RM Rudolf Müller
Stahl-Leichtbauweise: Einblick in das Testgebäude an der Universität Neapel. Foto: Knauf

Stahl-Leichtbauweise: Einblick in das Testgebäude an der Universität Neapel. Foto: Knauf

Trockenbau
18. Mai 2017 | Artikel teilen Artikel teilen

Stahl-Leichtbauweise: Erdbebensicherheit bestätigt

Mit der Weiterentwicklung tragender Außenwandelemente in Stahl-Leichtbauweise hat sich das Forschungsprojekt ELISSA beschäftigt. Dabei ging es auch um das Thema Erdbebensicherheit. In simulierten Test wurde nachgewiesen, dass leichte, mit Trockenbauplatten beplankte Stahlskelett-Wände selbst starken Erdbeben standhalten.

Die Abkürzung ELISSA steht für Energy Efficient Lightweight-Sustainable-Safe-Steel Construction. Übersetzt bedeutet das so viel wie energieeffiziente, nachhaltige und sichere Stahl-Leichtbauweise. Bei dieser Bauweise errichtet man tragende Wände aus einem Stahlskelett-Gerüst, das von beiden Seiten mit Trockenbauplatten beplankt und im Hohlraum mit Dämmstoffen gefüllt ist. Im Außenbereich kommen dabei in der Regel wasserfeste, zementgebundene Bauplatten zum Einsatz und auf der Innenseite Gipskartonplatten.

Bei dem dreijährigen, von der Europäischen Union geförderten Forschungsprojekt, das Ende August 2016 beendet wurde, ging es um die Zukunftspotenziale der Stahl-Leichtbauweise. Ziel war es, verbesserte tragende Stahlskelett-Wandelemente zu entwickeln, die sich im Werk vorfertigen lassen. Die dabei entstandenen ELISSA-Leichtbauelemente zeichnen sich nicht nur durch eine hohe Wärmedämmung und gute Brandschutzeigenschaften aus, sondern auch durch eine verbesserte Erdbebenfestigkeit.

Europäisches Forschungsprojekt

An dem europäischen Projekt beteiligten sich Institute, Universitäten und Industrieunternehmen aus verschiedenen Ländern. Mitgemacht haben etwa das Bayerische Zentrum für Angewandte Energie-Forschung (ZAE Bayern), die Technische Universität Athen, das Institut für Brandschutztechnik-Forschung an der britischen University of Ulster und die Universität Neapel. Auf Industrieseite beteiligten sich unter anderem mehrere Unternehmen der Knauf-Gruppe (Trockenbausysteme), der Hersteller VA-Q-TEC (Vakuumisolationspaneele) und die Häring Nepple AG, die das Stahl-Leichtbau-System Cocoon herstellt und an der Knauf zu 50 Prozent beteiligt ist.

Ein praktisches Ergebnis des Projekts war die Entwicklung der ELISSA-Leichtbauelemente. Dabei handelt es sich um vorgefertigte Stahlskelett-Wandelemente, die unter anderem durch den Einsatz von Vakuumisolationspaneelen (VIPs) über eine verbesserte Wärmedämmung verfügen und zudem durch eine hohe Feuerbeständigkeit punkten. In einem Erdbebenversuch konnte zudem erfolgreich nachgewiesen werden, dass die tragenden Wandbauteile selbst Erschütterungen der Stärke 6 auf der Richterskala standhalten.

Erdbeben-Simulation auf dem Rütteltisch

Erdbebensimulation: Das zweistöckige ELISSA-Haus auf dem Rütteltisch. Foto: Knauf

Erdbebensimulation: Das zweistöckige ELISSA-Haus auf dem Rütteltisch. Foto: Knauf

Mit den Werten der Richterskala gibt man die Stärke von Erdbeben an. Werte zwischen 4 und 5 stehen zum Beispiel für ein leichtes Erdbeben, Werte zwischen 5 und 6 für ein mittelstarkes. Ab dem Wert 6 beginnen die starken Erdbeben, bei denen mit Zerstörungen im Umkreis bis zu 70 km um das Epizentrum zu rechnen ist. 2009 hat man zum Beispiel beim Erdbeben von L’Aquila in Mittelitalien einen Wert von 6 auf der Richterskala gemessen. Das Beben soll damals bis zu 15.000 Gebäude beschädigt und 308 Todesopfer gekostet haben.

Wie die ELISSA-Tests zeigen, würden Hauswände in moderner Stahl-Leichtbauweise einem Beben dieser Intensität vermutlich standhalten. Getestet wurden die Leichtbauelemente an der Universität Neapel. Auf dem dortigen Rütteltisch baute man das „ELISSA Haus“ auf: ein zweistöckiges Gebäude aus ELISSA-Leichtbauelementen mit einer aus Gründen der Versuchsanordnung beschränkten Grundfläche von elf Quadratmetern. Der Rütteltisch erlaubt die realistische Simulation der typischen Bodenbewegungen bei einem Erdbeben.

Nach Angaben der am Forschungsprojekt beteiligten Knauf-Gruppe legte die im ELISSA-Haus eingesetzte Stahl-Leichtbauweise sehr gute seismische Leistungswerte an den Tag. Bei der Simulation einer Erdbebenstärke von 6 auf der Richterskala wurde eine maximale gegenseitige Stockwerksverschiebung von nur 0,97 % für das erste sowie 0,58 % für das zweite Geschoss gemessen. Nach Knauf-Angaben sind diese Werte als „hervorragend zu bewerten“. Auch die Querwände des Testgebäudes zeigten eine gute seismische Reaktion, ebenso wie der Boden und die Decke, die sich lagesicher in der Ebene hielten. Insgesamt konnte das ELISSA-Haus Schwingungen bis zum 1,5-fachen Wert  des L’Aquila-Erdbebens ausgesetzt werden, ohne dass sichtbare Schäden an den Bauteilen auftraten.

Leicht und sicher

Erbebensicheres Bauen bedeutet, Gebäude so zu errichten, dass sie die Bewegungen der Erde „mitmachen“, ohne dabei einzustürzen und ihre Bewohner unter sich zu begraben. Anders als vielfach angenommen, bieten schwere Massivbauten nicht unbedingt den besten Schutz. Zwar sind sie nicht so leicht in Schwingungen zu versetzen, geschieht dies aber doch, dann sind gleich wesentlich größere Trägheitskräfte im Spiel. Werden keine weiteren Schutzvorkehrungen getroffen, können gerade solche Gebäude bei schweren Erdbeben mitunter ohne Vorankündigung einstürzen.

Wandelemente in Leichtbauweise können dagegen bei richtiger Bauweise relativ hohe Schwingungen aushalten, ohne einzustürzen. Versagen sie dennoch irgendwann, dann sind die Gefahren für Leib und Leben der Menschen zumindest geringer als bei schweren Massivbaustoffen. Mehr zu diesem Thema erfahrt ihr auch in unserem Spezialbeitrag zum erdbebensicheren Bauen.


Mehr zum Thema Trockenbau finden Sie in der Übersicht


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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