RM Rudolf Müller
Auch HBCD-belastetes EPS soll künftig recycelbar sein.   Foto: BASF

Auch HBCD-belastetes EPS soll künftig recycelbar sein.   Foto: BASF

Dämmstoffe
11. Juli 2019 | Artikel teilen Artikel teilen

EPS-Recycling: Was ist PS-Loop?

EPS-Abfälle, die das bis 2015 eingesetzte Flammschutzmittel HBCD enthalten, waren bisher nicht recycelbar, sondern mussten verbrannt werden. Sie werden also in Müllverbrennungsanlagen „thermisch verwertet“ – wie es so schön heißt. Die PS-Loop-Initiative will das ändern.

Das Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD) wird mittlerweile als Umweltgift eingestuft und darf seit dem 21.08.2015 weltweit nicht mehr hergestellt werden. Seitdem enthalten neue Dämmstoffe aus expandiertem Polystyrol (EPS) – besser bekannt unter dem Markennamen Styropor – ein anderes Flammschutzmittel, das als unbedenklich gilt: so genanntes Polymer-FR.

Aber natürlich hängt an Deutschlands Fassaden überall noch massenhaft HBCD-haltiges EPS. Zum Glück hat sich der Dämmstoff bisher als erstaunlich langlebig erwiesen, und da alte EPS-Fassaden mit geringen Dämmstoffdicken in der Praxis oft einfach aufgedoppelt werden, ohne dass man das Alt-EPS entfernt, ist das Abfallaufkommen bisher relativ überschaubar geblieben.

Problem Flammschutzmittel

Doch irgendwann wird es natürlich dazu kommen, dass HBCD-haltiges EPS in größeren Mengen ersetzt werden muss. Da das Flammschutzmittel aber verboten ist, kann man das Material natürlich nicht einfach recyceln. Bisher konnte man es eigentlich nur verbrennen. Das Flammschutzmittel zersetzt sich bei Temperaturen über 190 °C und wird dadurch unschädlich für Mensch und Umwelt.

Dabei wäre ein Recycling von HBCD-belastetem EPS technisch schon heute möglich. Das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) hat nämlich bereits vor rund 15 Jahren eine Methode entwickelt, bei der das Styropor zunächst mithilfe eines Lösemittels verflüssigt wird. Anschließend lassen sich Dämmstoff und Flammschutzmittel dann voneinander trennen. Diese ursprünglich als CreaSolv-Verfahren bezeichnete Methode galt für die Praxis aber lange Zeit als zu teuer.

Projekt Poly-Styrene-Loop

Auf diesem Werkgelände in Terneuzen wird das PS-Loop-Verfahren ab 2020 im industriellem Maßstab erprobt. Foto: ICL-P

Auf diesem Werkgelände in Terneuzen wird das PS-Loop-Verfahren ab 2020 im industriellem Maßstab erprobt. Foto: ICL-P

Aber neuerdings kommt Bewegung in die Sache. Die PolyStyreneLoop Cooperative U.A. will das Recycling von HBCD-haltigem EPS erstmals nicht nur im Labormaßstab betreiben, sondern in einer Pilotanlage mit einer Kapazität von 3.000 Tonnen EPS-Abfällen pro Jahr. Das Unternehmen ist eine von dem niederländischen EPS-Hersteller Synbra und dem israelischen Chemieunternehmen ICL 
gegründete Non-Profit-Organisation. Auch das Fraunhofer IVV und etwa 60 Industrievertreter der gesamten Wertschöpfungskette für PS-Schaumstoffe sind mittlerweile Mitglieder dieser Gesellschaft.
 Sie finanzieren das Vorhaben, das zudem Mittel der Europäischen Kommission erhält.

Die Pilotanlage soll 2020 im niederländischen Terneuzen fertiggestellt werden – und zwar am dortigen Standort des Chemieunternehmens ICL. Es handelt sich um das erste Praxisvorhaben dieser Art im industriellem Maßstab. Das Projekt trägt den Namen Poly-Styrene-Loop (kurz: PS-Loop), die Recycling-Methode basiert aber auf der altbekannten CreaSolv-Technologie des Fraunhofer-Instituts. Die Projektpartner wollen neue Erkenntnisse zur Tragfähigkeit der CreaSolv-Technologie gewinnen. Nach erfolgreichem Testlauf sollen überall in Europa ähnliche Recyclinganlagen entstehen.

Dreistufiger Recyclingprozess

In Terneuzen soll die Praxistauglichkeit aller Schritte des Recyclingprozesses erprobt werden. Zunächst werden die HBCD-haltigen EPS-Abfälle in einem Becken mit einem speziellen Lösemittel aufgelöst. Dabei werden feste Verunreinigungen wie Schmutz und Zement herausgefiltert und anschließend verbrannt.

Durch Zugabe einer weiteren Flüssigkeit verwandelt sich das Polystyrol in ein Gel, während das Flammschutzmittel HBCD in der Restflüssigkeit verbleibt. Das PS-Gel wird dann von der Restflüssigkeit getrennt, gereinigt und zu Polymergranulat verarbeitet. Die Restflüssigkeit wird destilliert und in einem geschlossenen Kreislauf zu einem Schlamm weiterverarbeitet. Anschließend wird das im Schlamm enthaltene HBCD in einer Hochtemperatur-Verbrennungsanlage vernichtet. Dabei wird das im Flammschutzmittel enthaltende Brom zurückgewonnen.

Mit der Rückgewinnung von Brom schließt sich übrigens ein Kreislauf. Denn auch beim neuen EPS-Flammschutzmittel Polymer-FR spielt Brom als Wirkstoff eine wichtige Rolle. Es handelt sich um ein bromiertes Polymer, also um einen Kunststoff mit Bromzusatz. Beim PS-Loop-Verfahren entstehen also aus HBCD-haltigem EPS zwei wertvolle Rohstoffe: reines Polystyrol und Brom, das für die Herstellung alternativer Flammschutzmittel von Nutzen ist.

Nachtrag Juni 2023:

Nachdem die niederländische Betreiberfirma der Anlage in Terneuzen im März 2022 Insolvenz anmelden musste, stand das Projekt PS-Loop zwischenzeitlich auf der Kippe. Rettung brachte Mitte 2022 die Übernahme durch die German EPS Converters (GEC) Group. Bei deren Gesellschaftern handelt es sich um die Dämmstoffhersteller Bachl, Rygol und Brohlburg. Im Juni 2023 verkündete die Investorengruppe, dass die Anlage in Terneuzen in den Regelbetrieb gegangen ist.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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