
Auf Hochhäusern müssen Flachdächer besonders starkem Windsog standhalten. Foto: Pixabay
Windsogsicherung beim Flachdach
Bei stürmischer Witterung kann es passieren, dass auf Flachdächern Abdichtungsbahnen und Dämmstoffplatten angehoben und schlimmstenfalls sogar davongeweht werden. Verantwortlich dafür ist nicht direkt der Winddruck, sondern der entstehende Windsog. Was das ist und wie sich Flachdachaufbauten sichern lassen, verrät der folgende Beitrag.
Klassische Flachdachaufbauten bestehen (von oben betrachtet) aus der Abdichtung (Bitumenbahn oder Kunststoffbahn), dem Dämmstoff sowie gegebenenfalls einer Dampfsperre. Direkt darunter liegt meist schon die oberste Geschossdecke des Gebäudes. Mit dem Klimawandel nehmen extreme Wetterphänomene wie Stürme und Orkane auch hierzulande zu und stellen die Windsogsicherheit auf Flachdächern vor zunehmende Herausforderungen. Schon bei der Planung der Dächer muss daher sichergestellt werden, dass das Dachschichtenpaket den zu erwartenden Windlasten standhalten kann.
Was ist Windsog?

Diese Steinwolle-Dachdämmplatten wurden mit PU-Kleber in Strangstreifenform auf einer Dampfsperre verklebt. Foto: Deutsche Rockwool
Insbesondere auf Hochhäusern können starke Winde fatale Auswirkungen haben. Warum? Mit zunehmender Höhe nimmt der normale Luftdruck ab. Stürme und Orkane fegen mit besonders großer Geschwindigkeit über Hochhausdächer, weil dort der Luftwinderstand geringer ist als in niedrigeren Lagen. Infolge der vorbeiziehenden Winde entsteht auf dem Flachdach ein Sog, der das Dachschichtenpaket anheben und im schlimmsten Fall sogar mit sich fortreißen kann.
Wie kommt es zu diesem Windsog? Um das zu verstehen, muss man sich zunächst klarmachen, wie die Luftdruckverhältnisse auf einem Flachdach aussehen, bevor der Wind zu blasen beginnt. Bei Windstille ruht die Luft, die Gasteilchen bewegen sich in keine bestimmte Richtung. Tatsächlich bewegen sie sich aber doch immer etwas, allerdings erfolgt diese Bewegung im Ruhezustand gleichmäßig in alle sechs möglichen Richtungen: nach rechts, links, oben, unten, vorne und hinten. Da sich die Kräfte auf diese Weise gegenseitig aufheben, wird der Zustand als Windstille empfunden.
Weiterhin muss man sich klarmachen, dass Luftmoleküle nicht nur über dem Flachdach, sondern auch innerhalb des Dachschichtenpakets selbst existieren. Vor allem die hohlraumreichen Dämmstoffe sind voller Luft, diese ist sogar entscheidend für ihre Dämmleistung. Und auch zwischen Dämmung und Abdichtung befinden sich eingeschlossene Luftmoleküle.
Wenn nun starke Winde über das Flachdach pfeifen, passiert Folgendes: Oberhalb des Flachdachs bewegen sich die Luftteilchen nicht mehr gleichmäßig in alle sechs möglichen Richtungen, sondern überwiegend in Windrichtung. Das hat zur Folge, dass weniger Luftmoleküle von oben gegen die Flachdachabdichtung und den darunter liegenden Dämmstoff drücken.
Der Luftdruck von unten – aus dem Dachschichtenpaket – ist aber derselbe geblieben. Die Luft befindet sich dort weiterhin im Ruhezustand. Die dortigen Gasteilchen bewegen sich also gleichmäßig in alle Richtungen. Doch aufgrund des stark gesunkenen Drucks von oben stoßen nun mehr Luftteilchen von unten gegen Dämmstoff und/oder Abdichtung als umgekehrt. Dieser Effekt kann in Abhängigkeit von der äußeren Windstärke so groß sein, dass das Dachschichtenpaket nach oben gedrückt wird, wenn es nicht ausreichend windsoggesichert ist.
Gegenmaßnahmen einplanen

Für die Auflastsicherung kommen auch Dachbegrünungen infrage. Foto: BMI Wolfin
Damit der beschriebene Effekt in der Praxis nicht eintritt, sollten Flachdach-Planer von vorneherein ausreichende Gegenmaßnahmen vorsehen. Dabei sind die „Fachregeln für Dächer mit Abdichtungen – Flachdachrichtlinien“ zu berücksichtigen beziehungsweise die Norm DIN EN 1991-1-4 („Teil 1-4: Allgemeine Einwirkungen – Windlasten“). Planer und ausführende Handwerker können zudem auf die Hilfe der Hersteller von Abdichtungsbahnen vertrauen. Diese bieten ihren Kunden in der Regel kostenlose Windsogberechnungen für das jeweilige Flachdachobjekt an.
Welche Maßnahmen in der Praxis tatsächlich notwendig sind, hängt von den zu erwartenden Windlasten ab, also insbesondere von der geografischen Lage des Hauses und von der Gebäudehöhe. Bei der Einschätzung der örtlich zu erwartenden Windlasten hilft die DIN 1055-4, die für Deutschland vier Windlastzonen definiert. Wenig überraschend betrifft die höchste Windlastzone 4 die Küstenregionen – vor allem die Nordseeküste.
Bei der Planung ist ferner zu berücksichtigen, dass die auf das Flachdach einwirkenden Windsogkräfte nicht an allen Stellen gleich groß sind. In der Norm wird die Dachfläche in vier unterschiedliche Bereiche unterteilt: Ecken, Außenrand, Innenrand und Innenbereich. An den Eck- und Außenrändern ist mit dem stärksten Windsog zu rechnen. Dort müssen also auch die Gegenmaßnahmen am wirksamsten sein.
Varianten der Windsogsicherung
Traditionell unterscheidet man drei Varianten der Windsogsicherung auf dem Flachdach: Das Dachschichtenpaket kann durch Auflasten, durch mechanische Befestigung oder durch Verklebung am „Abheben“ gehindert werden.
Bei der lupenreinen Auflastsicherung werden die Dämmstoffplatten und Abdichtungsbahnen selbst nur lose verlegt. Als Auflasten kommen Kiesschichten, Plattenbeläge, aber natürlich auch Dachbegrünungen infrage. Die jeweiligen Gewichte sollen verhindern, dass das Dachschichtenpaket vom Windsog angehoben wird. Das Prinzip stößt allerdings an Grenzen, wenn die Unterkonstruktion – in der Regel die oberste Geschossdecke – die Grenzen ihrer statischen Belastbarkeit erreicht. Auflastsicherungen bergen zudem das Risiko, dass bei heftigen Starkwindereignissen die Auflast selbst vom Dach gefegt wird und dabei Mensch und Umgebung gefährdet.
Mechanische Befestigungen und Verklebungen sind einerseits Alternativen zur Auflastsicherung, sie können diese aber auch ergänzen, vorzugsweise in den Eckbereichen beziehungsweise an den Außenrändern des Flachdachs. Für die mechanische Befestigung gibt es – je nach Dachbahnprodukt und Windlastanforderung – sehr unterschiedliche Lösungen. Manchmal erfolgt die Verankerung im Untergrund im Überlappungsbereich der Abdichtungsbahnen, manchmal an anderen, von den Herstellern definierten Stellen. Ferner gibt es Systeme mit Klettstreifen, die auf der Wärmedämmung befestigt werden. Die windsogsichere Verbindung erfolgt dabei mithilfe von Vlieskaschierungen an der Unterseite der Dachbahnen.
Verklebungen können sowohl vollflächig als auch lediglich punktförmig beziehungsweise streifenweise erfolgen. Die beiden letztgenannten Möglichkeiten führen zu einer vergleichbaren Windsogsicherung wie bei den mechanischen Befestigungen. Auch bei diesen erfolgt die Sicherung ja nur punktuell. Vollflächige Verklebungen haben dagegen den Vorteil, dass die Windlast gleichmäßig über die gesamte Dachfläche verteilt wird.
Kompaktdach mit Schaumglas

Schaumglasplatten lassen sich auf unterschiedlichen Trägerschichten vollflächig und vollfugig verkleben. Foto: Foamglas
Werden Abdichtung und Wärmedämmung untereinander sowie auf dem Untergrund vollflächig verklebt, dann spricht man von einem Kompaktdach. Der Schaumglas-Dämmstoffhersteller Foamglas empfiehlt diese Variante ausdrücklich. Kompaktdächer sind besonders windsogsicher, weil sie kaum freie Luftteilchen enthalten, die das Dachschichtenpaket nach oben drücken könnten.
Die Verklebung kann bei Schaumglas vollflächig und vollfugig mit Heißbitumen erfolgen. Nach der im Verband erfolgten Verlegung der Platten – beispielsweise auf einer Massivdecke aus Beton – wird auch die Abdichtung oberhalb der Dämmschicht im Heißbitumen-Gieß- oder Schweißverfahren vollflächig verklebt.
Das Ergebnis ist ein komplett hohlraumfreies, luftdichtes Dämmschichtenpaket. Das Schaumglas-Kompaktdach besteht im Übrigen nur aus zwei Schichten. Eine Dampfsperre unterhalb des Dämmstoffs ist nicht notwendig, da dieser nicht nur wasser- sondern auch dampfdiffusionsdicht ist.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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