RM Rudolf Müller
Im Labor der TU Dresden: Eine Carbon-Bewehrung wird in Feinbeton eingelegt. Foto: Jörg Singer

Im Labor der TU Dresden: Eine Carbon-Bewehrung wird in Feinbeton eingelegt. Foto: Jörg Singer

Grundstoffe des Bauens
23. Juni 2016 | Artikel teilen Artikel teilen

Aus der Forschung: Entwicklung von Carbonbeton

Beton ist ein Baustoff mit vielen vorteilhaften Eigenschaften. Ein Schwachpunkt ist allerdings die geringe Zugfestigkeit des Materials. Die Entwicklung von so genanntem Carbonbeton ist eine neue Lösung für dieses alte Problem.

Der Kunststein Beton ist bekanntlich sehr hart und hat eine hohe Druckfestigkeit. Allerdings beträgt die Zugfestigkeit von Normalbeton nur etwa 10 Prozent seiner Druckfestigkeit. Zugkräfte, die auf Betonbauteile einwirken, sorgen für eine Dehnung des Baustoffs, die schnell zu Rissen führen kann. Dabei kann es sich einerseits um eine Kraft handeln, die von außen an dem Bauteil zieht, anderseits entstehen Zugkräfte aber auch schon durch das Eigengewicht der Bauteile. Bestes Beispiel ist eine Gebäudedecke, die nur auf den Außenwänden aufliegt und nach unten „durchhängt“.

Stahlbeton – Faserbeton – Textilbeton

Um die Zugfestigkeit von Betonbauteilen zu erhöhen, wurde der Stahlbeton erfunden. Die Metall-Bewehrung nimmt einen Teil der Zugkräfte auf, die auf das Betonbauteil einwirken, und erhöht so dessen Stabilität. Auch so genannter Faserbeton wurde vor allem entwickelt, um die Zugfestigkeit des Baustoffs zu erhöhen. Der Unterschied zum Stahlbeton ist, dass die Bewehrung hier nicht aus großen Stahlstäben oder -matten besteht, sondern aus feinen Fasern, die dem Frischbeton beigemengt werden und als Mikrobewehrung wirken. Diese Fasern werden meist aus Stahl oder Glas, seltener auch aus Kunststoff hergestellt.

Klassischer Stahlfaserbeton enthält feine Stahlabfälle, die dem flüssigen Beton beigemengt werden. Die kurzen Fasern sind hier also wild durcheinander im gesamten Querschnitt des Betonbauteils verteilt. Davon zu unterscheiden ist so genannter Textilbeton. Für diesen verwendet man vor allem alkaliresistente Glasfasern und seit einigen Jahren auch verstärkt Kohlenstofffasern. Allerdings werden die Fasern beim Textilbeton zu einem Gittergelege verarbeitet, das man anschließend als Bewehrung in den Beton einlegt. Das mattenförmige Gelege nimmt Zugkräfte auf und erhöht zudem die Tragfähigkeit des Betons. Rein optisch erinnert es an die Stahlmatten beim Stahlbeton – nur dass Carbon-Matten viel leichter sind.

Forschungsprojekt zu Carbonbeton

Mit einer Textilmaschine lassen sich Carbon-Garne zu einem textilen Gelege verarbeiten. Foto: Jörg Singer

Mit einer Textilmaschine lassen sich Carbon-Garne zu einem textilen Gelege verarbeiten. Foto: Jörg Singer

Zu den innovativsten Entwicklungen im Textilbeton-Bereich gehört der so genannte Carbonbeton. Er wird mit textilen Gelegen aus Kohlenstofffasern – auch Carbonfasern genannt – bewehrt. Carbonfasern als Zuschlagstoffe sind uns schon beim Beitrag „Faserverstärkte Kunststoffe im Bauwesen“ begegnet. Dort wurden sie zur Verstärkung von Kunststoffbauteilen verwendet, doch das Prinzip funktioniert auch mit Beton.

Carbonbeton gilt für viele als der Baustoff der Zukunft und ist deshalb derzeit Gegenstand umfangreicher Forschungsaktivitäten. Anfang 2014 wurde das interdisziplinäre Projekt C³ gestartet. Die Abkürzung steht für Carbon Concrete Composite (Carbon-Beton-Verbund). Im Rahmen von C³ sollen neue Verbundwerkstoffe aus Carbonfasern und Hochleistungsbeton erforscht und entwickelt werden. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Gemeinschaftsinitiative verbindet 130 Partner aus den Bereichen Forschung, Industrie und Verbände. C³ ist damit derzeit das größte Bauforschungsprojekt Deutschlands.

Die C³-Partner haben sich ehrgeizige Ziele gesetzt. Bis 2020 wollen sie mit ihrer Arbeit die Voraussetzungen dafür schaffen, um Carbonbeton in den Markt einzuführen. Ab 2025 soll ein unumkehrbarer Prozess beginnen, um Carbonbeton dauerhaft zu etablieren. Ziel ist es, dass bei Neubauten zunehmend Bewehrungen aus Kohlenstofffasern an Stelle von Stahlbewehrungen zum Einsatz kommen. Dafür gilt es, dauerhafte und temperaturbeständige Gelege, aber auch Bewehrungsstäbe aus Carbon zu entwickeln.

Zahlreiche Vorteile

Stahlbeton hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts zum führenden Baustoff der Moderne entwickelt. Doch das Material hat auch viele Nachteile. Die Herstellung erfordert große Mengen Energie, der damit verbundene Kohlendioxid-Ausstoß ist riesig. Um Stahlbewehrungen vor Rostschäden zu schützen, sind relativ dicke Betonüberdeckungen notwendig. Trotzdem beträgt die Lebensdauer von Stahlbetonbauten nur etwa 40 bis 80 Jahre. Dann werden in der Regel irgendwann teure Instandsetzungsmaßnahmen notwendig. Autofahrer können ein Lied davon singen, kommt es doch ständig irgendwo zu Streckensperrungen, weil Stahlbetonbrücken saniert werden müssen.

Mit Carbon-Bewehrungen würden sich viele dieser Probleme von selbst erledigen. Kohlenstofffasern rosten nicht, sie müssen also auch nicht vor Feuchtigkeit geschützt werden. Deshalb lässt sich bei Carbonbeton die Überdeckung der Bewehrung deutlich reduzieren. „Betoneinsparungen von 70 bis 80 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Bauweisen sind möglich und werden heute schon angewendet“, berichtet Dr. Christian Kulas, Abteilungsleiter für Textilbeton bei der Solidian GmbH – einem der Hersteller, die beim C³-Projekt mitmachen.

Weniger Betonmasse bedeutet auch, dass die Bauteile leichter und filigraner werden könnten. Das hat sowohl statische als auch optische Vorteile. Der Zukunftsbaustoff Carbonbeton verspricht all diese Vorteile ohne Einbußen bei der Stabilität. Im Gegenteil: Bewehrungen aus Kohlenstofffasern sind hoch belastbar, die Zugfestigkeit ist höher als bei Stahlbeton. Einziger Nachteil ist bisher, dass die Fasern noch relativ teuer sind. Deshalb arbeiten die Forscher derzeit auch fieberhaft an wirtschaftlichen Herstellungsprozessen.


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Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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