RM Rudolf Müller
Einbau von Beton-Sickertunneln unter Parkflächen der Lokhalle Freiburg.  Foto: Mall GmbH

Einbau von Beton-Sickertunneln unter Parkflächen der Lokhalle Freiburg.  Foto: Mall GmbH

Entwässerung
12. November 2020 | Artikel teilen Artikel teilen

Rigolen: Kasten oder Tunnel?

Dezentrale Regenwasserversickerung unterstützt den natürlichen Wasserkreislauf, trägt zur Entlastung der Kanalnetze bei und verringert die Gefahren von Starkregenereignissen. Das funktioniert natürlich nur, wenn die oberflächennahen Bodenschichten für Wasser auch durchlässig sind. Ist der Boden zu dicht, lässt sich aber mit unterirdischen Rigolen die gewünschte Versickerungsleistung dennoch sicherstellen. Zum Einsatz kommen heute oft kastenförmige Rigolen-Module, aber auch Sickertunnel.

Fällt Regen direkt auf eine unversiegelte Versickerungsfläche, ist dies normalerweise ein Segen für Boden und Grundwasserneubildung. Zugleich ist aber Vorsicht geboten bei Niederschlägen, die von Verkehrsflächen oder zum Beispiel von Kupfer- und Bleidächern abgeleitet werden. Diese führen häufig Schadstoffe mit sich, die nicht in den Untergrund gelangen dürfen. In solchen Fällen muss das Regenwasser daher vor dem Versickern zunächst mit geeigneten Filteranlagen gereinigt werden.

Was sind Rigolen?

Kasten-Rigolen erlauben dank Modulbauweise unterschiedlichste Anlagengrößen. Foto: Otto Graf GmbH

Kasten-Rigolen erlauben dank Modulbauweise unterschiedlichste Anlagengrößen. Foto: Otto Graf GmbH

Das aus dem Französischen stammende Wort Rigole heißt übersetzt soviel wie Rinne oder Graben. Im Zusammenhang mit der dezentralen Regenwasserversickerung bezeichnet Rigole einen unterirdisch angelegten Behälter, in den das Regenwasser über Rohrsysteme eingeleitet und zunächst zwischengespeichert wird, bevor es dann langsam in den Boden unterhalb der Rigole versickert.

Diese Pufferspeicher halten größere Wassermengen vorübergehend zurück, grundsätzlich sind die Behälter aber wasserdurchlässig. So ermöglichen Rigolen einen gedrosselten Regenabfluss in das anliegende Erdreich, verhindern aber zugleich, dass zu viel Wasser auf einmal versickert.

Bodenbeschaffenheit entscheidend

Ein typischer Einsatzbereich von Rigolen sind Flächen mit wasserundurchlässigem beziehungsweise schwer durchlässigem Oberboden, aber durchlässigem Unterboden unterhalb der Rigole. Ist nicht wenigstens der Unterboden durchlässig genug, funktioniert das Prinzip der Rigole nicht. Dann würde nämlich auch der großzügigste Rigolen-Behälter schnell volllaufen und sich das Wasser auf der Grundstücksoberfläche stauen.

Andererseits darf der Unterboden aber auch nicht zu durchlässig sein. Dann könnte er seine Aufgabe als Wasserfilter nicht erfüllen. Da die Bodenbeschaffenheit vor Ort von entscheidender Bedeutung ist, dürfen Hausbesitzer auf ihrem Grundstück nicht einfach eine unterirdische Rigole einbauen. In den meisten deutschen Kommunen sind derartige Baumaßnahmen genehmigungspflichtig. Die örtlichen Behörden – meist die Untere Wasserbehörde – prüfen vorab die Durchführbarkeit des Vorhabens.

Kasten-Rigolen

Kastenförmige Rigolen sind leicht und haben eine hohes Speichervolumen. Foto: Otto Graf GmbH

Kastenförmige Rigolen sind leicht und haben eine hohes Speichervolumen. Foto: Otto Graf GmbH

Bei den heute weit verbreiteten Kasten-Rigolen handelt es sich meist um Kunststoffboxen mit zahlreichen Längs- und Querverstrebungen – und ebenso vielen Schlitzen und Löchern. Optisch erinnern diese Produkte an leere Bierkästen oder vielleicht noch mehr an die zusammenklappbaren Einkaufskörbe, die Autofahrer gerne im Kofferraum mit sich führen.

Die Kastenbauteile sind relativ klein und können problemlos von einer einzelnen Person ohne Hilfsmittel transportiert werden. Sie lassen sich aber modulartig aneinanderfügen und stapeln, sodass – je nach Bedarf vor Ort – unterschiedlich große Rigolen-Anlagen möglich sind. Zum Schutz vor Erdmaterial aus dem umgebenden Bodenreich packt man die Rigolen in der Baugrube komplett in ein Filtervlies ein. Aufgrund des geringen Gewichts der einzelnen Kastenelemente ist der Einbau ausgesprochen einfach.

Günstig und platzsparend

Kastenrigolen bieten einerseits ein hohes Speichervolumen, um Wasser zeitweise zurückzuhalten, andererseits aber auch eine große Fläche zum Wasseraustausch mit dem angrenzenden Erdreich. Die Kästen sind zudem vergleichsweise günstig in der Anschaffung und platzsparend. Bevor es Lösungen wie die Kunststoff-Füllkörper gab, waren Rigolen meist hohlraumreiche Kiespackungen, die man mit Filtervlies umwickelte. Die modernen Versickerungsmodule bieten aber ein deutlich höheres Speichervolumen als herkömmliche Kiesrigole und beanspruchen zugleich weniger Platz.

Ein Nachteil der Kunststoff-Module ist allerdings, dass sie nach dem Einbau relativ schwer einsehbar sind. Eine spätere Inspektion ist zwar über Systemschächte möglich, aber nur mithilfe entsprechender Spezialkameras. Auch die bei den meisten Herstellern mögliche Reinigung per Hochdruckspülung erfolgt gewissermaßen „blind“ und erfordert entsprechende Spezialgeräte.

Sickertunnel

Sickertunnel werden auch aus Kunststoff gefertigt. Foto: Birco

Sickertunnel werden auch aus Kunststoff gefertigt. Foto: Birco

Anders ist es mit den so genannten Sickertunneln. Auf Kundenwunsch sind diese über geeignete Einstiegsschächte komplett begehbar. Das gilt zum Beispiel für das neue Produkt „Cavi-Line“ von Mall, das kürzlich bei der Sanierung der 1905 erbauten Lokhalle Freiburg zum Einsatz kam (siehe Foto ganz oben). Bei diesem Industriedenkmal, das heute als „Kultur- und Kreativbahnhof“ genutzt wird, wurde das Regenwasser von Dach- und Hofflächen früher einfach über den öffentlichen Kanal „entsorgt“. Im Zuge der Sanierung machten die Baubehörden nun die Auflage, dass das Regenwasser des gesamten Areals künftig vor Ort versickert werden muss.

Bei dem riesigen Freiburger Referenzobjekt wurden gleich fünf unterirdische Cavi-Line-Sickertunnel verbaut, die man aus insgesamt 52 Stahlbeton-Tunnelelementen zusammensetzte. Da die Betonelemente im Mall-Werk vorgefertigt werden, war die Anlage im Juli 2020 zügig fertiggestellt. Die flache, aber breitflächige Bauweise ermöglicht ein günstiges Verhältnis zwischen Rückhaltevolumen und Sickerfläche. Außerdem war für den Einbau nur ein relativ geringer Erdaushub notwendig. Gut geeignet ist diese Rigolen-Bauweise insbesondere auch unter linienförmigen Bauwerken wie Straßen und Wegen. Die Wassereinleitung kann dann auch von der Seite her erfolgen.

Beton oder Kunststoff

Der Werkstoff Beton ermöglicht sehr stabile Rigolen, ohne dass innere Aussteifungen im Tunnel notwendig werden. Zusammen mit einer Tunnelhöhe von 1,25 Meter und ausreichend dimensionierten Eingangsschächten führte dies in Freiburg zu einer problemlos begehbaren Anlage. Kontrolle, Reinigung oder Instandsetzung können dadurch nach Herstellerangaben mit überall verfügbaren Werkzeugen erfolgen. Kamera- oder Wartungsroboter sind überflüssig. Die unterirdischen Sickertunnel sind zudem nicht nur von Pkw, sondern sogar von Schwerlastwagen bis zu 60 t Gesamtlast befahrbar (SLW 60 nach DIN 1072).

Sickertunnel müssen aber nicht zwangsläufig aus Beton sein. Viele Hersteller haben auch Produkte aus Kunststoff im Programm, die sich aufgrund ihres geringen Gewichts noch leichter einbauen lassen. So bietet beispielsweise Birco mit dem Rigolen-Tunnel der Marke Storm-Tech ein Produkt aus belastbarem Polypropylen- oder Polyethylen-Kunststoffspritzguss in vier verschiedenen Bauhöhen. Auch dieser Sickertunnel (siehe Foto) ist für die dauerhafte Befahrung durch Schwerlastwagen bis SLW 60 geeignet. Er ist allerdings nicht direkt begehbar.

Vorbehandlung des Wassers

Manche Bundesländer fordern bei unterirdischer Versickerung immer zugleich auch eine vorherige Behandlung des Regenwassers. In Baden-Württemberg ist das beispielsweise so. Bei der Freiburger Lokhalle wurde diese Anforderung durch zwei unterirdische Filterschächte erfüllt, die den Sickertunneln vorgeschaltet sind. Diese enthalten ein spezielles Filtersubtrat aus Zeolithe, das sowohl abfiltrierbare Stoffe zurückhält als auch im Wasser gelöste Schwermetalle und mineralische Kohlenwasserstoffe bindet.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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