
Der sanierte Rendsburger Kanaltunnel hat einen kathodischen Korrosionsschutz erhalten. Alle Fotos: Sika Deutschland GmbH
Korrosionsschutz für Stahlbewehrungen
Bauteile aus Stahlbeton müssen vor Korrosion geschützt werden, damit die Stahlbewehrung nicht rostet. Traditionell geschieht dies durch eine ausreichend dicke Beton-Ummantelung, die das Metall vor schädlichen Umgebungseinflüssen abschirmt. Doch nicht immer reicht das, um Korrosion zu verhindern. Hat die Zersetzung des Metalls bereits begonnen, hilft ein relativ neues Verfahren: der so genannte kathodische Korrosionsschutz.
Wenn Stahl rostet, heißt das chemisch betrachtet, dass das Metall mit Sauerstoff reagiert. Diese Oxidation setzt außerdem die Gegenwart von Wasser voraus. Im Rahmen einer typischen Korrosionsreaktion bei Stahlbeton geben die Metallatome zunächst negativ geladene Elektronen ab. Als Folge davon fließt elektrischer Strom von der Stahloberfläche aus in das Porenwasser des Betons, das in diesem Zusammenhang als Elektrolyt wirkt. Deshalb bezeichnet man Korrosion auch als elektrochemische Reaktion. Durch die Elektronenabgabe entstehen positiv geladene Metall-Ionen, die sich nach und nach aus der Stahlstruktur herauslösen. Man sieht dann Rostbildung und allmähliche Materialzersetzung.
Passiver und aktiver Korrosionsschutz
Je dicker die abschirmende Betondeckung bei Stahlbeton-Bauteilen ausfällt, umso besser ist die Bewehrung geschützt vor Sauerstoff, Feuchtigkeit und anderen schädlichen Umweltstoffen. Man spricht in diesem Zusammenhang von passivem Korrosionsschutz. Auch der hohe pH-Wert des Betons vermindert die Gefahr einer Korrosionsreaktion. Gänzlich verhindern lässt sich das aber nicht immer.
Wenn Stahlbeton dauerhaft Wind und Wetter ausgesetzt ist und/oder Korrosion begünstigende Stoffe wie Chloride oder Kohlendioxid in das Material eindringen, steigt die Rostgefahr deutlich. Wasser macht schließlich auch vor dichten Steinstrukturen nicht Halt, Sauerstoff findet auch in winzigen Betonporen Platz. Über Betonschäden und Korrosion an Stahlbeton infolge des Einflusses von Kohlendioxid und Chloriden informiert ausführlich unser BaustoffWissen-Fachbeitrag „Betonschäden (Teil 1): Carbonatisierung und Lochfraß“.
Hat die Korrosion erst einmal begonnen, schreitet sie ohne Gegenmaßnahmen unaufhaltsam voran, was irgendwann zur Zersetzung des Stahls führt. Bei der traditionellen Sanierungsmethode wird es daher früher oder später notwendig, betroffene Stahlbereiche großflächig freizulegen und die Bewehrung zu erneuern. Doch in den letzten Jahrzehnten kommt auch immer häufiger eine Alternativmethode zum Einsatz: der so genannte kathodische Korrosionsschutz (KKS).
Dabei handelt es sich um ein Verfahren des aktiven Korrosionsschutzes, das weltweit bereits vielfach angewendet wird – in Deutschland bisher allerdings fast nur im Rahmen der Betoninstandsetzung von Parkhäusern. Gleichwohl ist das Verfahren schon europäisch normiert – nämlich in der DIN EN ISO 12696:2012-5 („Kathodischer Korrosionsschutz von Stahl in Beton“).
Wie funktioniert KKS?

Das im Tunnel eingebaute Anodengitter wird von den gelben Befestigungsmitteln gehalten und verschwindet später unter dem Spritzmörtel.
Das KKS-Verfahren schlägt die Korrosion gewissermaßen mit ihren eigenen Waffen. So wie Korrosion eine elektrochemische Reaktion ist, so handelt es sich beim kathodischen Korrosionsschutz um eine elektrochemische Methode, bei der man betroffene Stahlbewehrungen mithilfe eines Schutzstroms „behandelt“.
Dieser hilft natürlich nicht, wenn die Bewehrung bereits stark verrostet ist. Beginnende Korrosionsreaktionen, die man von außen durch Risse und Rostspuren an der Betonoberfläche erkennt, lassen sich durch KKS aber stoppen. Vorteil: Das Bauteil kann dann noch lange weiter funktionstüchtig bleiben, ohne dass man die Betondeckung komplett entfernen und die Bewehrung erneuern muss.
Wie oben bereits erwähnt, gibt Stahl beim Korrosionsprozess Elektronen ab, wodurch sich an seiner Oberfläche positiv geladene Metall-Ionen bilden. Die Bewehrung wird dabei gewissermaßen zur positiv geladenen Elektrode (Anode). Durch den Schutzstrom wird dieses Verhältnis umgedreht. Die positiven Metallionen nehmen die negativen Elektronen des elektrischen Stroms auf. Dadurch wird verhindert, dass sie sich weiterhin aus dem Material herauslösen – das Rosten wird also gestoppt.
Durch den kontinuierlichen Schutzstromfluss wird die Stahloberfläche sogar zur negativ geladenen Elektrode (Kathode). Daher kommt der Name kathodischer Korrosionsschutz.
Praxisbeispiel

Die elektrische Verkabelung der Stahlbewehrung für den kathodischen Korrosionsschutz im Kanaltunnel Rendsburg.
Soweit die Theorie. Wie die Installation eines KKS in der Praxis aussehen kann, zeigt beispielhaft die Sanierung des Autotunnels unter dem Nord-Ostsee-Kanal in Rendsburg, von der die Bilder zu diesem Beitrag stammen.
Der Schweizer Bauchemiespezialist Sika hat auf diesem Teilstück der B77 den kathodischen Korrosionsschutz erstmals in Deutschland als Lösung für die Grundsanierung eines Straßentunnels eingesetzt. Bedingt durch Streusalz war der Tunnelbeton über Jahrzehnte einer hohen Chlorid-Einwirkung ausgesetzt, was schließlich zu großen Lochfraß-Schäden an Wänden und Sohle des 1961 eröffneten Tunnels geführt hatte.
Die Installation des KKS-Schutzstroms wurde in Rendsburg durch flächendeckend in den Beton eingebaute Anodengitter aus Titanmischoxid realisiert. Der Einbau erfolgte mit einem Anodeneinbettmörtel und verschiedenen anderen bauchemischen Produkten von Sika.
Seit dem Einbau fließt nun ein dem ursprünglichen Korrosionsstrom entgegengesetzt gerichteter Gleichstrom zur ebenfalls unter Gleichstrom gesetzten und jetzt kathodischen Stahlbewehrung. Der Effekt ist, dass alle positiv geladenen Ionen (Na+, K+, Ca2+) zur Bewehrung fließen und alle negativ geladenen Ionen (OH–, Cl–, SO42-) von der Bewehrung weg zum Anoden-Netz. Dadurch konnte die Lochfraß-Korrosion des Bewehrungsstahls nahezu auf null reduziert werden.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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