RM Rudolf Müller
Intensives Gründach in München

Attraktiver Erholungsraum: Dachgarten auf einem Mehrfamilienhaus in München. Foto: Zinco

Dach
16. Juli 2015 | Artikel teilen Artikel teilen

Die Vorteile von Gründächern

Gründächer gewinnen immer mehr an Bedeutung. In vielen städtischen Bebauungsplänen sind sie bei Neubauten mit Flachdächern bereits vorgeschrieben. Kein Wunder: Zumindest in Ballungsgebieten müssen klassische Grünflächen verstärkt neuen Wohngebäuden weichen. Gründächer gleichen das zumindest teilweise aus. Die Bauweise hat aber auch sonst viele Vorteile.

Bei normalen Flachdächern besteht die oberste Schicht meist aus einer Bitumen- oder Kunststoffbahn als Abdichtung. Diese „Dachhaut“ wird häufig noch mit Kies bestreut. Aber auch der Kies verhindert nicht, dass das Abdichtungsmaterial im Laufe der Zeit durch die UV-Strahlung der Sonne Schaden nimmt. Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht führen dazu, dass sich die Dachhaut häufig zusammenzieht und anschließend wieder ausdehnt. Das führt allmählich zu Materialermüdung, sodass die Abdichtungsbahnen irgendwann ausgetauscht werden müssen.

Schutz vor UV-Strahlung

Gründächer dagegen sehen nicht nur besser aus als graue Bitumen- oder Kunststoffbahnen, sie schützen die Dachabdichtung auch vor der Sonneneinstrahlung. Dabei ersetzt die grüne Vegetationsschicht nicht etwa den konventionellen Dachaufbau, sie ergänzt ihn nur. Auch ein Gründach benötigt schließlich eine Abdichtung, damit kein Wasser in das Gebäude eindringen kann. Da die Flachdachschichten beim Gründach aber unterhalb der Pflanzendecke liegen, befinden sie sich in einem Bereich mit relativ konstanten Temperaturen im Tages- und Jahresverlauf. Das verlängert die Lebensdauer des Daches. Außerdem hat die Vegetationsschicht auch einen Dämmeffekt, sie trägt also dazu bei, Wärmeverluste über das Dach zu minimieren.

Aber Gründächer schützen nicht nur die darunter liegenden Dachschichten, sondern vermindern im Sommer auch das Problem der Aufheizung der Innenstädte. Herkömmliche Flachdächer heizen sich bei Sonneneinstrahlung stark auf und geben die Wärme zeitversetzt wieder an die Umgebung ab. Bei Gründächern bleibt ein solcher Kachelofen-Effekt aus. Im Gegenteil: Die Pflanzen benötigen die Lichtenergie der Sonne für ihre Photosynthese. Dabei binden die Pflanzen Kohlenstoff aus der Luft und setzen dafür Sauerstoff frei.

Gründächer tragen also auch noch zum Klimaschutz bei. Zudem sorgen sie bei Hitze für einen Abkühlungseffekt durch Verdunstungsprozesse. Regenwasser innerhalb der Pflanzendecke oder auf den Pflanzenblättern verdunstet bei Sonneneinstrahlung und kühlt dabei das Mikroklima der Umgebung ab.

Regenwasseraufnahme

Apropos Regenwasser. Gründächer erfüllen auch wichtige Funktionen bei der Niederschlagsversickerung. Normale Flachdächer mit Bitumen- oder Kunststoffbahnen als oberster Abdichtung sind – ähnlich wie asphaltierte Straßen, Wege oder Plätze – versiegelte Flächen. Niederschläge müssen dort durch aufwändige Entwässerungstechnik abgeleitet werden, um Überschwemmungen zu vermeiden.

Ein Gründach ist dagegen in der Lage, eine große Menge an Regenwasser aufzunehmen. So werden Entwässerungssysteme und die Kanalisation entlastet. Hat man ein Gründach, dann ist Regenwasser kein Problem mehr, das beseitigt werden muss, sondern eine notwendige Lebensgrundlage für die Pflanzen. So entsteht auf unseren Dächern ein harmonischer Naturkreislauf. Niederschläge werden von der Pflanzendecke aufgenommen und verbraucht. Das sichert das Überleben der Vegetation und zugleich ihre Fähigkeit, weiteres Regenwasser aufzunehmen.

Ein wichtiges Argument bei eurer Kundenberatung könnte sein, dass Grundstückseigentümer durch Gründächer sogar Abwassergebühren sparen können, weil es sich um entsiegelte Flächen handelt. Bei der in vielen Kommunen schon eingeführten gesplitteten Abwassergebühr zahlt man nämlich umso weniger Gebühren, je mehr Flächen auf dem eigenen Grundstück entsiegelt sind und somit eine örtliche Versickerung ermöglichen. Das gilt auch für Dachflächen.

Extensiv- und Intensivbegrünungen

Aufbau des Knauf Urbanscape Gründach

Beim „Urbanscape“-Gründach wurzeln die Pflanzen in einem Mineralwolle-Substrat. Grafik: Knauf Insulation GmbH

Natürlich muss zuvor die Gebäudestatik geprüft werden, bevor eine Gründachauflage zum Einsatz kommt. Es ist sicherzustellen, dass das Flachdach belastbar genug ist, um die zusätzliche Pflanzenschicht zu tragen. Wobei die Schichtdicke letztlich davon abhängt, welche Art von Gründach man haben möchte. Die klassische, auch heute noch am meisten verbreitete Variante ist eine Extensivbegrünung mit niedrigwüchsigen, genügsamen Pflanzen wie zum Beispiel Moosen oder verschiedenen Sedum-Arten. Das erfordert nur geringe Schichtdicken – eine ideale Lösung für Flachdächer, die in der Regel nicht begangen werden.

Daneben entstehen in unseren Städten aber auch immer häufiger Flachdächer mit Intensivbegrünungen. Dabei handelt es sich um regelrechte Dachgärten, die begehbar sind und den Hausbewohnern einen zusätzlichen Lebensraum hoch über der Stadt bieten. Neben Rasenflächen findet man auf solchen Gründächern auch höher wachsende Sträucher, Anbauflächen für Obst und Gemüse oder sogar kleine Bäume. Es versteht sich von selbst, dass derartige Dachgärten teurer und pflegeaufwändiger sind als die klassischen Extensivbegrünungen. Außerdem stellen sie höhere Anforderungen an die Statik.

Das Beispiel des Münchner Dachgartens, der auf unserem Foto zu sehen ist, zeigt aber auch, dass solche Anlagen heutzutage mit relativ dünnen Bodenschichten realisierbar sind. Der Garten befindet sich auf dem Flachdach eines Mehrfamilienhauses, das von den Besitzern zuvor um ein zusätzliches fünftes Obergeschoss aufgestockt wurde. Die Intensivbegrünung vom Hersteller Zinco besteht aus einer nur 10 cm dicken Bodenschicht mit vorkultiviertem Rasenbelag.

Woraus bestehen Gründächer?

Für die Pflanzen auf Gründächern gibt es spezielle Bodensubstrate, gemischt aus organischer Erde und mineralischen Leichtzuschlägen. Bei Extensivbegrünungen ist der Anteil der organischen Bestandteile nur gering. Eine alternative Substratlösung bietet seit kurzem Knauf Insulation. Der Dämmstoffhersteller hat mit „Urbanscape“ ein besonders leichtes Gründach-System mit hoher Wasserspeicherkapazität auf den Markt gebracht, bei dem die Pflanzen in einem patentierten Substrat aus bindemittelfreien Mineralwollefasern wurzeln (siehe Grafik). Die Vegetationsmatte besteht aus verschiedenen, vorkultivierten Sedum-Arten.

Wie oben erläutert, schützen Gründächer die Dachabdichtung vor Sonneneinstrahlung und Temperaturschwankungen. Allerdings kann die Abdichtung auch durch die Pflanzendecke selbst geschädigt werden, zum Beispiel durch die Pflanzenwurzeln. Um Schäden zu vermeiden, ist es üblich, oberhalb der Abdichtung verschiedene Schutzschichten einzubauen. Das sind zum Beispiel Trennlagen, Durchwurzelungsschutzschichten oder auch zusätzliche Schutzschichten gegen mechanische Beschädigungen. Um eine optimale Wasserversickerung zu gewährleisten, enthalten viele Gründach-Systeme außerdem unterhalb des Substrats spezielle Drän- und Filterschichten.



Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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