. Insofern sind Naturfarben prinzipiell sicher zu empfehlen, aus Sicht der Wohngesundheit lässt sich allerdings nicht grundsätzlich ein „Unbedenklichkeitsschein“ ausstellen. Allergiker sollten anhand der Deklaration der Inhaltstoffe vorab immer klären, ob sie die Farbe auch wirklich vertragen.


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Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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