
Technik des „Sumpfens“: Sie wurde vor tausenden Jahren in China und Ägypten entwickelt. Foto: Haga
Was ist Sumpfkalk?
In der Welt der Baustoffe ist Kalk allgegenwärtig. Er steckt zum Beispiel in vielen Mauer- und Putzmörteln, Kalksand- und Porenbetonsteinen, aber auch in Zement und in vielen Farben. Seit Jahrtausenden gewinnt der Mensch Baukalke, indem er den natürlichen Kalkstein der Erdkruste abbaut, brennt und löscht. Eine der ältesten Herstellungstraditionen ist das Einsumpfen des Kalks.
Der so genannte Sumpfkalk ist – chemisch betrachtet – eine Suspension von Löschkalk (Calciumhydroxid) in Wasser. Der Kalk ist also nicht im Wasser gelöst, sondern in diesem nur fein verteilt. Auch Löschkalk entsteht ursprünglich, indem man zu Branntkalk (Calciumoxid) Wasser hinzufügt. Branntkalk wiederum wird auch als ungelöschter Kalk bezeichnet. Die Kalkindustrie gewinnt ihn, indem sie den aus der Natur abgebauten Kalkstein (Calciumcarbonat) zerkleinert und in Brennöfen bei hohen Temperaturen erhitzt.
Branntkalk – Löschkalk – Sumpfkalk

Schimmelfreie Feuchtraumwände: Sumpfkalk ist diffusionsoffen und hoch alkalisch. Foto: Haga
Lösch- und Sumpfkalk werden also beide aus Branntkalk hergestellt. Im Grunde ist der Unterschied nur, dass man beim Sumpfkalk mehr Wasser zugibt und dass man die Mischung zunächst über einen langen Zeitraum lagert, bevor daraus Baustoffe wie Kalkfarben, -mörtel oder -putze herstellt werden. In früheren Zeiten lagerte das Material Monate oder gar Jahre in einer Sumpfkalkgrube. Auch beim so genannten Kirchenkalk, den man bis heute an Innenwänden alter Kirchen findet, handelt es sich um Sumpfkalk. Kirchenkalk lagerte früher oft bis zu 25 Jahren in der Grube, bevor er zum Einsatz kam.
Doch auch moderne Produzenten achten noch auf eine lange „Reifezeit“. Der aus Sumpfkalk hergestellte „Schweizer Naturkalk“ des Ökoherstellers Haga wird zum Beispiel vor dem Verkauf mindestens ein Jahr eingesumpft. Je länger das Einsumpfen andauert, je länger also der Löschkalk mit Wasserüberschuss sich selbst überlassen bleibt, umso feiner wird seine Kornstruktur. Dabei schreitet der Kristallisationsprozess des Materials weiter voran und seine Qualität steigt.
Branntkalk ist ein weißes Pulver, das auch ohne Wasserzugabe stark alkalisch ist (hoher pH-Wert) und daher ausgesprochen ätzend. Die Substanz führt zu Hautverätzungen und kann bei Augenkontakt sogar Erblindungen auslösen. Getrockneter Löschkalk hat eine Konsistenz, die an Backpulver erinnert, ist aber ebenfalls ätzend. Er steckt in den Bindemitteln vieler Baustoffe. Vermischt man solche Bindemittel mit Sand, erhält man Kalk-Trockenmörtel.
Übrigens sind auch Lösch- und Sumpfkalkprodukte im Nasszustand hoch alkalisch und daher ätzend. Bei der Verarbeitung sollte man daher Haut- und Augenkontakt vermeiden. Nach dem Abbinden geht von Kalkfarbe/-mörtel aber kein Sicherheitsrisiko mehr aus.
Traditionelle Kalkgruben

Sumpfkalk an Fassaden schützt vor Algen und Pilzen. Foto:Haga
Sumpfkalk entsteht – wie oben schon erwähnt–, indem man zu Löschkalk noch mehr Wasser hinzufügt. Traditionell geschah das in den Sumpfkalkgruben, die früher zum Beispiel von vielen Malermeistern betrieben wurden. Diese fügten dem Kalk eine zwei- oder sogar dreifache Menge an Wasser hinzu und ließen dieses Gemisch anschließend längere Zeit sich selbst überlassen.
Bei Sumpfkalk lässt sich kein festes Mengenverhältnis definieren, in dem Kalk und Wasser zwingend zu mischen wären. Es kommt letztlich darauf an, welches Endprodukt aus dem Sumpfkalk entstehen soll. Eine flüssige Farbe, ein feiner, gut streichfähiger Putz oder vielleicht doch eher ein etwas grobkörnigerer Mörtel? Solche verschiedenen Eigenschaften lassen sich durch unterschiedliche Wasser-Kalk-Mischungsverhältnisse „einstellen“. Wobei die Eigenschaften heutiger Bauprodukte mit Sumpfkalkanteil in der Regel auch noch von zusätzlichen Bindemitteln beeinflusst werden.
Hinzu kommt, dass sich im Verlauf der Langzeitlagerung in der Sumpfkalkgrube mehrere Schichten bilden, die sich durch ein unterschiedliches Wasser-Kalkverhältnis auszeichnen. Da die festen Kalkpartikel die Tendenz haben, sich nach unten abzusetzen, entsteht ganz oben eine flüssige Schicht aus so genanntem Kalksinterwasser. Dieses verwendet man zum Beispiel als Voranstrich zum Festigen und Vornässen saugender Putz- und Farbuntergründe. Am Grund der Kalkgrube befinden sich dagegen die grobkörnigeren, wasserärmsten Sumpfkalkschichten, die sich gut zur Herstellung von Mauermörtel und Unterputzen eignen.
In den mittleren Schichten hat der Sumpfkalk wiederum eine feine, pudding- oder joghurtartige Konsistenz. Das ist ideal für Kalkfarbe und Kalkfeinputz. Letzterer wird vor allem als Oberputz bei der Beschichtung von Innenwänden eingesetzt.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
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