RM Rudolf Müller
Steigende Kosten bringen den Heizungsmarkt in Bewegung.  Foto: Pixabay

Steigende Kosten bringen den Heizungsmarkt in Bewegung.  Foto: Pixabay

Energetisches Bauen
06. Dezember 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

Entwicklung des Heizungsmarktes

In rund 60 % aller deutschen Wohnneubauten wurde vergangenes Jahr eine Wärmepumpe eingebaut. Bei aller Freude über den Boom dieser regenerativen Heiztechnik darf man aber nicht vergessen, dass die Situation im Bestand noch völlig anders aussieht: Von den insgesamt rund 21 Mio. Wärmeerzeugern in Deutschland nutzten 2021 über 19 Mio. fossile Energien. Rund die Hälfte aller Heizungsanlagen war zudem technisch veraltet.

Bei den genannten Zahlen handelt es sich um Daten des Bundesverbandes des Schornsteinfegerhandwerks. Nach Angaben des Verbandes nutzten hierzulande letztes Jahr noch 19,2 Mio. zentrale Heizungsanlagen fossile Energien. Bezogen auf die Gesamtanzahl der zentralen Wärmeerzeuger (21,3 Mio.) waren das 90,1 %. Nur knapp 10 % der Bestandheizungen nutzen dagegen erneuerbare Energien. Im Einzelnen handelte es sich hier um 1,2 Mio. Wärmepumpen und 0,9 Mio. zentrale Biomasse-Kessel. In dieser Statistik nicht berücksichtigt sind Einzelraumfeuerstätten mit festen (Holz-)Brennstoffen.

Zwei Drittel Gasheizungen

Im Gesamtbestand sind regenerative Wärmeerzeuger bisher noch die Ausnahme.

Im Gesamtbestand sind regenerative Wärmeerzeuger bisher noch die Ausnahme.

Von den 19,2 Mio. mit fossilen Brennstoffen befeuerten zentralen Heizungsanlagen arbeiteten 14 Mio. mit Gas und 5,2 Mio. mit Öl. Während die Zahl der Ölheizungsanlagen aber seit Jahren kontinuierlich abnimmt, stieg die Anzahl der Gasheizungen bis letztes Jahr immer noch leicht an – von 2020 auf 2021 gab es hier ein Plus von 0,6 %. Nach Angaben des Schornsteinfegerverbands wurden zuletzt aber größtenteils Gas-Hybridanlagen eingebaut, die sich auch mit erneuerbaren Energien kombinieren lassen.

Der Gesamtbestand der zentralen Wärmeerzeuger setzte sich letztes Jahr zu fast zwei Dritteln aus Gasheizungen zusammen (65,7 %). Dabei handelt es sich aber wie gesagt nicht nur um alte Heizungen. Unter den insgesamt 929.000 Wärmeerzeugern, die das deutsche Schornsteinfegerhandwerk 2021 neu in Verkehr gebracht hat, waren sogar 70,3 % Gasheizungen. Der Anteil der Wärmepumpen an den neu installierten Heizungen betrug dagegen nur 16,6 %, Biomasse-Kessel kamen auf 8,2 %. Angesichts der Wärmepumpen-Dominanz im Wohnneubau mögen diese Zahlen im ersten Moment überraschen. Man darf eben nicht vergessen: Neu in Verkehr gebracht werden Heizungsanlagen nicht nur im Neubau, sondern (viel häufiger noch) im Bestand.

Ohnehin sind Gasheizungen an sich ja nichts Schlechtes. Vor Russlands Überfall auf die Ukraine und die dadurch ausgelöste Gaspreisexplosion galten zumindest moderne Gasheizungen in Deutschland als weithin akzeptierte „Brückentechnologie“ auf dem Weg zum langfristig angestrebten Ziel der vollständigen Dekarbonisierung des Gebäudesektors.

Von den 14 Mio. deutschen Gasheizungen arbeiteten 2021 immerhin 7,6 Mio. mit Brennwerttechnik, der Rest dagegen mit der energetisch weniger effizienten Heizwerttechnik. Im Bestand gibt es zudem noch 5,2 Mio. Ölheizungen, von denen nur 0,8 Mio. mit Brennwerttechnik arbeiten, alle anderen mit Heizwerttechnik. Der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) kommt bei seiner Auswertung der Schornsteinfeger-Daten unterm Strich zu dem Ergebnis, dass es 2021 in Deutschland noch 10,8 Mio. Gas- und Ölkessel gab, die „unzureichend effizient“ arbeiteten – also technisch veraltetet waren. Das betraf 51 % aller hiesigen Wärmeerzeuger.

Wärmepumpe: ja – aber

Auch der Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerk betrachtet strombasierte Wärmepumpen – idealerweise in Kombination mit Solarthermie oder Photovoltaikanlagen – als gute Lösung, damit Deutschland seine Klimaziele im Gebäudesektor erreichen kann. Zumindest im Neubau. Im Bestand dagegen seien Wärmepumpen „nicht immer sinnvoll“ – ausschlaggebend für Effizienz und Wirtschaftlichkeit sei hier der energetische Zustand des Gebäudes. Weitere Infos zu diesem Thema bietet auch unser Beitrag „Wann arbeiten Wärmepumpen effektiv?“ (siehe Rubrik BaustoffWissen PLUS).

Die aktuelle Energiekrise mit ihrer 2021 noch nicht absehbaren drastischen Verknappung der Gaslieferungen nach Deutschland wird man mit Wärmepumpen allein zudem kaum lösen können. Zumal die Technik nach wie vor relativ teuer und ebenfalls von Verknappungstendenzen betroffen ist. Der Schornsteinfegerverband wies im Juni dieses Jahres darauf hin, dass Wärmepumpen teilweise nur nach längeren Wartezeiten lieferbar sind und es an ausreichend Fachpersonal zur Installation mangelt.

Vor diesem Hintergrund fordert wiederum der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie, in deutschen Heizungskellern weitere Potenziale beschleunigt zu heben – nicht nur mit Blick auf die Klimaziele, sondern auch angesichts der Ereignisse in der Ukraine. „Die aktuelle Situation führt uns vor Augen, dass wir den Energiemix im Wärmesektor stärker diversifizieren müssen und unter anderem auch Biomethan und Wasserstoff berücksichtigen müssen“, sagt BDH-Präsident Uwe Glock.

Breites Heizungs-Portfolio

Rund die Hälfte aller Heizungsanlagen in Deutschland ist technisch veraltet.

Rund die Hälfte aller Heizungsanlagen in Deutschland ist technisch veraltet.

Angesichts der veränderten Rahmenbedingungen bei der Versorgung mit Wärmeenergie, aber auch aufgrund der Heterogenität des Gebäudesektors hält es der BDH heute für notwendig, die gesamte Breite des heiztechnischen Portfolios zu nutzen. Dazu zählt der Verband insbesondere auch hybride Lösungen, die eine Wärmepumpe mit einem weiteren Wärmeerzeuger kombinieren, zudem wasserstoffkompatible Heizungen, holzbasierte Wärme und Solarthermie sowie moderne Heizungssysteme, die nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung arbeiten (Mikro-Blockheizkraftwerke, Brennstoffzellen-Heizungen). Auch die Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung gehört für den BDH zu diesem erweiterten Portfolio.

Im ersten Halbjahr 2022 ist der deutsche Gesamtmarkt für Wärmeerzeuger nach Angaben des BDH übrigens um 1 % gewachsen. In diesem Zeitraum kamen 463.000 neue Anlagen hinzu. Den größten Zuwachs verzeichneten die Wärmepumpen mit einem Plus von 25 % sowie Biomasse-Kessel, hier insbesondere Pelletheizungen, mit einem Plus von 6 % gegenüber dem Vorjahr. Der Anteil der Gasheizungen an den neu installierten Anlagen sank dagegen um 6 %. Bei dieser Entwicklung hat sicher auch Russlands Krieg und seine Folgen für Deutschlands Energieversorgung eine Rolle gespielt.

Gleichwohl sind gasbasierte Systeme mit rund 300.000 neuen Anlagen auch im ersten Halbjahr 2022 das dominierende Volumenprodukt geblieben. Der BDH betont in diesem Zusammenhang, dass auch der Austausch veralteter Gaskessel gegen moderne Gas-Brennwertgeräte im Sinne des Klimaschutzes sei. Zumal solche Systeme künftig auch mit regenerativen Brennstoffen betreibbar seien. „Bereits heute ist es mit Biomethan möglich, jedes gasbasierte Heizsystem CO2-neutral zu betreiben“, erläutert BDH-Hauptgeschäftsführer Markus Staudt. „Ab 2025 wird es zudem Heizsysteme geben, die zu 100 % wasserstofffähig sind.“


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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