RM Rudolf Müller
Brandriegel im Mehrfamilienhaus

Ein einzelner Brandriegel oberhalb jedes zweiten Geschosses ist künftig nicht mehr ausreichend. Foto: Fachverband WDVS

 
Dämmstoffe
18. Juni 2015 | Artikel teilen Artikel teilen

Brandschutz: Strengere Auflagen für EPS-Dämmfassaden geplant

Die Zulassungsbestimmungen für Wärmedämmverbundsysteme mit expandiertem Polystyrol (EPS) werden verschärft. Künftig muss eine größere Anzahl an Brandriegeln in die Dämmfassade eingebaut werden.

Bisher ist es nur Pflicht, die EPS-Dämmung („Styropor“) oberhalb von jedem zweiten Geschoss durch einen gebäudeumlaufenden Brandriegel zu unterbrechen. Das bedeutet zum Beispiel, dass bei einem dreigeschossigen Mehrfamilienhaus ein einziger Mineralwolle-Brandriegel ausreichend ist (siehe Foto).

Bauministerkonferenz: Verschärfung beschlossen

Einmal im Jahr treffen sich die Bauminister der 16 deutschen Bundesländer zur Bauministerkonferenz, um sich bei wichtigen Fragen in den Bereichen Wohnungs- und Bauwesen sowie Städtebau abzustimmen. Im November 2014 ging es dabei unter anderem um verschärfte Zulassungsbestimmungen bezüglich der Brandsicherheit von Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) mit EPS-Dämmstoff. Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) wurde mit der Ausarbeitung entsprechender Empfehlungen beauftragt.

Mittlerweile hat das DIBt neue konstruktive Maßnahmen zur Verbesserung des Brandverhaltens vorgeschlagen. Ergänzend zum bisherigen Brandriegel oberhalb jedes zweiten Geschosses werden nun mindestens drei weitere Riegel gefordert: einer an der Unterkante des WDVS (am Fassadensockel), einer in Höhe der Decke über dem Erdgeschoss und einer am oberen Abschluss des WDVS (unterhalb der Dachtraufe).

Diese neuen Regelungen wird die Bauministerkonferenz voraussichtlich bei ihrer nächsten Sitzung Ende Oktober 2015 beschließen. Nach Angaben des DIBt werden sie auch in den allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen für WDV-Systeme mit EPS Berücksichtigung finden. Die zusätzlichen Brandriegel sollen zudem nicht nur bei Neubauten verbindlich sein, sondern auch bei Erneuerungen bestehender WDVS sowie bei erstmaligen Fassadendämmungen an Altbauten.

Schutz vor Müllcontainerbränden

Die zusätzlichen Brandriegel sind eine Reaktion auf Brandversuche der jüngsten Zeit. Die bisherigen Regeln basierten stets auf der Annahme, dass Fassadenbrände durch Feuer innerhalb des Gebäudes ausgelöst werden. Bei entsprechenden Brandversuchen simulierte man Zimmerbrände, bei denen die Flammen irgendwann über Fensteröffnungen auf die Fassade übergreifen. Im Februar 2014 hatte die Bauministerkonferenz erstmals einen Test mit einem Brandherd außerhalb des Gebäudes durchführen lassen.

Das Ergebnis dieses Brandversuchs war beunruhigend. Als Brandlast diente ein Stapel mit 200 kg Holz im Sockelbereich einer EPS-Fassade. Damit sollte der Brand eines Müllcontainers simuliert werden. Das Ergebnis: Bereits nach elf Minuten waren erste Brandanzeichen im Sockelbereich zu sehen, und nach 13 Minuten öffnete sich die Putzhaut des WDVS, die den Dämmstoff bis dahin vor den Flammen geschützt hatte. Das EPS geriet anschließend in Vollbrand. Alternativ führte man den Versuch auch mit einem zusätzlichen Brandriegel im Sockelbereich durch. Durch diese Zusatzmaßnahme konnte ein Vollbrand der Dämmung verhindert werden.

Neuer Isover-Brandriegel

Der neue Brandriegel von Isover

Der neue Brandriegel von Isover bietet mehr Sicherheit bei abtropfendem EPS. Foto: Isover

Brandriegel bestehen in der Regel aus nichtbrennbarer Steinwolle und sollen – wenn die EPS-Dämmung Feuer gefangen hat – eine Brandweiterleitung über die Fassade auf andere Gebäudegeschosse verhindern. Für WDVS wird nur EPS verwendet, das mit Flammschutzmitteln behandelt ist. Nach Angaben des Industrieverbandes Hartschaum (IVH) entflammt das so behandelte Material erst bei längerer Einwirkung einer Zündquelle. Allerdings schmilzt der Dämmstoff relativ schnell, und abtropfendes EPS kann auch zur Brandausbreitung beitragen.

Mehr Sicherheit für diesen Fall verspricht ein neuer Brandriegel, den Isover zur BAU 2015 vorgestellt hat. Die Dämmstoffplatte „Sillatherm WVBR 035 Plus“ besteht hauptsächlich aus Steinwolle, an ihrer Oberseite wurde aber ein keilförmiges Stück EPS eingearbeitet (siehe Foto). Diese Formgebung sorgt dafür, dass geschmolzenes EPS zur massiven Gebäudewand hin abgeleitet wird. Der Brandriegel bietet gewissermaßen ein Auffangbecken für geschmolzenes EPS. Nach Angaben von Isover konnte die Funktionsfähigkeit dieses Keils in mehreren Brandversuchen nach DIN E 4102-20 bestätigt werden.

Brandschutz ohne Riegel

WDVS mit PUR-Dämmstoff

WDV-Systeme mit PUR-Dämmstoff benötigen gar keinen zusätzlichen Brandschutzriegel. Foto: Knauf

Die Forderung nach zusätzlichen Brandriegeln bezieht sich auf WDVS mit EPS – dem mit Abstand günstigsten und am häufigsten verwendeten Fassadendämmstoff. Wer seine Fassade dagegen komplett mit Mineralwolle dämmt, benötigt natürlich keinen zusätzlichen Brandriegel. Aber auch bei Verwendung anderer Hartschaum-Dämmstoffe als EPS kann auf Brandriegel mitunter verzichtet werden. Das gilt zum Beispiel für WDV-Systeme mit Resol-Hartschaum, weil dieser Dämmstoff (anders als EPS) bei Beflammung eben nicht abtropft. Es entsteht also keine brennbare Schmelze, die zur Brandausbreitung beitragen könnte. Resol-Hartschaum ist allerdings auch deutlich teurer als EPS.

Aber auch die Hartschaumdämmstoffe Polyurethan (PUR) und Polyisocyanurat (PIR) bieten einen besseren Brandschutz als EPS. Sie bleiben auch bei hohen Temperaturen lange dimensionsstabil und schmelzen nicht. Sie sind ebenfalls teurer als EPS, kosten allerdings nicht so viel wie Resol-Hartschaum. Der Hersteller Knauf bietet mit dem System „Warm-Wand Slim“ beispielsweise ein effizientes WDVS auf Basis von PUR. Die geringe Wärmeleitfähigkeit der Dämmstoffplatten (0,026 W/mK) ermöglicht dünne Schichtaufbauten. Und der Dämmstoff kann an der Fassade vollflächig eingesetzt werden – ganz ohne Brandriegel aus Mineralwolle.



Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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