
Lagerung von REA-Gips beim Hersteller Knauf. Foto: Knauf
Was ist REA-Gips?
Ob Trockenbauplatten, Putz oder Estrich: In vielen Baustoffen steckt Gips. Die natürlichen Gipssteinvorkommen werden in Deutschland sowohl im Tage- als auch im Untertagebau abgebaut. Allerdings ist der Rohstoff endlich. Deshalb nutzt die Baustoffindustrie schon seit Langem auch eine künstlich gewonnene Alternative: so genannten REA-Gips.
Der Begriff REA wird trotz der drei Großbuchstaben wie ein einziges Wort ausgesprochen. Man sagt also „Rea“, nicht „R-E-A“. Die Abkürzung steht für Rauchgas-Entschwefelungs-Anlage. Damit ist auch schon gesagt, wo Hersteller wie Knauf oder Rigips ihren REA-Gips beziehen: Er stammt aus Rauchgas-Entschwefelungs-Anlagen. Diese sind in deutschen Kraftwerken, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, aus Umweltschutzgründen Pflicht. Es geht vor allem darum, das in den Abgasen enthaltene giftige Schwefeldioxid zu binden, damit es nicht durch den Kraftwerk-Schornstein in die Umwelt entweicht, wo es Mensch und Natur schädigt.
Technischer Gips
Bei der Rauchgas-Entschwefelung entsteht als Nebenprodukt eine Calciumsulfat-Verbindung. Diese ist chemisch betrachtet identisch mit Naturgips – ein künstlich hergestellter, technischer Gips sozusagen. Nach Angaben des Herstellers Knauf gleichen die bautechnischen Eigenschaften dieses REA-Gipses denen von Naturgips. Der technische Gips wird daher für Baustoffprodukte genauso verwendet wie Naturgips.
Einziger Unterscheid ist, dass Naturgips anfangs als Felsgestein vorliegt, während REA-Gips die Kraftwerke als sehr feinteiliges und reines Calciumsulfat verlässt, das in aufgeschlämmter Form vorliegt. Entsprechend ist der Feuchtigkeitsgehalt von REA-Gips deutlich höher als bei Naturgips. Das aber lässt sich – falls überhaupt gewünscht – durch Trocknungsprozesse ausgleichen. Hinsichtlich der Gipsqualität sehen zumindest Hersteller wie Knauf keinen Unterschied zwischen technischem und natürlichem Gips.
Entstehung in Kohlekraftwerken

REA-Gips entsteht vor allem in den Rauchgas-Entschwefelungs-Anlagen von Kohlekraftwerken. Foto: Pixabay
REA-Gips fällt vor allem bei der Entschwefelung von Abgasen in Steinkohle- und Braunkohlewerken in großen Mengen an. Seit Inkrafttreten der Großfeuerungsanlagenverordnung von 1983 sind Rauchgas-Entschwefelungsanlagen nicht nur in neu gebauten Kraftwerken Pflicht, sondern mussten auch in alten Anlagen nachgerüstet werden. Zwar gibt es theoretisch viele verschiedene Verfahren zur Entschwefelung von Rauchgasen, doch hat sich in der Praxis vor allem das so genannte Kalkwaschverfahren durchgesetzt, bei dem als Nebenprodukt REA-Gips entsteht.
Beim Kalkwaschverfahren – auch Kalkwäsche oder Nasswaschverfahren genannt – werden die Rauchgase in einen großvolumigen Behälter – den so genannten Absorber – eingeleitet. Dort besprüht man sie mit einer speziellen, wässrigen Waschsuspension, die fein gemahlenen Kalkstein enthält. Das Schwefeldioxid in den Abgasen wird dadurch absorbiert, es reagiert mit dem Kalk, und rieselt in gebundener Form in den unteren Teil des Absorbers, den so genannten Sumpf. Dort entsteht durch Zugabe von Sauerstoff schließlich Calciumsulfat – also Gips. Die entschwefelten Abgase entweichen durch den oberen Teil des Absorbers ins Freie.
Produktionsmengen
Nach Angaben des Bundesverbandes Baustoffe – Steine und Erden (BBS) stammt der überwiegende Teil des REA-Gipses mittlerweile aus Braunkohlekraftwerken (2013: rund 75 %). Das hängt insbesondere mit den vielen ostdeutschen Braunkohlewerken zusammen, die nach der Wiedervereinigung 1990 auch Rauchgas-Entschwefelungsanlagen einführen mussten. Wie der BBS mitteilt, wurden in Deutschland von 2001 bis 2013 durchschnittlich rund 7,1 Mio. Tonnen REA-Gips pro Jahr produziert.
Obwohl REA-Gips heute nach Angaben des Bundesverbands der Gipsindustrie etwa die Hälfte des Gipsbedarfes in Deutschland abdeckt, unter anderem, weil die Baustoffhersteller mittlerweile im großen Maßstab auf den technischen Gips setzen, fällt in den Kraftwerken bisher noch weitaus mehr REA-Gips an, als die Industrie verbrauchen kann. Der BBS beziffert die Inlandnachfrage für das Jahr 2013 auf etwa 4,7 Mio. Tonnen. Damit blieben also knapp 2,5 Mio. Tonnen übrig, die deponiert werden mussten.
2038 ist Schluss
Gemäß dem Kohleausstiegsgesetz von 2020 soll die Stromerzeugung aus Kohle in Deutschland spätestens 2038 komplett enden. Bis dahin müssen hierzulande alle Kohlekraftwerke abgeschaltet sein. Das bedeutet faktisch auch das Ende der REA-Gips-Produktion in Deutschland.
Im Rahmen der vom BBS beauftragten Studie „Die Nachfrage nach Primär- und Sekundärrohstoffen der Steine-und-Erden-Industrie bis 2035 in Deutschland“ wurde bereits vor einigen Jahren darauf hingewiesen, dass zurzeit etwa 40 % des europäischen REA-Gipses in Deutschland anfällt. Daher bestünden nur eingeschränkte Möglichkeiten, wegfallende REA-Gipsmengen durch Importe zu kompensieren.
Die Pläne der Gipsindustrie, ein eigenes Recyclingkonzept für Gipsprodukte zu entwickeln, könnten möglicherweise langfristig zur Entschärfung der Situation beitragen – heißt es in der Studie weiter. Gleichwohl müsse man sich künftig aber auf eine verstärkte Nutzung heimischer Naturgipslagerstätten einstellen.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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