
Der Name ist Programm: Die neuen Dry-Tile-Fliesen werden trocken verlegt. Abbildungen: Agrob Buchtal
Keramikfliesen trocken verlegen
Böden aus Keramikfliesen haben viele Vorteile: Sie sind pflegeleicht, wohngesund, unempfindlich, langlebig sowie farbecht – und es gibt eine riesige Auswahl an Designs. Nur eins sind Fliesen normalerweise nicht: flexibel. Einmal im Mörtelbett verlegt, kann man sie kaum zerstörungsfrei wieder zurückbauen. Doch einige Hersteller bieten mittlerweile Alternativen: Fliesensysteme für die trockene Verlegung.
Den jüngsten Vorstoß in Sachen Trockenverlegung machte kürzlich der deutsche Fliesenproduzent Agrob Buchtal. Mitte 2018 präsentierte das Unternehmen mit „Dry-Tile“ ein System zur Verlegung von keramischen Bodenfliesen, das nach Angaben des Herstellers eine „achtmal schnellere Verlegung“ ermöglicht als beim herkömmlichen Bodenaufbau üblich. Möglich macht das der Verzicht auf Fliesenkleber. Stattdessen wird die Keramik einfach trocken verlegt, wodurch Trocknungszeiten entfallen und der Belag viel schneller begehbar ist. Außerdem kann man ihn bei Bedarf auch schnell wieder zerstörungs- und staubfrei abbauen und anschließend woanders neu verlegen.
Agrob Buchtal betont, dass Dry-Tile die traditionelle, nasse Fliesenverlegung keinesfalls ersetzen wolle. Dry-Tile sei vielmehr ein ergänzendes Angebot für Bodenprojekte, bei denen die Fliese aufgrund langer Trocknungszeiten oder schlechter Rückbaubarkeit bisher selten im Fokus stand: zum Beispiel auf Einzelhandelsflächen, in Verwaltungs- und Bürogebäuden oder auch in Lagerbereichen. In Meckenheim (NRW) wurden beispielsweise kürzlich Dry-Tile-Fliesen in der Obst- und Gemüseabteilung eines Edeka-Marktes verlegt. Die gesamte Aktion erfolgte über Nacht, in nur neun Stunden von Samstag auf Sonntag. Am folgenden Montagmorgen war der neue Boden bereits voll belastbar.
Fliesen mit Korkrücken

Zum System gehören Keramikfliesen mit rückseitig aufgesinterter Korkschicht.
Auch wenn Großformate schon seit vielen Jahren im Trend liegen, bleibt ein Fliesenboden immer ein relativ kleinteiliger Belag. Die große Frage ist daher: Wie kann ein solcher Boden trittsicher und stabil sein, wenn er nicht fest in einem Mörtelbett verklebt ist? Zunächst einmal zum Aufbau der Dry-Tile-Fliesen: Sie bestehen natürlich im Wesentlichen aus Keramik, werden aber rückseitig durch eine aufgesinterte, 2,5 mm starke Schicht aus Kork stabilisiert. Der Korkrücken wird vom Hersteller Trison aus Hauzenberg zugeliefert. Dry-Tile ist nämlich ein Gemeinschaftsprojekt von Agrob Buchtal und Trison.
Das Besondere: Die exakt geschnittene Korkschicht steht auf allen vier Fliesenseiten leicht über, wodurch sich beim Aneinanderstoßen eine präzise Schmalfuge ergibt. Diese verfüllt man anschließend mit einer von Trison extra für das System entwickelten Fugenmasse, die in sechs verschiedenen Farben erhältlich ist. Die Fugenmasse sorgt für den Zusammenhalt und die Stabilität der Fliesenfläche. Ein Verrutschen des Gesamtbelags wird durch die rückseitige Korkschicht vermieden. Durch das Eigengewicht der Keramik saugt sich der Kork nämlich automatisch am Untergrund fest. Zugleich garantiert das Material einen guten Trittschallschutz und verbessert die Wärmedämmung des Bodens.
Belag für Fachhandwerker
Nach dem Verfugen ist der Boden sofort für Folgearbeiten anderer Gewerke wie Maler oder Elektriker begehbar. Nach 24 Stunden ist er voll belastbar. Der Austausch oder Rückbau ist ebenfalls unkompliziert: Man muss nur die Fugen aufschneiden und die Fliesen mit einem Saugheber entnehmen. Wichtig für die Arbeit mit Dry-Tile-Fliesen ist ein ebener Untergrund. Der Belag stellt höhere Anforderungen an die Ebenflächigkeit als die DIN 18202: Einzuhalten ist ein Stichmaß von 2 mm auf einer Länge von 2 m, wobei dies vom Verarbeiter vor der Verlegung zu überprüfen und gegebenenfalls nachzubessern ist.
Zur Qualitätssicherung setzt Agrob Buchtal auf ein Zertifizierungs-Konzept. Die Dry-Tile-Trockenverlegung ist demnach nur Fachhandwerkern gestattet, die zuvor eine vom Fliesenhersteller angebotene Schulung absolviert haben. Eine Anmeldung zu diesen Veranstaltungen ist auf der Internetseite www.trison-drytile.de möglich.
Frühere Trockenverlegung-Systeme

Dry-Tile-System: Die Spezialfugenmasse wird nicht im Schlämmverfahren über den gesamten Belag verteilt, sondern gezielt in die Fugenkammer eingebracht.
Man darf gespannt sein, ob sich die Innovation von Agrob Buchtal am Markt durchsetzt. Gänzlich neu sind Systeme zur Trockenverlegung von Fliesen allerdings nicht. Bei den früheren Produkten dieser Art wurden die Fliesen allerdings meist auf ein Kunststoff-Trägermaterial aufgebracht. Ein typisches Beispiel dafür ist das Produkt „Cliptile“ des italienischen Herstellers Cooperativa Ceramica D`Imola. Bei diesem System werden die einzelnen Fliesen durch einen seitlichen Klick-Mechanismus miteinander verbunden. Für die Verfugung ist zudem keine separate Fugenmasse notwendig. Stattdessen haben die Fliesen an ihren Rändern fest angebrachte Gummilippen, die als Fugenmaterial dienen. Einen Eindruck von diesem System vermittelt dieses Youtube-Video.
Doch auch mit dem Korkrücken der neuen Dry-Tile-Fliesen hat Agrob Buchtal das Rad keineswegs völlig erfunden. Der Hersteller Korzilius hat bereits 2013 auf der damaligen Messe BAU mit dem System „kora-Dry-Floor“ ein ganz ähnliches System präsentiert – mit Korkrücken und einer Fugenmasse auf Dispersions- oder Epoxidharz-Basis. Allerdings ging das schon damals angeschlagene Traditionsunternehmen wenige Wochen nach der Messe endgültig insolvent. Die Produktion von kora-Dry-Floor ist also nie wirklich angelaufen.
Innovativer Fugenmörtel
Bei Agrob Buchtal streitet man nicht ab, dass Dry-Tile durchaus Ähnlichkeiten zu früheren Produktentwicklungen anderer Hersteller aufweist. Man verweist aber auf Unterschiede in den Details. Als Alleinstellungsmerkmal wird insbesondere die verwendete Spezial-Fugenmasse hervorgehoben. Dabei handele es sich um ein sehr widerstandsfähiges, aber zugleich flexibles Material mit einer „extrem hohen Flankenhaftung“ – so der Hersteller auf Nachfrage.
Die Fugenmasse ist übrigens weder zementär noch basiert sie auf Epoxidharz oder anderen Harzen. Die genaue Zusammensetzung verrät Agrob Buchtal jedoch nicht. Sie ist ein Betriebsgeheimnis. Vor der Markteinführung 2018 wurde Dry-Tile zudem jahrelang getestet. In die Entwicklung sind auch die Erfahrungen mit Gehversuchen auf früheren Trockenverlegungssystemen eingeflossen.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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