RM Rudolf Müller
Geologischer Garten des Instituts für Geowissenschaften und Geographie.  Foto: Uni Halle / Maike Glöckner

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Forschung, Technik und Trends
06. September 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Emissionsarmer Zement: Bauxit statt Kalk

Eine klimafreundliche Alternative zu herkömmlichem Zement haben Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der brasilianischen Universität Pará entwickelt. Bei ihrem Calciumsulfoaluminat-Zement wird ein großer Teil des sonst üblichen Kalks durch ein Abraumprodukt der Bauxit-Förderung ersetzt.

Wohnhäuser, Fabrikhallen, Treppen, Brücken, Staudämme – all das könnte ohne Zement nicht gebaut werden. Schätzungen zufolge wurden im Jahr 2020 weltweit knapp 6 Mrd. Tonnen Zement produziert. So wichtig der Baustoff ist, so problematisch ist leider seine Ökobilanz: Zement ist nämlich für etwa 8 % der vom Menschen erzeugten CO2-Emissionen verantwortlich. Da CO2 ein Treibhausgas und damit ein „Klimakiller“ ist, wird seit einigen Jahren an Alternativen zum herkömmlichen Portlandzement geforscht.

Für ihren innovativen Zement setzen die Forschenden aus Deutschland und Brasilien auf ein bislang ungenutztes Abraumprodukt der Bauxit-Förderung. Mithilfe dieses Rohstoffs lasse sich der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) während der Zementproduktion um bis zu zwei Drittel senken – so die MLU in einer Pressemitteilung. Gleichzeitig sei das alternative Produkt aber genauso stabil wie Portlandzement.

CSA-Zement mit spezieller Rezeptur

Ehemaliger Bauxit-Tagebau in der Nähe des italienischen Otranto. Foto: Pixabay

Ehemaliger Bauxit-Tagebau in der Nähe des italienischen Otranto. Foto: Pixabay

„Bei der klassischen Produktion von Portlandzement werden verschiedene Rohstoffe, unter anderem Kalkstein, zu sogenanntem Klinker gebrannt“, erklärt Prof. Dr. Herbert Pöllmann vom Institut für Geowissenschaften und Geographie der MLU. „Dabei wird Calciumcarbonat in Calciumoxid umgewandelt und eine Menge Kohlenstoffdioxid freigesetzt.“

Als vielversprechend gilt schon seit einiger Zeit Calciumsulfoaluminat-Zement (CSA-Zement), bei dem man einen großen Teil des Kalks durch Bauxit ersetzt. Dabei handelt es sich um ein natürlich vorkommendes Aluminiumerz, das vor allem aus Aluminiummineralen, Eisenoxiden und dem Tonmineral Kaolinit besteht. Allerdings ist Bauxit ein begehrtes Ausgangsprodukt für die Aluminiumherstellung und nicht unbegrenzt verfügbar. Gemeinsam mit brasilianischen Mineralogen hat das MLU-Team deshalb eine Alternative gesucht.

Und die Forschenden wurden fündig: Für ihren CSA-Zement verwenden sie nicht reinen Bauxit, sondern ein Abraumprodukt – den so genannten Belterra-Lehm. „Diese bis zu 30 m dicke Tonschicht bedeckt die Bauxit-Lagerstätten im Tropengürtel der Erde, beispielsweise im Amazonasbecken“, erläutert Pöllmann. „Sie enthält genügend aluminiumhaltige Minerale für eine gute Qualität, ist in großen Mengen verfügbar und kann ohne zusätzliche Behandlung verarbeitet werden.“ Weiterer Pluspunkt: Der Belterra-Lehm wird ohnehin bewegt und muss für die Zementherstellung nicht extra erschlossen werden.

Bis zu zwei Drittel weniger CO2

Ganz ohne Calciumcarbonat funktioniert die Zementherstellung nicht, doch immerhin 50 bis 60 % des kohlensauren Kalks können durch Belterra-Lehm ersetzt werden. Für den Brennprozess eines derart zusammengemischten CSA-Zements sind 1.250 °C ausreichend – 200 °C weniger als beim Portlandzement. Pöllmann: „Unsere Methode setzt also nicht nur bei der chemischen Umwandlung weniger CO2 frei, sondern auch beim Beheizen der Drehöfen.“ Durch die Kopplung dieser Effekte lassen sich die CO2-Emissionen bei der Zementherstellung um bis zu zwei Drittel reduzieren.

In Laboruntersuchungen konnten die Mineralogen nachweisen, dass ihr alternativer Zement allen Qualitätsanforderungen gerecht wird, die auch an klassischen Portlandzement gestellt werden. Die vollständigen Ergebnisse ihrer Arbeit haben die Forschenden in der Fachzeitschrift „Sustainable Materials and Technologies“ veröffentlicht. Der Titel ihrer Studie lautet „Production of low-CO2 cements using abundant bauxite overburden“. In weiteren Forschungsprojekten soll nun untersucht werden, ob es auch in Deutschland Bauxit-Abraumquellen gibt, die sich für die Zementproduktion eignen.


 

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