RM Rudolf Müller
Graue Energie ist zum Beispiel die Energie aus der Kohleverfeuerung, aus der dann Strom für die Baustoffproduktion entsteht.   Foto: Pixabay

Graue Energie ist zum Beispiel die Energie aus der Kohleverfeuerung, aus der dann Strom für die Baustoffproduktion entsteht.   Foto: Pixabay

Hintergrundwissen
16. Mai 2019 | Artikel teilen Artikel teilen

Graue Energie bei Baustoffen

Der Begriff graue Energie bezeichnet den Energieverbrauch, der bei der Herstellung, Lagerung, Transport, Verarbeitung und Entsorgung von Produkten entsteht. Auch in Baustoffen steckt graue Energie. Je mehr, umso negativer fällt ihre Ökobilanz aus. Im geplanten Gebäudeenergiegesetz spielt dieser Energieverbrauch bisher aber keine Rolle. Das Bauwende-Bündnis fordert, dies zu ändern.

Das geplante Gebäudeenergiegesetz (GEG) wird in Deutschland künftig die Energieeinsparverordnung (EnEV), das Energieeinsparungsgesetz und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEG) ersetzen. Eigentlich sollte es schon längst verabschiedet sein, doch bisher hat es den Weg durch den deutschen Bundestag noch nicht geschafft. Der Referentenentwurf ist umstritten, verschiedene Interessengruppen melden weiterhin Änderungswünsche an. So auch das Bauwende-Bündnis, zu dem unter anderem das Umwelt-Label Natureplus, der Bund für Umwelt & Naturschutz (BUND) und der Berufsverband Deutscher Baubiologen (VDB) gehören.

Stellungnahme zum GEG

Das Bündnis fordert in einer Stellungnahme, die im März 2019 an die zuständigen Ministerien ging, dass das GEG künftig auch solche Energieverbräuche berücksichtigen müsse, die bereits bei Herstellung, Transport und Verarbeitung der verwendeten Baustoffe entstehen. Der Referentenentwurf stellt nämlich nur Anforderungen an den Energiebedarf, der während der Nutzungsphase der aus den Baustoffen hergestellten Gebäude anfällt.

Dadurch bleibt ein Großteil der Klimabelastungen durch das Bauen unberücksichtigt – nämlich der Aufwand an grauer Energie. „Bei gut gedämmten Neubauten nach dem Standard Effizienzhaus 55 und besser bleibt die Hälfte der Umweltwirkungen gänzlich unberücksichtigt, betrachtet man einen Zeitraum von 50 Jahren“, sagt Dr. Uli Wischnath, Koordinator des Bauwende-Bündnisses.

Was ist graue Energie?

Auch beim Rückbau von Gebäuden wird viel graue Energie verbraucht.  Foto: Pixabay

Auch beim Rückbau von Gebäuden wird viel graue Energie verbraucht.  Foto: Pixabay

Unter der grauen Energie für ein Gebäude versteht man die Energiemenge, die insgesamt aufgebracht wird bis die Baumaterialien ihren festen Platz im Gebäude „gefunden“ haben. Dazu gehört die Energie für Aktivitäten wie Herstellung, Lagerung, Transport und Verarbeitung der Baustoffe. Außerdem wird auch die Energie, die künftig einmal für die Entsorgung der Materialien fällig wird, zur grauen Energie gerechnet.

Es geht also um die Energieverbräuche, die stattfinden, bevor irgendjemand in das Haus eingezogen ist, sowie um die Energie, die für einen späteren Rückbau des Gebäudes fällig wird – wenn die Bewohner schon nicht mehr da sind. Der Verbrauch graue Energie ist also etwas, dass die Hausbewohner in der Regel gar nicht mitbekommen. Das Adjektiv „grau“ verweist auf das „Schattendasein“ dieser Energieform. Der Hausbewohner interessiert sich normalerweise nur für die Energie, die das Gebäude während seiner Nutzung verbraucht, also für den betriebsbedingten Energieverbrauch.

Doch auch wenn sie für den Hausbewohner unsichtbar bleibt, sorgt die graue Energie dennoch für Umweltbelastungen – etwa in Form von klimaschädlichen CO2-Emmissionen. Man kann also sagen: Je weniger graue Energie in ihm steckt, umso umwelt- und klimafreundlicher ist das Haus. Deshalb plädiert das Bauwende-Bündnis für die Berücksichtigung der grauen Energie im künftigen GEG.

Graue Energie sichtbar machen

Eine Berücksichtigung im GEG würde dafür sorgen, dass die graue Energie zumindest in der Planungs- und Entstehungsphase eines Gebäudes „sichtbar“ beziehungsweise überhaupt thematisiert wird. Ein modernes Effizienzhaus 55 gilt als umweltfreundlich, weil es in der Nutzungsphase wenig Energie verbraucht. Nach Angaben des Bauwende-Bündnis erzeugt ein solcher Neubau aber oft genauso viele graue Emissionen wie für den Wärmebedarf und den Hilfsstrom des Gebäudes in 50 Jahren entstehen.

Wenn das GEG Anreize zur Senkung der grauen Energie enthielte, könnten Gebäude künftig noch umweltfreundlicher werden. Glaubt man der Stellungnahme des Bauwende-Bündnisses ließen sich die grauen Emissionen um bis zu 50 % vermeiden, wenn bei der Hausplanung von vorne herein klimafreundlichere Bauweisen gewählt würden.

Forderungen des Bauwende-Bündnisses

„Das Gebäudeenergiegesetz als zentrales Instrument zur Regelung des Energieverbrauchs und der Klimawirkungen von Gebäuden sollte neben der Nutzungsphase auch die Herstellungsphase adressieren“ verdeutlicht der Bündnis-Koordinator das Anliegen der Initiative. „Andernfalls droht ein schlecht koordiniertes Nebeneinander verschiedener Regelungen ähnlich dem Zustand, der durch die geplante Zusammenlegung mehrerer Gesetze im GEG eigentlich behoben werden soll.“

Konkret fordert die Initiative, dass ab dem 1. Januar 2021 die Pflicht zu einer vergleichenden Ökobilanz in das GEG aufgenommen werden soll. Die Betrachtung des kompletten Lebenszyklus des Gebäudes in Form einer Ökobilanz mache weitere Klimaschutzpotentiale zugänglich – meint Dr. Uli Wischnath. Die Ökobilanzierung nach DIN ISO 14040 ff sowie DIN EN 15804 und 15978 sei ein etabliertes Verfahren, das schon heute mit einem zumutbaren Aufwand bei großer Lenkungswirkung auch für Gebäude darstellbar sei.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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