
Althan-Park: In der alten Wiener Postdirektion befinden sich heute Eigentumswohnungen. Foto: Daniel Hawelka
Büros zu Wohnungen machen?
Bezahlbarer Wohnraum ist seit Jahren Mangelware. Zugleich stehen mancherorts Büroimmobilien leer. Die Corona-Krise scheint diesen Widerspruch zu verstärken. Home-Offices sind auf dem Vormarsch, viele Unternehmen überlegen, künftig weniger Bürofläche anzumieten. Zugleich droht in den nächsten Monaten eine Pleitewelle bei kleinen Ladengeschäften sowie Kultur- und Gastronomiebetrieben. Weitere Leerstände in den Citys scheinen also vorprogrammiert. Da drängt sich die Frage auf: Kann man bestehende Gewerbebauten nicht einfach zu Wohnraum umfunktionieren?
Solche Umwidmungen sind grundsätzlich natürlich möglich, und es gibt auch gelungene Praxisbeispiele. Trotzdem ist die Sache in vielen Fällen nicht so einfach, wie es im ersten Moment klingen mag. Oft scheitern derartige Vorhaben schon daran, dass es für die Investoren, die ihr Geld in Büros oder sonstige Gewerbeimmobilien gesteckt haben, unattraktiv erscheint, einen Umbau zu Wohnbauten in Angriff zu nehmen – selbst dann, wenn ihre Immobilien seit Jahren leer stehen.
Unattraktiv für Investoren?
Als ein Hauptgrund für die nach wie vor zu geringe Bautätigkeit im Wohnbereich gilt der Engpass Bauland. In den Ballungsgebieten sind die vorhandenen Freiflächen sehr teuer. Eine Investition lohn sich also nur, wenn die errichteten Gebäude später zu hohen Preisen verkauft oder vermietet werden können. Mit Gewerbebauten sind oft noch hohe Gewinne zu erzielen, beim Wohnungsbau dagegen scheint der mögliche „Return on Investment“ für viele Investoren nicht attraktiv genug.
Wenn nun aber Büro- und Geschäftsräume längere Zeit leer stehen, weil die Nachfrage nachgelassen hat, werden die Investoren dann nicht zwangsläufig umdenken? Ist es dann nicht besser, auf Wohnraum zu setzen, um überhaupt Einnahmen zu generieren – wenn auch geringere als erhofft? Das klingt vernünftig, aber so funktioniert der Markt häufig nicht. Statt noch mehr Geld in ein bisher unergiebiges Projekt zu stecken, verkaufen viele Investoren lieber. Für eine Gewerbeimmobilie mitsamt Grundstück findet sich in de Regel immer irgendein (internationaler) Investor, der bereit ist, einen guten Preis zu zahlen – selbst wenn der Bau schon lange leer steht.
Abschreckende Bürokratie?

Beginenhof Essen: Das heutige Wohnprojekt für Frauen und Kinder war früher Sitz des Finanzamtes Essen-Süd. Foto: Grimm
Dass die Idee, leerstehende Gewerbebauten in Wohngebäude umzuwandeln, häufig früh verworfen wird, hängt aber nicht immer nur am Desinteresse der Investoren. Es gibt auch viele andere hemmende Faktoren. Dazu gehört wohl auch die relativ unflexible deutsche Baugesetzgebung. Was hierzulande wo gebaut werden darf, ist schließlich keineswegs Privatsache. Kommunale Flächennutzungspläne legen rigide fest, wo Wohnraum entstehen darf und wo nicht: selbstverständlich in Wohngebieten, ebenso in so genannten Mischgebieten, aber eben keinesfalls in Gewerbegebieten.
In Zeiten der Wohnungsnot werden sich Kommunalpolitik und -verwaltung sinnvollen Umnutzungen wahrscheinlich nicht grundsätzlich verweigern, aber ein längerer Verwaltungsakt muss auf jeden Fall einkalkuliert werden. Schwierig wird es insbesondere, wenn Flächennutzungspläne geändert, Gewerbegebiete in Wohngebiete umgewandelt werden müssen.
Doch auch wenn sich die Gewerbeimmobilie in einem Mischgebiet befindet, darf man eine Umnutzung zum Wohnbau nicht einfach ohne Erlaubnis in Eigenregie durchziehen. Ansonsten drohen Bußgelder und Rückbauforderungen. Man muss also in jedem Fall bei der örtlichen Bauaufsicht eine neue Baugenehmigung und eine Nutzungsänderung beantragen. Das alles sind keine unüberwindbaren Hürden, aber auf unentschlossene Investoren wirken sie möglicherweise dennoch abschreckend.
Mit der 2017 eingeführten neuen Gebietskategorie „Urbane Gebiete“ ist die deutsche Baugesetzgebung immerhin potenziell flexibler geworden. Wenn Kommunen künftig in ihren Flächennutzungsplänen Urbane Gebiete definieren, dann ermöglichen diese Flächen von vorneherein eine erleichterte Koexistenz von Gewerbe- und Wohnbauten. Ob dadurch auch Umnutzungen leichter werden, muss die Zukunft zeigen.
Bauliche Herausforderungen
Wenn finanziell und planungsrechtlich nichts gegen eine Umwidmung spricht, bleibt noch die alles entscheidende Frage, ob sich die vorhandene Gewerbeimmobilie rein baulich betrachtet überhaupt für eine Umwandlung in Wohnraum eignet. Zahlreiche Einzelfragen spielen hier eine Rolle. Eignen sich Geometrie und Bautiefe der Bestandsflächen überhaupt für eine Umfunktionierung zu attraktiven Wohnungen? Lässt sich überall eine ausreichende Belichtung für Wohnzwecke sicherstellen? Wie sieht es mit dem Brandschutz aus?
Entscheidend ist auch die Situation in Sachen Treppenhäuser, Wasser-, Strom-, Gas- und Telekommunikationsanschlüsse sowie Abwasserleitungen. Lassen sich die künftigen Wohneinheiten überhaupt mit vertretbarem Aufwand erschließen? Und auch die Fassadengestaltung spielt natürlich eine Rolle. Gläserne Bürotürme scheiden für eine Umwandlung in Wohnraum wohl von vorneherein aus. Bei größeren Änderungen an der Gebäudehülle müssen dann auch die energetischen Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) erfüllt werden.
Die hier genannten Punkte beleuchten sicher nur einen Teil der baulichen Herausforderungen, mit denen man bei der Umwandlung von Gewerbe- zu Wohnbauten konfrontiert werden kann. In vielen Fällen wäre ein Umbau vermutlich so teuer, dass er sich für die Investoren nicht lohnt. Oder sie entscheiden sich für Abriss und Neubau, weil das unter Umständen günstiger ist. Das lässt sich aber nicht verallgemeinern, sondern variiert von Objekt zu Objekt.
Passt die Infrastruktur?

Lyoner Viertel: Der ehemalige Frankfurter Büropark Niederrad ist heute ein durchmischtes Quartier, das auch Wohnraum bietet. Foto: Standort-Initiative Neues Niederrad
Neben den baulichen Voraussetzungen spielt natürlich auch die Umgebung eine wichtige Rolle. Passt die Lage überhaupt zu einem Wohngebäude? Halten sich Lärm- oder Schadstoffbelastungen in einem vertretbaren Rahmen? Wie sieht es mit der verkehrstechnischen Erschließung des Gebietes aus? Gibt es genügend Parkplätze und einen Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr? Wie sieht es mit Grünanlagen und Kinderspielplätzen aus? Und was ist mit Einkaufsmöglichkeiten? All diese Beispiele zeigen, dass bei der Umwandlung von Gewerbe- zu Wohnbauten vieles bedacht werden muss. Längst nicht alle Objekte eignen sich deshalb dafür.
Praxisbeispiel aus Wien
Das Foto ganz oben in diesem Beitrag illustriert übrigens ein gelungenes Umwandlungsprojekt aus jüngerer Zeit. In Österreich hat man Ende 2018 den Umbau der ehemaligen Postdirektion im 9. Wiener Bezirk erfolgreich abgeschlossen. In dem Mitte der 1980er-Jahre errichteten Bürogebäude hat die 6B47 Real Estate Investors AG fast 240 hochwertige Eigentumswohnungen mit Balkon, Loggia oder Terrasse entstehen lassen.
Die Gebäudehülle des vierflügeligen Bürokomplexes blieb erhalten, wurde aber komplett entkernt und neu ausgebaut. Die Fassaden wurden ebenfalls modernisiert. Der neue Wohnkomplex trägt den Namen Althan-Park, befindet sich im innerstädtischen Bereich mit bester Verkehrsanbindung und verfügt dennoch über eine grüne Umgebung. Im alten Gebäudesockel gibt es Geschäftslokale, einen Kindergarten sowie eine Tiefgarage.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
Wohnen auf vorhandenen Nicht-Wohngebäuden: Durch Dachaufstockungen auf Büro- und Geschäftsgebäuden oder Parkhäusern ließe sich wertvoller Wohnraum schaffen, ohne das zusätzliches...
mehr »
Früher waren Keller Stauräume für Fahrräder und allerlei Gerümpel oder sie dienten als Standort für den Heizöltank oder zur Aufbewahrung von Brennholz beziehungsweise Kohlebriketts. Heute wird das Untergeschoss dagegen immer häufiger zu Wohnraum umgewandelt – vom Partyraum über den Fitnessbereich bis hin zum Arbeitszimmer. Statt feuchtmoderiger ...
mehr »
In Deutschland gibt es immer mehr Unternehmen, die ihren Mitarbeitern und Azubis auch Wohnraum zur Verfügung stellen. Da passt es...
mehr »