RM Rudolf Müller
Im U-Wert berücksichtigt: Außenwände bestehen meist aus unterschiedlichen Materialschichten.   Foto: Rockwool

Im U-Wert berücksichtigt: Außenwände bestehen meist aus unterschiedlichen Materialschichten.   Foto: Rockwool

Bauphysik
06. Juni 2019 | Artikel teilen Artikel teilen

Was ist der U-Wert?

Brauchen Hausbesitzer heutzutage ein Physikstudium? Seit Wohnhäuser in Deutschland gedämmt werden (müssen), sind die Besitzer häufiger mit komplizierten physikalischen Kenngrößen konfrontiert, die etwas mit dem Wärmedurchgang durch ihre Gebäudewände zu tun haben. Vor allem der Begriff U-Wert fällt hier immer wieder. Er wird allerdings regelmäßig mit dem λ-Wert verwechselt – dem Maß für die Wärmeleitfähigkeit.

Über die Wärmeleitfähigkeit λ (ausgesprochen: Lambda) haben wir bereits im Beitrag „Was bedeuten Wärmeleitfähigkeit, Nennwert und Bemessungswert?“ informiert. Ganz wichtig: Die Werte für die Wärmeleitfähigkeit beziehen sich immer auf einen ganz bestimmten Stoff – also zum Beispiel auf eine bestimmte Mineralwolle, einen bestimmten Kunststoffschaum, eine bestimmte Holzart oder ein bestimmtes Metall. Der jeweilige Wert für die Wärmeleitfähigkeit λ drückt aus, wie schnell sich Wärmeenergie durch eben diesen Stoff hindurch ausbreitet.

Vom λ- zum U-Wert

Die Wärmeleitfähigkeit λ eignet sich, um die Leistungsfähigkeit verschiedener Dämmstoffe zu vergleichen. Je geringer der λ-Wert eines Dämmstoffs – gemessen in der Maßeinheit W/mK („Watt pro Meter mal Kelvin“) –, umso besser eignet sich das Material zur Wärmedämmung. Will man nun allerdings den Wärmedurchgang durch eine komplette Hauswand beziffern, kommt man mit der Kenngröße der Wärmeleitfähigkeit allein nicht weiter. Warum? Weil Wände in der Regel nicht nur aus einem einzigen Material bestehen.

Stattdessen sind Wände und natürlich auch viele andere Gebäudebauteile meist aus unterschiedlichen Baustoffschichten aufgebaut, und jede dieser verschiedenen Schichten hat ihren eigenen λ-Wert. Um den Wärmedurchgang durch das komplette Bauteil zu beziffern, benötigt man daher eine Kenngröße, die all diese unterschiedlichen λ-Werte berücksichtigt und sie entsprechend der jeweiligen Schichtdicken gewichtet. Genau das leistet der so genannte Wärmedurchgangskoeffizient. Diese Kenngröße wird im Bauwesen mit dem Formelzeichen U abkürzt.

Merke: Während der λ-Wert etwas über den Wärmedurchgang durch ein homogenes (Baustoff-)Material aussagt, bezieht sich der U-Wert immer auf ein komplettes Bauteil, das in der Regel aus mehreren Materialschichten besteht. Der U-Wert ist die wichtigste Kenngröße zur Beurteilung des Wärmeschutzes von Bauteilen. Dabei kann es sich um eine Wand handeln, aber zum Beispiel auch um ein Dach, eine Deckenkonstruktion oder ein Fenster.

Bei Fenstern spricht man vom Uw-Wert, wenn das gesamte Bauelement gemeint ist (das w steht für „window“). Gilt der Wert dagegen nur für die Verglasung, heißt es UgWert („glass“). Bezieht er sich auf den Fensterrahmen, benutzt man das Kürzel Uf („frame“).

Praktische Bedeutung

Beim Steildach wird die U-Wert-Berechnung komplizierter, wenn die Dämmstoffschicht durch Holzsparren unterbrochen ist. Grafik: Isover

Beim Steildach wird die U-Wert-Berechnung komplizierter, wenn die Dämmstoffschicht durch Holzsparren unterbrochen ist. Grafik: Isover

U-Werte von Bauteilen sind nicht nur ein Spezialgebiet für Physik-Freaks, sondern haben auch eine ganz praktische Bedeutung – zum Beispiel für die Gebäudemodernisierung. Wenn bei einem Bestandsgebäude nämlich die Modernisierung einzelner Bauteile ansteht, schreibt die Energieeinsparverordnung (EnEV) einen maximalen U-Wert für das zu modernisierende Bauteil vor. Auch wenn der Bauherr eigentlich nur eine Hauswand streichen möchte, kann er nach der EnEV unter Umständen gezwungen sein, die Wand zusätzlich auch zu dämmen, falls sie ansonsten nicht den Maximal-Wert für den Wärmedurchgangskoeffizienten einhält.

Für Außenwände und Steildächer liegt der maximal erlaubte U-Wert nach der aktuellen EnEV zum Beispiel bei 0,24 W/(m²K). Der Uw-Wert eines neu eingebauten Fensters darf nur noch maximal 1,30 W/(m²K) betragen. Allgemein gilt: Je niedriger der U-Wert, umso besser ist der Wärmeschutz, den das Bauteil bietet. Bei einem Neubau schreibt die EnEV übrigens keine U-Werte für einzelne Bauteile vor. Stattdessen muss das Gebäude insgesamt so errichtet werden, dass ein bestimmter Jahres-Primärenergiebedarf für Gebäudebeheizung und -kühlung sowie Warmwasserbereitung und Lüftung nicht überschritten wird.

Berechnung des U-Wertes

Um den U-Wert eines Bauteils zu berechnen, benötigt man zunächst die Wärmedurchlasswiderstände (R-Werte) der einzelnen Bauteilschichten. Der R-Wert ist ein Maß für den Widerstand, den eine homogene Materialschicht von 1 m² Fläche der hindurchfließenden Wärmeenergie entgegensetzt, wenn zwischen den beiden Außenflächen der Schicht eine Temperaturdifferenz von 1 Kelvin besteht.

Man berechnet den Wärmedurchlasswiderstand R, indem man die Dicke d der Bauteilschicht (gemessen in Metern) durch die Wärmeleitfähigkeit λ des jeweiligen Schichtmaterials dividiert. Die Berechnungsformel lautet also R=d/λ. Die Maßeinheit des Wärmedurchlasswiderstandes R lautet also m/{W/(mK)}. Sie wird aber in dieser komplizierten Doppelbruchversion nicht verwendet. Da man Doppelbrüche durcheinander dividiert, indem man den Zählerbruch mit dem Kehrwert des Nennerbruchs multipliziert, ergibt sich als einfachere Schreibweise die Maßeinheit m²K/W. Um nun den U-Wert des Bauteils zu ermitteln (also den Wärmedurchgangskoeffizienten), addiert man zunächst einmal die zuvor errechneten R-Werte der einzelnen Bauteilschichten.


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Wärmeübergangswiderstände der Luft

Ganz fertig ist die U-Wert-Berechnung damit aber noch nicht. Zu der ermittelten Summe der R-Werte muss man nämlich noch die Wärmeübergangswiderstände der an das Bauteil angrenzenden Innenraumluft beziehungsweise Außenluft addieren (Rsi und Rse). Auch diese Kenngrößen haben die Maßeinheit m²K/W. Hintergrund: Bei der Wärmeübergabe von Luft in ein Bauteil und vom Bauteil in Luft entsteht ein Widerstand, der durch die Hinzufügung der Wärmeübergangswiderstände im U-Wert berücksichtigt wird.

Aber wie berechnet man diese Wärmeübergangswiderstände? Antwort: überhaupt nicht! Man entnimmt die Werte einfach der DIN EN ISO 6946. Diese Norm enthält gewissermaßen standardisierte Rsi– und Rse-Werte in Abhängigkeit von der Richtung des Wärmestroms, also letztlich von der Lage des Bauteils im Gebäude. Bei einer obersten Geschossdecke hat man es zum Beispiel normalerweise immer mit einem aufwärts gerichteten Wärmstrom zu tun. Für Rsi und Rse setzt man deshalb jeweils den Wert 0,10 m²K/W ein.

Um nun endlich den Wärmedurchgangskoeffizienten U zu erhalten, sind nur noch zwei einfache Rechenoperationen notwendig: Man addiert die R-Werte der einzelnen Bauteil- und angrenzenden Luftschichten und ermittelt abschließend den Kehrwert der Summe. Die Formel für den U-Wert lautet also: U =1/(Rsi + Summe RBauteilschichten + Rse). Als Maßeinheit des U-Wertes ergibt sich W/m²K.

Inhomogene Bauteilschichten

Komplizierter als oben beschrieben wird die U-Wert-Berechnung für Bauteilschichten, die nicht homogen aus einem einzigen Material bestehen. Man denke zum Beispiel an ein klassisches Steildach mit Zwischensparrendämmung. Hier wird die Dämmstoffschicht ja regelmäßig durch die Holzsparren unterbrochen. Das Verfahren, nach dem man solche inhomogenen Schichten berechnet, ist deutlich komplizierter. Es wird in der DIN EN ISO 6946 beschrieben.

Dieser Beitrag ist eine Überarbeitung unseres ursprünglichen Beitrags „U- und R-Werte: Berechnung von Wärmedämmung“ von 2010 (damaliger Autor: Stefan Bäumler, Saint-Gobain Isover).


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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