Niedrigstenergiegebäude – der Neubau-Standard ab 2021
Die EU-Gebäuderichtlinie heißt eigentlich mit vollem Namen „Richtlinie 2010/31/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“. An die 28 Mitgliedsstaaten stellt das Papier folgende Kernforderung: Sie sollen gewährleisten, dass in der EU ab 2021 alle Neubauten so genannte Niedrigstenergiegebäude sind. Für die Neubauten von staatlichen Behörden gilt diese Verpflichtung sogar bereits ab 2019. In Deutschland erfüllt das neue Bürogebäude des Umweltbundesamtes (Foto) in Berlin als erstes Bundesgebäude bereits heute diese Anforderung.
Was ist ein Niedrigstenergiegebäude?
Die Wortschöpfung „Niedrigstenergiegebäude“, die in der deutschen Übersetzung der EU-Gebäuderichtlinie auftaucht, wirft zunächst einmal Fragen auf. Was ist denn ein Niedrigstenergiegebäude? Unterscheidet es sich vom Begriff Niedrigenergiegebäude (ohne „st“)? Und in welchem Zusammenhang steht es zu Gebäudetypen wie Drei-Liter-Haus, Passivhaus, Nullenergiehaus oder Plusenergiehaus? Um es kurz zu machen: Die EU-Gebäuderichtlinie liefert dazu keine umfassenden Definitionen. Das Niedrigstenergiegebäude wird relativ allgemein charakterisiert als Gebäude mit einer „sehr hohen Gesamtenergieeffizienz“.
Die konkreteste Formulierung in der Richtlinie lautet: „Der fast bei Null liegende oder sehr geringe Energiebedarf sollte zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen – einschließlich Energie aus erneuerbaren Quellen, die am Standort oder in der Nähe erzeugt wird – gedeckt werden“. Demnach geht es der EU offenbar darum, ab 2019 Nullenergiehäuser als allgemeinen Neubaustandard zu etablieren. Das deckt sich auch weitgehend mit der englischen Fassung der Richtlinie, in der von „nearly zero-energy buildings“ die Rede ist (also: „Nahezu-Nullenergiegebäude“).
Mitgliedsstaaten in der Pflicht
Letztlich formuliert die EU-Gebäuderichtlinie nur eine allgemeine, etwas ungenaue Zielvorgabe für die Neubauten der Zukunft („nearly zero-energy“). Sie verpflichtet aber die Mitgliedsstaaten, „nationale Pläne zur Erhöhung der Zahl der Niedrigstenergiegebäude“ aufzustellen. Diese Pläne sollen laut Richtlinie „eine ausführliche Darlegung der praktischen Umsetzung der Definition der Niedrigstenergiegebäude“ enthalten, „einschließlich eines numerischen Indikators für den Primärenergieverbrauch in Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr“.
Die Einzelstaaten sollen den Begriff des Niedrigstenergiegebäudes also selbst mit Leben füllen und dabei konkrete Anforderungswerte an den maximal erlaubten Gebäude-Energieverbrauch in ihrem Land festlegen. Aber dabei sollen sie natürlich im Rahmen der Vorgaben der EU-Gebäuderichtlinie bleiben. Dass diese Vorgaben – wie oben schon erwähnt – nicht besonders präzise sind, eröffnet den einzelnen Ländern sicherlich Spielräume. Was konkret unter „nearly zero-energy“ zu verstehen ist, entscheidet am Ende jeder selbst. In Deutschland muss dafür das Rad nicht neu erfunden werden. Die Anforderungen der EU-Richtlinie werden hierzulande einfach in die bestehende Energieeinsparverordnung eingearbeitet. In der EnEV 2014 ist das bereits weitgehend geschehen.
Neubau und Bestand
Die „nearly zero-energy“-Anforderung gilt grundsätzlich nur für Neubauten, also nicht für den Gebäudebestand. Die EU-Gebäuderichtlinie macht den Staaten gleichwohl aber auch neue Vorschriften im Zusammenhang mit Altbauten. Sind bei bestehenden Gebäuden ohnehin „größere Renovierungsarbeiten“ geplant, dann sollen auch für den Bestand die energetischen Anforderungen an Neubauten gelten. Für deutsche Hausbesitzer ist das im Prinzip nichts Neues. Sie kennen entsprechende Regelungen bereits aus der EnEV.
Grundsätzlich sieht die EU-Gebäuderichtlinie aber auch viele Ausnahmen vor – auch hier gibt es zwei Parallelen zur EnEV. So heißt es im Richtlinien-Text: „Ein Mitgliedsstaat ist nicht verpflichtet, Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz festzulegen, die über die geschätzte wirtschaftliche Lebensdauer nicht kosteneffizient sind“. Das gilt für Neubau und Modernisierung gleichermaßen. Von der „nearly zero-energy“-Anforderung grundsätzlich ausgenommen sind zudem unter anderem auch denkmalgeschützte Häuser, frei stehende Gebäude mit einer Gesamtnutzfläche von weniger als 50 m², Wohnhäuser, die nur für eine begrenzte jährliche Dauer genutzt werden, und Gebäude, die für Gottesdienste und sonstige religiöse Zwecke verwendet werden.