RM Rudolf Müller
In Hameln werden gerade die ersten deutschen Mehrfamilienhäuser seriell saniert.  Foto: ecoworks GmbH

In Hameln werden gerade die ersten deutschen Mehrfamilienhäuser seriell saniert.  Foto: ecoworks GmbH

Energetisches Bauen
05. März 2020 | Artikel teilen Artikel teilen

Serielles Sanieren nimmt Fahrt auf

Die Idee des seriellen Sanierens ist noch relativ jung, doch auch in Deutschland sind nun bereits die ersten Praxisprojekte angelaufen. Mit vorgefertigten Standard-Elementen werden in Hameln gerade über 80 Jahre alte Mehrfamilienhäuser in moderne Nullenergiehäuser verwandelt. Die Sanierung erfolgt nach dem Energiesprong-Konzept. In den nächsten Jahren sollen noch tausende solcher Objekte folgen.

Über den neuen Ansatz zur Auflösung des Sanierungsstaus im Gebäudebereich haben wir bereits 2018 im Beitrag „Was ist serielles Sanieren?“ informiert. Zur Erinnerung: Der Trend stammt aus den Niederlanden, wo bereits über 5.000 Gebäude nach dem Energiesprong-Konzept saniert wurden („ Energiesprung“) – oft innerhalb nur weniger Tage.

Hierzulande hat die Deutsche Energie-Agentur (dena) diese Idee aufgegriffen. Zusammen mit Bauunternehmen, Wohnungsgesellschaften, den Experten der Non-Profit-Organisation Energiesprong und dem Bundeswirtschaftsministerium gründete sie Anfang 2017 die Initiative „Energiesprong Deutschland“.

Gemeinsam wollen die Partner unterschiedliche Prototypen von Mehrfamilienhäusern aus dem Bestand mithilfe von vorgefertigten Standard-Elementen kostengünstig und zeitsparend zu Nullenergiehäusern sanieren (Net-Zero-Standard). Solche Gebäude verbrauchen übers Jahr gerechnet nicht mehr Energie für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom als sie selbst erzeugen können.

Pilotprojekt in Hameln

Die Fassadenteile mit Lärchenholz-Verschalung hat ein Holzbau-Unternehmen vorgefertigt. Foto: dena

Die Fassadenteile mit Lärchenholz-Verschalung hat ein Holzbau-Unternehmen vorgefertigt. Foto: dena

Gesagt, getan: Im niedersächsischen Hameln hat man im Wohnquartier „Kuckuck“ bereits die ersten Mehrfamilienhäuser nach dem Energiesprong-Prinzip seriell saniert. Der Wohnblock aus den 1930er-Jahren gehört der Arsago-Gruppe und besteht aus drei Gebäuden mit je zwei Stockwerken und insgesamt zwölf Wohnungen. Das energetische Upgrade des Bestandsobjekts erfolgte mithilfe vorgefertigter Dach- und Fassadenelemente sowie Photovoltaikmodulen und einer Wärmepumpe mit zwei Wärmespeichern. Für die Umsetzung war das Bauunternehmen Ecoworks verantwortlich, die dena begleitete das Pilotprojekt.

Die jeweils 7 m langen, 2,85 m hohen und 36 cm dicken Fassadenteile mit Lärchenholz-Verschalung wurden von einem Holzbauunternehmen vorgefertigt – inklusive Fenster mit dezentralen Lüftungselementen und Wärmerückgewinnung sowie einem Dämmpaket aus Recycling-Glaswolle. Im November 2019 kamen sie zur Baustelle und wurden dort direkt montiert. Die ebenfalls komplett im Werk vorgefertigten Dachelemente erfüllen den Passivhaus-Standard.

Die Sanierung des kompletten „Kuckuck“-Wohnquartiers soll bis Frühjahr 2020 abgeschlossen sein. „Das Energiesprong-Pilotprojekt in Hameln ist ein Meilenstein für die praktische Umsetzung der Energiewende im Gebäudebereich“, freut sich Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung. „Dieser erste Prototyp ist auch deshalb so wertvoll, weil die Erfahrung in alle weiteren Energiesprong-Sanierungen einfließen kann. Und es wird viele davon geben.“

Wohnungsunternehmen ziehen mit

Der „Volume Deal“ wurde beim dena-Energiewendekongress feierlich bekanntgegeben. Foto: dena

Der „Volume Deal“ wurde beim dena-Energiewendekongress feierlich bekanntgegeben. Foto: dena

Was Kuhlmann hier so sicher macht, ist die gemeinsame Absichtserklärung von Wohnungs- und Bauwirtschaft, die am 25. November 2019 beim Energiewende-Kongress der dena in Berlin bekannt gegeben wurde. Im so genannten „Volume-Deal“ erklären 22 in Deutschland tätige Wohnungsunternehmen, insgesamt 11.635 Wohnungen bereitstellen zu wollen, die in den nächsten vier Jahren seriell saniert werden. Zudem beteiligten sich vier Bauunternehmen an der Vereinbarung. Diese sagten zu, intensiv an der Entwicklung wirtschaftlich attraktiver und skalierbarer Komplettlösungen zu arbeiten. Für die dena ist der Volume-Deal „ein erster Durchbruch bei der Marktentwicklung serieller Sanierungslösungen in Deutschland“.

Nach Angaben von Energiesprong Deutschland beinhaltet die Absichtserklärung auch das gemeinsame Ziel, eine komplett neue Sanierungslösung zu etablieren, die auf digitalisierte Prozesse und einen hohen Vorfertigungsgrad setzt. Dabei sollen zu sanierende Gebäude künftig mit 3D-Scans erfasst und Fassaden- sowie Solardachelemente millimetergenau vorfertigt werden – inklusive Fenster, Dämmung und Außenputz –, sodass man sie auf der Baustelle nur noch montieren muss. Auch die gesamte Anlagentechnik will man in einem vorgefertigten Energiemodul zusammenfassen. All das soll zu deutlich kürzeren Baustellenzeiten und sozialverträglichen Kosten führen.

KfW-Förderung aufgestockt

Natürlich können Wohnungsunternehmen auch bei seriellen Gebäudesanierungen die Förderungen der KfW-Bankengruppe in Anspruch nehmen. Diese hat gerade erst im Januar den Tilgungszuschuss für eine Sanierung zum Effizienzhaus 55 auf 40 % erhöht. Dieser energetische Standard wird nach dena-Angaben durch den Energieprong-Ansatz erreicht. „Dank der aufgestockten KfW-Förderung können Wohnungsunternehmen nun viele Mehrfamilienhäuser wirtschaftlich auf Net-Zero-Standard bringen – und das bei allenfalls moderaten Erhöhungen der Warmmiete“, sagt Uwe Bigalke, Teamleiter Energiesprong bei der dena.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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