RM Rudolf Müller
Porosierte Hintermauerziegel müssten mit biogenen Luftporenbildnern hergestellt werden. Foto: Schlagmann Poroton

Porosierte Hintermauerziegel müssten mit biogenen Luftporenbildnern hergestellt werden. Foto: Schlagmann Poroton

Fassade und Massivbau
25. August 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Klimaneutrale Ziegelindustrie?

Ziegelbaustoffe werden bei hohen Temperaturen und bisher meist mithilfe des fossilen Energieträgers Erdgas gebrannt. Das verursacht hohe Treibhausgasemissionen, auch wenn die Hersteller von Mauer- und Dachziegeln in der jüngeren Vergangenheit schon deutliche Einsparungen realisieren konnten. Können diese Baustoffe in Zukunft trotzdem klimaneutral hergestellt werden? Die deutsche Ziegelindustrie bejaht dies und hat für den Weg dorthin eine „Roadmap“ erstellen lassen.

Die im März dieses Jahres veröffentlichte „Roadmap für eine treibhausgasneutrale Ziegelindustrie in Deutschland“ wurde von der Future Camp Climate GmbH im Auftrag des Bundesverbandes der Deutschen Ziegelindustrie (BVZi) veröffentlicht. Letzterer vertritt als Industrieverband die Interessen deutscher Mauer- und Dachziegelhersteller. Future Camp wiederum ist eine Münchner Unternehmensberatung, die sich auf Kompetenzfelder wie Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz spezialisiert hat.

Klimaneutral bis 2050

Der Untertitel der neuen Roadmap lautet: „Ein Weg zur Klimaneutralität der Branche bis 2050“. Treibhausgas- und Klimaneutralität werden also als synonyme Begriffe verwendet. Das Zieldatum 2050 kommt natürlich nicht von ungefähr. Die Bundesregierung hat sich bekanntlich in ihrem „Klimaschutzplan“ verpflichtet, daran zu arbeiten, dass Deutschland insgesamt bis zur Jahrhundertmitte treibhausgasneutral wird.

Ab dann soll hierzulande der Ausstoß der Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O), Schwefelhexafluorid (SF6), Stickstofftrifluorid (NF3) sowie teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKW) und perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFKW) nur noch dann zulässig sein, wenn er von den Verursachern vollständig kompensiert wird. Diese müssen der Atmosphäre dann an anderer Stelle die gleiche Menge an Treibhausgasen wieder entziehen, sodass unterm Strich keine zusätzlichen Treibhausgase das Erdklima bedrohen.

Auch die deutsche Ziegelindustrie will beziehungsweise muss bis 2050 treibhaugas- beziehungsweise klimaneutral sein. Immerhin lässt sich festhalten, dass die Industrie ihre Emissionen bereits in den letzten Jahrzehnten deutlich gesenkt hat. „Schon jetzt hat unsere Branche den Energieverbrauch von zehn Terawattstunden im Jahr 1990 auf aktuell 5,4 TWh nahezu halbiert“, rechnet Johannes Edmüller vor. Das Mitglied des BVZi-Präsidiums fügt hinzu: „Im gleichen Zeitraum wurden zudem die Emissionen um etwa 40 % auf 1,74 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr erheblich reduziert.“ Zurückzuführen sei dies auf Effizienzsteigerungen im Produktionsprozess, den gewachsenen Anteil an erneuerbaren Energien und die Einführung verbesserter Technologien.

Roadmap beschreibt drei Pfade

Auch die Dachziegelproduktion soll bis 2050 treibhausgasneutral werden. Foto: Creaton GmbH

Auch die Dachziegelproduktion soll bis 2050 treibhausgasneutral werden. Foto: Creaton GmbH

Die bisherigen Erfolge sind aber kein Ruhekissen für Gegenwart und Zukunft. Das Ziel bleibt ambitioniert. Der Ziegelverband spricht von einem „gewaltigen und komplexen Transformationsprozess“. Ob er gelingt, scheint aus heutiger Sicht ungewiss. Die Verfasser der Roadmap beschreiben drei verschiedene Pfade zur Minderung der Treibhausgasemissionen in der Ziegelindustrie. Nur der dritte Pfad – der so genannte Klimaneutralitätspfad – würde dazu führen, dass die Emissionen tatsächlich auf null fallen.

Pfad 3 ist aber ziemlich ehrgeizig, erfordert die größten Umstellungen bei der Ziegelherstellung und wäre auch entsprechend teuer. Laut Roadmap würde seine Umsetzung bis 2050 Gesamtinvestitionen in den Klimaschutz in Höhe von rund 2,3 Mrd. Euro erfordern. Deutlich günstiger (881 Mio. Euro) wäre der so genannte Referenzpfad (Pfad 1), bei dem die Branche einfach die bisherigen, konventionellen Maßnahmen zur Emissionsminderung weiterführt („business as usual“). Die Roadmap hält es auf diesem Weg für möglich, dass die Branche ihren Treibhausgasausstoß bis 2050 auf jährlich „nur“ noch 1,3 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente reduziert. Wie oben schon erwähnt, verursacht die deutsche Ziegelindustrie nach eigenen Angaben heute jährlich 1,74 Mio. Tonnen. Mit Pfad 1 ergäbe sich also nur eine Minderung um etwa 25 % – nicht gerade revolutionär.

Schon ambitionierter ist der so genannte Technologiepfad (Pfad 2). Für diesen errechnet Future Camp ab 2050 Emissionen von jährlich nur noch 0,5 Mio. Tonnen CO2. Dafür müssten die Hersteller ihre jährlichen Klimaschutzinvestitionen verdoppeln. Dieser Pfad erfordert allerdings erhebliche Umstellungen in der Ziegelproduktion und würde die Branche bis zur Jahrhundertmitte rund 1,7 Mrd. Euro kosten. Die erforderlichen Maßnahmen des Technologiepfades werden in der Roadmap ausführlich beschreiben, sollen uns an dieser Stelle aber nicht weiter interessieren. Stattdessen schauen wir im Folgenden noch etwas genauer auf den Klimaneutralitätspfad (Pfad 3). Das ist der einzige Weg, der tatsächlich zur Treibhausgasneutralität führen würde.

Maßnahmen zur Treibhausgasneutralität

Die 68-seitige Roadmap kann man kostenlos unter www.ziegel.de herunterladen.

Die 68-seitige Roadmap kann man kostenlos unter www.ziegel.de herunterladen.

Wie gesagt: Pfad 3 ist ambitioniert. Er erfordert unter anderem einen konsequenten Wechsel zu emissionsfreien Energieträgern – also weg vom Erdgas! – sowie weitere energetische Optimierungen des gesamten Produktionsprozesses. Vor allem die energieintensiven Vorgänge des Trocknens und Brennens der Ziegel müssten transformiert werden. Als wichtigste Maßnahmen schlägt die Roadmap vor, die Tunnelöfen künftig mit Wasserstoff oder grünem Strom und die Trockner mit Hochtemperatur-Wärmepumpen zu betreiben. Dafür wäre es notwendig, den bisherigen Ofen-Trockner-Verbund zu entkoppeln.

Für die Herstellung porosierter Hintermauerziegel schlägt die Roadmap zudem den Einsatz biogener Luftporenbildner vor. Für alle Ziegelbaustoffe gilt zudem: Die Emissionen im Produktionsprozess sind nur komplett auf null zu reduzieren, wenn man künftig ausschließlich Tone ohne fossilen Kohlenstoff beziehungsweise ohne Karbonate (zum Beispiel Kalk) verwendet. Auch sämtliche Zuschlagstoffe müssten ohne Bestandteile auskommen, die im Produktionsprozess zum Ausstoß von Treibhausgasen führen könnten.

Rahmenbedingungen müssen stimmen

Nach Ansicht des BVZi könnten auch Maßnahmen wie eine allgemeine Gewichtsreduktion von Mauerziegeln und Dachziegeln und eine Erhöhung des Einsatzes von Recyclingmaterial dazu beitragen, die Klimaneutralität der Branche zu erreichen. Im Alleingang könne die Ziegelindustrie die ambitionierten Ziele allerdings nicht erreichen. „Die Emissionen für Brennen, Trocknen und Porosierung auf null zu bringen ist möglich – sofern die Rahmenbedingungen stimmen“, betont Johannes Edmüller.

Dr. Matthias Frederichs, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes, fasst zusammen: „Mit der Roadmap 2050 legen wir ein transparentes, mit konkreten Maßnahmen und Kosten adressiertes Programm vor. Die notwendigen Investitionen sind beziffert. Damit spielen wir Ziegler den Ball zurück an die Politik. Wir brauchen jetzt wirksame Förderinstrumente, um die Transformation unserer Branche voranzutreiben und deren Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland langfristig zu sichern.“ Entscheidend dafür sei unter anderem die Verfügbarkeit von grüner Energie (zum Beispiel grüner Wasserstoff) – und das zu wirtschaftlich darstellbaren Kosten.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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