
„Unsere Wälder sind krank“: So macht auch das Wandern keinen Spaß. Foto: Pixabay
Waldzustandserhebung: Massive Schäden
Die Bundesregierung hat Mitte Februar die Waldzustandserhebung 2020 vorgelegt. „Unsere Wälder sind krank“, sagte die zuständige Ministerin Julia Klöckner bei der Vorstellung des Berichts und sprach von „massiven Schäden“. Die wieder zu bewaldende Fläche lag Ende 2020 bei 277.000 Hektar. Das entspricht 388 Fußballfeldern. Zum Zeitpunkt der Berichtsveröffentlichung hatten sich 171 Mio. m3 Schadholz angesammelt. Das soll nun verstärkt als Bauholz genutzt werden.
Die vergangenen drei Dürrejahre, der massive Borkenkäferbefall, Stürme und vermehrte Waldbrände haben in den Wäldern langfristig massive Schäden angerichtet – heißt es aus dem Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, dem Klöckner vorsteht. Das dokumentiert nun auch die aktuelle Waldzustandserhebung. Bei dieser Untersuchung wird in jährlichen Stichprobenerhebungen der Kronenzustand deutscher Wälder bewertet. Die jüngsten Ergebnisse gehören zu den schlechtesten seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1984.
Erschreckende Ergebnisse

Nur 21 % der untersuchten Bäume waren ganz ohne Kronenschaden – so wenige wie nie zuvor. Grafik: BMEL
Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass 2020 so viele Erhebungs-Bäume abgestorben waren wie nie zuvor. Es ist erschreckend: Im bundesdeutschen Durchschnitt haben fast vier von fünf Bäumen lichte Kronen. Das gilt für 79 % der Fichten, 80 % der Kiefern und Eichen und sogar 89 % der Buchen. Ministerin Julia Klöckner: „Der Kronenzustand ist wie ein Fieberthermometer – er zeigt an, wie es den Bäumen geht.“ Insgesamt waren 2020 nur 21 % der untersuchten Bäume ohne Kronenschaden. 37 % wiesen sogar deutliche Verlichtungen auf. Bei diesen Bäumen sind mindestens 26 % der Blätter oder Nadeln vorzeitig abgefallen.
In Deutschland ist ein Drittel der Landesfläche mit Wald bedeckt (11,4 Mio. Hektar). Die häufigsten Baumarten sind die Nadelbäume Fichte (25 %) und Kiefer (23 %), gefolgt von den Laubbäumen Buche (16 %) und Eiche (11 %). Die künftige Wiederaufforstung der zurzeit sterbenden Baumbestände wird die Waldzusammensetzung voraussichtlich deutlich verändern. Denn die Bundesregierung fordert und fördert die verstärkte Anpflanzung trockenheitstoleranterer Baumarten sowie die Umwandlung der heutigen Nadelbaum-Monokulturen in klimaresilientere Mischwälder mit erhöhtem Laubbaumanteil.
1,5 Mrd. für den Waldumbau
Um den klimaangepassten Waldumbau schnell voranzubringen, hat Klöckners Ministerium ein Unterstützungsprogramm über 1,5 Mrd. Euro organisiert. Das Geld soll unter anderem Waldbesitzer und Forstwirte dabei unterstützen, schadhafte Bäume schnell aus dem Wald zu räumen und resilientere Bäume zu pflanzen. Ein Teil der Fördersumme – 800 Mio. Euro – wurde bereits 2019 im Zuge des Nationalen Waldgipfels bereitgestellt. Dieser Teil wird von Bund und Ländern im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) gewährt. Bei den restlichen 700 Mio. Euro handelt es sich um Bundesmittel aus dem Corona-Konjunkturpakt „Wald & Holz“.
„Die Mittel fließen sehr gut ab und kommen zielgenau dort an, wo sie gebraucht werden“, sagte die Ministerin bei der Vorstellung des Berichtes zum Waldzustand. Anlässlich der Präsentation nannte Klöckner auch aktuelle Zahlen zu den entstandenen Schäden der vergangenen drei Jahre: Die wieder zu bewaldende Fläche liege bei 277.000 Hektar (Stichtag: 31.12.2020). Hier sei immerhin ein leicht positiver Trend erkennbar, denn innerhalb von sechs Monaten sei die Schadfläche um 8.000 Hektar zurückgegangen. Zum Stichtag 30.6.2020 betrug sie nämlich noch 285.000 Hektar. Beim Schadholz (so genanntes Kalamitätsholz) betrage die Gesamtmenge nach aktuellem Stand 171 Mio. m3 – so die Ministerin im Februar.
Zwei neue Holzprogramme

Die Absterberate ist der Anteil der Bäume in der Stichprobe, die zwar zur Zeit der Erhebung noch stehen, jedoch seit der vorhergehenden Erhebung abgestorben sind. Grafik: BMEL
Ein Teil der 1,5 Mrd. Euro fließt nun auch in zwei neue Förderprogramme zur Modernisierung der Holzwirtschaft und zur Weiterentwicklung des Holzbaus, die Julia Klöckner Anfang März vorgestellt hat. Dabei handelt es sich um das Investitionsprogramm Holz (15 Mio. Euro in 2021) und das Programm Klimafreundliches Bauen mit Holz (20 Mio. Euro in 2021).
Beide Programme verfolgen nicht zuletzt das Ziel, die Nutzung der enormen Mengen an Schadholz (Kalamitätsholz) voranzutreiben, die in den letzten drei Jahren angefallen sind. „Die Nutzung von Holz ist aktiver Klimaschutz – denn es speichert Kohlenstoff“, sagt Julia Klöckner. Nach Angaben ihres Ministeriums enthält jeder Kubikmeter Holz etwa 0,3 Tonnen Kohlenstoff, der in Produkten wie Gebäuden oder Möbeln jahrzehntelang gebunden sei.
Das Investitionsprogramm Holz fördert Investitionen in die werterhaltende beziehungsweise wertsteigernde Nutzung von Kalamitätsholz, außerdem Investitionen zur vermehrten Nutzung von Laubholz und Investitionen zum Ausbau der Nutzung von Holz als Baustoff. Förderfähige Maßnahmen können allerdings nur noch bis zum 30. April 2021 beantragt werden und müssen bis zum 15. November 2021 abgeschlossen sein. Ausführliche Informationen zu diesem Programm gibt es hier.
Das Programm Klimafreundliches Bauen mit Holz fördert Beratungsleistungen für Unternehmen der Holzwirtschaft einschließlich Holzbau/Holzbauplanung (etwa in den Bereichen Digitalisierung, Robotik, Künstliche Intelligenz). Außerdem werden „Innovationscluster im Bereich Holzbau“ gefördert, die zu einem „Wissenstransfer durch bessere Vernetzung/Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Institutionen, Wissenschaft“ führen. Auch hier müssen die Maßnahmen bis zum 15. November 2021 abgeschlossen sein. Ausführliche Informationen zu diesem Programm gibt es hier.
Wald als Kohlenstoffspeicher
Die bundesweite Waldzustandserhebung wird seit 1984 jährlich von den Ländern durchgeführt. Die Gesamtstichprobe bestand 2020 aus 10.076 Probebäumen an 416 Probepunkten. Das Bundesergebnis wird aus den von den Ländern bereitgestellten Rohdaten am Institut für Waldökosysteme des Thünen-Instituts berechnet.
Das Thünen-Institut erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft auch die so genannte Kohlenstoffinventur. Diese liefert wissenschaftliche Erkenntnisse zu der Frage, wie viel Kohlenstoff Deutschlands Wälder speichern. Laut der jüngsten Kohlenstoffinventur 2017 sind hierzulande in lebenden Bäumen und im Totholz rund 1,26 Mrd. Tonnen Kohlenstoff gebunden.
Der Kohlenstoffvorrat im Waldboden ist sogar noch größer. Der Wald wirkt nach den Ergebnissen der Kohlenstoffinventur 2017 als Senke und entlastet die Atmosphäre jedes Jahr um rund 62 Mio. Tonnen Kohlendioxid. Allerdings könnten die derzeitigen Waldschäden die Verhältnisse verändern.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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