RM Rudolf Müller
Moderne Wärmerückgewinnung hilft beim Wärmenergie- und Stromsparen.  Vallox GmbH

Moderne Wärmerückgewinnung hilft beim Wärmenergie- und Stromsparen.  Vallox GmbH

Energetisches Bauen
19. Oktober 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

Vorteile der Wärmerückgewinnung

Wohnraumlüftungen mit Wärmerückgewinnung fristen in Deutschland bislang ein Nischendasein. Rund zwei Drittel aller Wohnneubauten verfügen nicht über diese Technologie, und auch bei der Bestandssanierung wird oft darauf verzichtet. Damit bleibt ein großes Potenzial zum Energiesparen ungenutzt – und zwar nicht nur bei der Heizenergie, sondern auch beim Haushaltsstrom. Das zeigt eine aktuelle Studie im Auftrag des Bundesverbandes für Wohnungslüftung.

Der Bundesverband für Wohnungslüftung (VfW) bezeichnet die ventilatorgestützte Lüftung mit Wärmerückgewinnung als eine Schlüsseltechnologie zur Erreichung der Klimaziele und spricht in diesem Zusammenhang auch von „Energiesparlüftungen“. Von der Politik fordert der Interessensverband der deutschen Wohnraumlüftungsbranche, dass sie Abwärme aus Abluft als erneuerbare Energie anerkennt und ihr einen dementsprechenden Stellenwert im Gebäudeenergiegesetz (GEG) und in der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) einräumt. Mit anderen Worten: Der Staat soll die Wärmerückgewinnung im Gebäudesektor gesetzlich stärken und zugleich finanziell fördern.

14-seitige Kurzstudie

Der Bundesverband für Wohnungslüftung sieht zahlreiche Vorteile für die Wärmerückgewinnung im Gebäudesektor. Grafik: VfW

Der Bundesverband für Wohnungslüftung sieht zahlreiche Vorteile für die Wärmerückgewinnung im Gebäudesektor. Grafik: VfW

Um seine Argumentation auch wissenschaftlich zu stützen, hat der VfW die 14-seitige KurzstudieWohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung als nachhaltige Schlüsseltechnologie zur Erreichung der Klimaziele“ in Auftrag gegeben. Sie wurde vom ITG Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden erstellt und ist im Mai 2022 erschienen.

Laut Studie erfolgen bei modernen, energieeffizienten Gebäuden ohne Wärmerückgewinnung mindestens 50 % der Wärmeverluste über das Lüften. Durch ventilatorgestützte Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung – also mit Wärmetauschern in den Zu- und Abluftkanälen – lassen sich die Lüftungswärmeverluste deutlich reduzieren. Nach Angaben des VfW ist nichts so effizient wie die Wiedernutzung von Wärme, die sich bereits im Gebäude befindet. Als Folge sinken die Heizungskosten. Zudem lassen sich häufig Wärmeerzeuger oder sogar das Wärmenetz kleiner dimensionieren. Hausbesitzer können also auch bei der Heizungstechnik sparen.

In der Studie heißt es, „dass es keine sachlich beziehungsweise physikalisch begründeten Argumente gibt, die Abwärmenutzung gegenüber der Nutzung erneuerbarer Energie als Möglichkeit zweiter Klasse zu behandeln“. Im Gegenteil: Die Wärmerückgewinnung sei sogar effizienter als eine Nutzung von erneuerbarer Energie aus der Umgebung, weil der Aufwand für den Energietransport und zusätzliche Umwandlungsprozesse geringer seien.

Komplementärsystem zur Wärmepumpe

In vielen Hauhalten lässt sich durch Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung auch Strom sparen. Das gilt zumindest überall dort, wo der Prozess der Wärmeerzeugung den Einsatz von elektrischer Energie erfordert. Ein Beispiel dafür sind die seit der Energiekrise verstärkt nachgefragten Wärmepumpen. Die zapfen zwar regenerative Umweltwärme an (Luft, Erdreich, Grundwasser), benötigen zum Betrieb aber auch Strom.

Muss eine Wärmepumpe weniger Wärme bereitstellen, weil vorhandene Gebäudewärme im Lüftungsprozess wiederverwendet wird, lässt sich ihr Stromverbrauch deutlich senken. Dasselbe gilt natürlich auch für andere strombetriebene Heizungen wie Nachtspeicherheizungen, Elektroheizkörper, Infrarotheizungen, elektrisch betriebene Fußbodenheizungen und natürlich auch mobile Heizlüfter.

Die Autoren der Studie bezeichnen die Wärmerückgewinnung als natürliches Komplementärsystem zur Wärmepumpe. Die Kombination entlaste das Wärmepumpen-Heizsystem vor allem bei niedrigen Außentemperaturen. Durch die Abluftwärme muss die Wärmepumpe eine geringere Heizlast bewältigen hat, was beim Stromsparen hilft. Darüber hinaus gibt es auch Abluft-Wärmepumpen. Das sind spezielle Luftwärmepumpen, die nicht mit Außenluft, sondern mit der Raumabluft arbeiten. Dabei wird die zurückgewonnene Wärme aus der verbrauchten Abluft direkt von der Wärmepumpe „eingesammelt“.

Heizlast sinkt

Beim Einsatz von Wärmerückgewinnung lässt sich die Wärmepumpe kleiner dimensionieren. Grafik: VfW

Beim Einsatz von Wärmerückgewinnung lässt sich die Wärmepumpe kleiner dimensionieren. Grafik: VfW

Die Autoren der Kurzstudie haben berechnet, dass sich bei einem Einfamilienhaus mit 150 m2 Wohnfläche die Heizlast um 0,3 bis 0,7 kW reduzieren ließe, wenn statt freier Lüftung eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung zum Einsatz kommt. Bei einem Mehrfamilienhaus mit zehn Wohnungen von jeweils 80 m2 Größe sei eine Reduzierung um 1,6 bis 3,9 kW möglich.

Laut Studie erfordern Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung im Vergleich zu Abluftanlagen ohne Wärmerückgewinnung Mehrinvestitionen von 20 bis 30 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. In etwa der gleiche Betrag lasse sich dann aber beim Einsatz von Wärmepumpen einsparen, weil die Heizungstechnik eine geringere Leistung bereitstellen muss.

Natürlich verbrauchen auch ventilatorgestützte Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung Strom. In der Studie wird allerdings betont, dass die durch Wärmerückgewinnung eingesparte Wärme so hoch sei, dass unterm Strich eine spürbare Kosteneinsparung erreicht wird. Eine ähnliche Argumentation erfolgt mit Bezug auf die notwendige Reinigung beziehungsweise den Austausch von Lüftungsfiltern. Die dadurch entstehenden Kosten lägen bei etwa 40 bis 60 Euro jährlich. „Die Heizkosteneinsparung übersteigt diese Filter- und Wartungskosten spürbar“, heißt es dazu in der Kurzstudie.

Entlastung des Stromnetzes

Wärmerückgewinnung hat nicht nur Vorteile für den einzelnen Hausbesitzer, sondern auch für das gesamte deutsche Stromnetz. In Zeiten von Windstille und bedecktem Himmel („Dunkelflaute“) fällt die Stromgewinnung aus regenerativen Quellen weitgehend aus. In diesen kritischen Phasen ließe sich das Stromnetz entlasten, wenn in Gebäuden verstärkt Abwärme aus Abluft nutzbar wäre – heißt es in der Studie. Am stärksten sei dieser Effekt in der kalten, windarmen Winterzeit.

Das ITG hat berechnet, was passieren würde, wenn die Hälfte aller deutschen Wohngebäude über Lüftungssysteme mit Wärmerückgewinnung verfügen würden. Demnach wäre die Einsparung bei der Gesamtheizlast durchaus enorm. Laut Studie würde die Netzbelastung um 4 bis 9,8 GW in der Dunkelflaute sinken. Zur Einordnung: Laut Website der Bundesregierung muss das deutsche Stromnetz derzeit an normalen Tagen eine Kapazität von 65 bis 70 Gigawatt bereitstellen.

Das ITG hält das Potenzial der Wärmerückgewinnung zur Netzentlastung für so hoch, dass Deutschland dadurch sogar auf fossile Kraftwerke verzichten könnte, die bisher als Netzreserve eingeplant sind. Dazu abschließend noch einmal ein längeres Zitat aus der Studie: „Makroökonomisch ergibt sich für unsere zukünftige, erneuerbare Energieversorgung daraus der sehr relevante Aspekt, dass die Spitzenlast zu Zeiten der Dunkelflaute reduziert werden kann und mithin der kostenträchtige redundante Kraftwerkspark, der nur für die sonnen- und windarmen 400 bis 800 Stunden im Jahr vorgehalten werden muss, deutlich kleiner ausfallen kann.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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