Zellulose (hier als Dämmstoffflocken) könnte auch die Ökobilanz von Lacken verbessern.  Foto: Climacell

Grundstoffe des Bauens 2023-04-19T07:30:07Z Zellulose als Lack-Zusatz?

Farben und Lacke enthalten oft nicht nachwachsende Zusatzstoffe, deren synthetische Herstellung schlecht für Umwelt und Klima ist. Biobasierte Additive und Füllstoffe sind deshalb auch bei dieser Produktgruppe auf dem Vormarsch. Im Forschungsprojekt „Lack-Verbesserer“ wurde in diesem Zusammenhang Zellulose aus Fichten- und Buchenholz erfolgreich getestet. Die speziell aufbereiteten organischen Zusatzstoffe könnten unter anderem herkömmliche Lack-Additive wie Acrylate und Polyurethan-Verdicker ersetzen.

Der Abschlussbericht zum Projekt „Lack-Verbesserer“ wurde Ende Januar von der Firma J. Rettenmaier und Söhne (JRS) veröffentlicht. Das baden-württembergische Familienunternehmen bezeichnet sich selbst als „Weltmarktführer für nachhaltige, funktionale Pflanzenfaser-Technologie“. Das Projekt Lack-Verbesserer lief von März 2021 bis August 2022 und wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft über dessen Förderorganisation FNR (Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe) finanziell unterstützt.

Die von JRS hergestellten funktionalen Faser-Produkte bestehen aus nachwachsenden Rohstoffen wie Getreide- und Fruchtfasern, Meeresalgen oder Holz – beziehungsweise aus der daraus gewonnenen Zellulose . Kunden aus nahezu allen Bereichen der Industrie setzen die biobasierten Fasern zur Verbesserung ihrer Produkte ein. Das Anwendungsspektrum reicht von Medikamenten über Nahrungsmittel (Mensch und Tier) sowie Pflege-, Kosmetik- und Haushaltsprodukten bis hin zu Baustoffen und Farben.

Zellulose-Gel statt synthetischer Additive

Lacke enthalten oft synthetische Zusatzstoffe, die schlecht für Umwelt und Klima sind. Foto: Pixabay (Quelle: Pixabay)

In Rahmen des Forschungsprojekt ist es JRS nun erstmals gelungen, Gele aus mikrokristalliner Zellulose herzustellen, die – zusammen mit Carboxymethylcellulose (CMC) – Lack-Additive aus Acrylaten und PU-Verdickern vollständig oder teilweise ersetzen können. Das Gleiche gilt für den Ersatz anorganischer Additive wie zum Beispiel Kieselsäure oder Bentonit.

In wasserbasierten Lacken konnte zudem eine Lösemittel -Einsparung von etwa 60 % erzielt werden. Warum? Weil die Zellulose-Gele durch ihr gutes Wasserrückhaltevermögen die Filmbildung der Lacke positiv beeinflussen. Laut Abschlussbericht erlaubt das eine weitere Reduzierung der Lösemittelmenge, die auch in wasserbasierten Anstrichmitteln noch in geringen Mengen enthalten ist. Durch den Einsatz der Zellulose-Additive konnte JRS den Lösemittelanteil nochmals um 60 % reduzieren.

JRS hat die Zellulose-Gele aus Fichten- und Buchenholz entwickelt und dann in Klar-, Holz- und Weißlacken als so genannte Rheologieadditive erfolgreich getestet. Mit solchen Zusätzen steuert man die Viskosität (Zähflüssigkeit) beziehungsweise das Fließverhalten von Flüssigkeiten. Die Eigenschaften der Lacke wurde durch den Einsatz der Zellulose-Gele als Ersatz für synthetische Rheologieadditive nicht negativ beeinflusst. Es war nur teilweise eine etwas höhere Einsatzkonzentration notwendig als bei herkömmlichen Additiven, um die gewünschten Lackeigenschaften zu erzielen.

Dafür gibt es aber eindeutige Umwelt- und Klimavorteile. Mikrokristalline Zellulose aus Holz ist weniger wassergefährdend, und zu ihrer Herstellung benötigt man keine kritischen Substanzen wie Ethylenoxid oder Glycolderivate. Außerdem sind die Produkte – im Gegensatz zu Acrylat- und PU-Verdickern – als Pulver mit 100 % Wirkstoffgehalt lieferbar. Nach JRS-Angaben senkt das den Transportaufwand und hilft somit, weitere Treibhausgas-Emissionen einzusparen. Acrylat- und PU-Verdicker nämlich müssen als Emulsionen mit einem Wirkstoffgehalt von nur etwa 25 % geliefert werden.

Als biobasiertes Additiv könnte Zellulose zudem auch ganz allgemein dazu beitragen, nicht nachwachsende, anorganische Rohstoffe einzusparen. Die Herstellung der Gele ist zudem gefahrlos möglich. Bei der Produktion von Kunststoff-Additiven dagegen müssen die Beschäftigten oft mit Gefahrstoffen hantieren.

Zellulosefasern als funktionale Füllstoffe

Im Rahmen des Projekts „Lack-Verbesserer“ haben die Pflanzenfaser-Experten von JRS außerdem auch noch ultrafeine, teilweise oberflächenmodifizierte Zellulosefasern entwickelt, die als funktionale Füllstoffe in Farben und Lacken zum Einsatz kommen sollen, um dort anorganische Füllstoffe zu ersetzen.

Als herkömmliche Füllstoffe kommen hier zum Beispiel Kieselsäure, das Weißpigment Titandioxid und vor allem Calciumcarbonat ( Kalk ) zum Einsatz. Calciumcarbonat ist der weltweit meistverkaufte Füllstoff für Farben, Lacke und andere Anstrichmittel. Seine Herstellung verursacht aber hohe CO 2 -Emissionen. Demgegenüber weisen Zellulosefasern aus Klimaschutzsicht deutliche Vorteile auf.

Ganz konkret haben die Forschenden beim Projekt Lack-Verbesserer überprüft, wie sich modifizierte Zellulosefasern in einer Dispersionsfarbe verhalten, wenn sie als Ersatz für einen Titandioxid-Extender auf Basis von Calciumcarbonat zum Einsatz kommen. Die Oberfläche der Zellulose wurde dabei zuvor mit Titandioxid oder Kieselsäure behandelt. Im Ergebnis verbesserte sich das Deckvermögen der Farbe. Außerdem haben die organischen Zellulose-Füllstoffe eine geringere Dichte, mit positiven Auswirkungen auf die Ergiebigkeit der Farbe.

zuletzt editiert am 27. Februar 2024