RM Rudolf Müller

Rechte und Pflichten
23. Juli 2015 | Artikel teilen Artikel teilen

Bekomme ich als Azubi Fahrtkosten erstattet?

StrassenbahnÜbers Jahr gerechnet seid ihr Azubis viel unterwegs. Da wäre der Pendelverkehr zwischen Wohnung, Ausbildungsbetrieb und Berufsschule, und manchmal kommen noch überbetriebliche Ausbildungsveranstaltungen oder auch Termine bei Kunden hinzu. Aber wer kommt eigentlich für die Fahrtkosten auf?

Das Wichtigste gleich vorweg: Für die regelmäßigen Kosten, die dir durch das Pendeln zwischen eigener Wohnung, Betrieb und Berufsschule entstehen, ist dein Ausbildungsunternehmen von Rechts wegen nicht zuständig! Kein Gesetz verpflichtet den Betrieb, solche Fahrtkosten zu übernehmen. Wenn Firmen dies mitunter doch tun, dann geschieht das auf freiwilliger Basis. Oder es wurden entsprechende Betriebsvereinbarungen beziehungsweise Tarifverträge mit den Betriebsräten oder Gewerkschaften ausgehandelt. Am besten erkundigst du dich, wie das Thema in deinem Unternehmen gehandhabt wird. Fragen kostet ja nichts!

Wer zahlt denn dann?

Für die Nichtzuständigkeit des ausbildendenden Betriebs gibt es im Prinzip nur eine Ausnahme: Wenn dich deine Firma bei einer auswärtigen Berufsschule angemeldet hat, obwohl es vor Ort eine geeignete Alternative gibt, dann muss sie auch für die erhöhten Fahrtkosten zur Berufsschule aufkommen.

Abgesehen von diesem in der Praxis wohl eher seltenem Fall sind die regelmäßigen Fahrtkosten im Prinzip deine eigene Sache. Du hast sie aus deiner Ausbildungsvergütung zu begleichen. Oder deine Eltern zahlen für dich. Solange du deine Erstausbildung noch nicht abgeschlossen hast, sind sie ja weiterhin unterhaltspflichtig. Wenn die Ausbildungsvergütung nicht reicht und deine Eltern keinen Unterhalt bezahlen können, dann kannst du unter Umständen Berufsausbildungsbeihilfe von der Bundesagentur für Arbeit beziehen. In die dafür erforderliche sogenannte „Bedürftigkeitsprüfung“ fließen auch Kosten für Fahrten zwischen Berufsschule, Arbeitsstelle und Wohnung mit ein.

Für den Pendelverkehr zwischen Wohnung und Berufsschule oder Betrieb und Berufsschule gibt es außerdem noch eine weitere Chance auf Kostenerstattung. Diese Strecken gelten als Schulweg, und manche Bundesländer erstatten Schülern und Azubis die Fahrtkosten für den Schulweg. Frage am besten mal im Sekretariat deiner Berufsschule nach, ob du in deinem Bundesland von einer solchen Regelung profitieren kannst. Aber wie gesagt: Es geht hier nur um Schulwege, nicht um deine Fahrten zwischen Wohnung und Ausbildungsbetrieb!

Wann der Betrieb doch zahlen muss

Für die Fahrten zwischen deiner Wohnung und deinem Ausbildungsbetrieb hast du wie gesagt keinen Rechtsanspruch auf Fahrtkostenerstattung durch deine Firma. Einzige Ausnahme: wenn du woanders eingesetzt wirst als an dem Ort, der in deinem Ausbildungsvertrag als Ausbildungsort festgeschrieben wurde – zum Beispiel in einer anderen Niederlassung oder auf einer Kundenbaustelle. Wenn dadurch die Fahrtkosten steigen, muss der Betrieb dir die Mehrkosten erstatten. Dasselbe gilt, wenn du im Rahmen deiner Ausbildung an überbetrieblichen Lehrgängen oder Seminaren teilnimmst. Damit sind nicht die Berufsschultage gemeint, sondern zusätzliche Schulungsveranstaltungen, an denen du auf Wunsch deines Unternehmens teilnimmst.

Absetzung von der Steuer

Wer mehr als 8.472 Euro Jahreseinkommen verdient, muss in Deutschland Lohnsteuer zahlen (Stand: 2015). Das gilt auch für Azubis. Nach der Datenbank für Ausbildungsvergütungen des Bundesinstituts für Berufsbildung erhalten zum Beispiel angehende Kaufleute im Groß- und Außenhandel hierzulande derzeit durchschnittlich 766 Euro pro Monat im ersten Ausbildungsjahr. Damit liegt ihr Jahreseinkommen bereits oberhalb des Grundfreibetrags. Wenn du also so viel verdienst, dann muss dein Betrieb einen Teil deiner Ausbildungsvergütung als Lohnsteuer an das Finanzamt abführen.

Die gute Nachricht: Als Azubi bekommst du in der Regel gezahlte Steuern zurück, wenn du eine Jahreseinkommenssteuererklärung machst, in der du sämtliche Kosten auflistest, die dir aus beruflichen Gründen entstanden sind. In diesem Zusammenhang kannst du dann auch deine Fahrtkosten von der Steuer absetzen.


Bitte beachten Sie: Der Inhalt dieses Beitrages stellt keine Rechtsberatung dar und kann die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen! Unser Anspruch ist es, immer rechtlich korrekte Artikel zur Verfügung zu stellen. Allerdings ändern sich Gesetze bzw. gesetzliche Regelungen häufig. Wir können daher keine Garantie für die aktuelle oder zukünftige Richtigkeit übernehmen. Im Zweifel wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an eine juristisch fundierte Person (z.B. Rechtsanwälte, Gewerkschaften, IHK etc.).

Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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