Glaswolle gehört zu den am häufigsten eingesetzten Gebäude-Dämmstoffen. Für die Herstellung schmilzt man Glas, aus der Schmelze wiederum gewinnt man Mineralfasern. Diese werden miteinander verfilzt und unter Zugabe eines Bindemittels zu Dämmplatten geformt. Als Bindemittel kommen traditionell erdölbasierte Kunststoffharze zum Einsatz. Doch einige Hersteller setzen auch auf nachhaltige Alternativen.
Glaswolle gehört wie Steinwolle zu den Mineralwolle-Dämmstoffen. Während man Letztere tatsächlich aus natürlichen Gesteinen wie Basalt , Kalkstein, Feldspat oder Dolomit fertigt, besteht die Rohstoffbasis von Glaswolle hauptsächlich aus Altglas. Und warum ist Glaswolle dann ebenfalls ein mineralischer Dämmstoff? Ganz einfach: Glas ist zwar ein von Menschen gemachtes Produkt, enthält aber ebenfalls hauptsächlich mineralische Rohstoffe – vor allem Quarzsand (Siliziumdioxid).
Einsatz von Kunstharzen
Die aus der Glasschmelze gewonnenen Mineralfasern sind anfangs zunächst weiß, die dämmstofftypische Gelbfärbung – bei neueren Produkten auch Braunfärbung – erfolgt erst durch Zugabe des Bindemittels. Womit wir beim Thema wären. Als Bindemittel verwendet man in Glaswolle (und ebenso in Steinwolle) traditionell organische Kunstharze . Diese werden aus fossilen Rohstoffen – man kann auch sagen: auf Erdölbasis – hergestellt.
In der Praxis gibt es viele unterschiedliche Kunstharze. Für Glaswolle verwendet man hauptsächlich Harnstoff-Formaldehydharze (UF) und Phenol-Formaldehydharze (PF). Aber auch mit Harnstoff modifizierte Phenolharze (PF+U) kommen zum Einsatz. Das Kürzel U steht hier für „urea“, das englische Wort für Harnstoff. Sowohl UF- als auch PF-Kunstharze enthalten Formaldehyd, das zu den flüchtigen organischen Verbindungen ( VOC ) gehört, die bereits bei Zimmertemperatur aus Baustoffen ausgasen und die Raumluft belasten können.
Formaldehyd kann beispielsweise Schleimhautreizungen, Kopfschmerzen sowie allergische Reaktionen auslösen und steht außerdem im Verdacht, Krebs zu erzeugen. Allerdings macht das Bindemittel nur etwa 2–8 % der Mineralwolle aus. Dieser Wert wird zumindest in der Umweltproduktdeklaration ( EPD ) „Mineralwolle-Dämmstoff im mittleren Rohdichtebereich“ des Fachverbandes Mineralwolleindustrie genannt (EPD als PDF siehe hier ). Und auch das Bindemittel selbst besteht ja nur zum Teil aus Formaldehyd.
Auch die Hersteller von Mineralwolle mit Formaldehyd-haltigen Bindemitteln verweisen darauf, dass ihre Produkte allenfalls Formaldehyd-Mengen ausdünsten, die weit unter den zulässigen Grenzwerten liegen. Auf der Website von Isover heißt es zu diesem Thema beispielsweise: „ Durch die Aushärtung des Bindemittels wird sichergestellt, dass Emissionen aus den fertigen Mineralwolleprodukten so gering sind, dass sie auch die strengsten Normen, zum Beispiel für die Zertifizierung mit Eurofins Indoor Air Comfort Gold, erfüllen “.
Alternatives Pflanzenstärke-Bindemittel

Gleichwohl gibt es seit etwa 15 Jahren auch Mineralwolle-Produkte mit alternativen und insbesondere formaldehydfreien Bindemitteln. So setzt etwa der Hersteller Knauf Insulation seit 2009 auf eine neuartige Glaswolle, dessen Bindemittel nach Herstellerangaben auf schnell erneuerbaren, natürlichen Rohstoffen basiert und kein Formaldehyd, Phenol und Acryl sowie keine künstlichen Farbstoffe enthält.
Dieser Dämmstoff, der aufgrund des innovativen Bindemittels nicht gelb, sondern braun ist und ohne mineralölbasierte Chemikalien auskommt, soll zudem weniger stauben und jucken als herkömmliche Mineralwolle. Die Herstellung des Bindemittels mit der patentierten „ECOSE“-Technologie soll nach Angaben von Knauf Insulation 70 % weniger Energieeinsatz erfordern als die früher eingesetzten Kunstharz-Bindemittel.
Aus der genauen Zusammensetzung des alternativen Bindemittels macht Knauf Insulation bis heute ein Firmengeheimnis. Verraten wird lediglich, „ dass pflanzliche Stärke eine elementare Rolle bei der Herstellung des Bindemittels spielt “. Auch das Kunstwort ECOSE liefert keinerlei Zusatzinformationen. Es steht für „ ECOlogical, Sustainable, Environmental “ – auf Deutsch: ökologisch, nachhaltig, umweltfreundlich.
Die braune Glaswolle gibt es übrigens nicht nur bei Knauf Insulation, sondern wird auch vom Hersteller Climowool angeboten. Kein Wunder: Das Unternehmen ist seit Anfang 2013 ein Tochterunternehmen der Knauf-Gruppe. Damals erwarb Knauf Insulation das Glaswolle-Geschäft der Schwenk Dämmtechnik mitsamt eines modernen Dämmstoffwerks in Bernburg (Sachsen-Anhalt). Dort werden heute auch Glaswolle-Dämmstoffe mit ECOSE-Technologie hergestellt.
Acrylbindemittel auf Wasserbasis
2010 führte auch der Hersteller Ursa eine Glaswolle auf dem deutschen Markt ein, deren Bindemittel nach Herstellerangaben kein Phenol, Formaldehyd oder Ammoniak enthält und frei von Lösungsmitteln sowie künstlichen Farbstoffen ist. Das „Pure One“ genannte Produkt war zuvor schon rund zehn Jahre in Amerika und Japan erprobt worden. Es soll nicht nur wohngesünder, sondern auch weicher sowie weniger hautreizend als herkömmliche Mineralwolle sein und außerdem bei der Verarbeitung kaum stauben.
Ursa verwendet für Pure One ein Acrylbindemittel auf Wasserbasis, das zu 100 % recycelbar ist. Laut Hersteller wird es im Produktionsprozess mit reinem Wasser verdünnt, als einziges Nebenprodukt soll Wasserdampf anfallen. Eine Nebenwirkung dieses Bindemittels war lange Zeit, dass Pure-One-Glaswolle komplett ungefärbt blieb. Als rein weiße Mineralwolle hatte das Produkt ein Alleinstellungsmerkmal im Markt.
Die Optik hat sich allerdings mittlerweile verändert. Seit ein paar Jahren ist Pure-One-Glaswolle nämlich braun gesprenkelt auf weißem Grund. Eine Begründung für diesen Designwechsel hat Ursa nicht kommuniziert. So bleibt letztlich offen, ob ein Wechsel des Bindemittels vorgenommen wurde, oder ob man nur die Farbgebung verändert hat, vielleicht weil reines Weiß zwar ausgesprochen „pure“, aber nicht unbedingt natürlich wirkt.
Bindemittel aus Holzbiomasse

Ohnehin plant Ursa in Sachen nachhaltiges Bindemittel bereits den nächsten Schritt. Im Mai dieses Jahres kündigte das Unternehmen die baldige Einführung „ der ersten industriellen Glaswolle an, die mit einem Bindemittel aus erneuerbarer, nachhaltig gewonnener Holzbiomasse hergestellt wird “.
Bei dieser Neuentwicklung arbeitet der Dämmstoffhersteller mit dem finnischen Unternehmen UPM Biochemicals zusammen, das derzeit in Leuna (Sachsen-Anhalt) eine Bioraffinerie errichtet, um dort ab 2024 im industriellen Maßstab Biomasse in „Biochemikalien der nächsten Generation“ umzuwandeln.
Für die neue Glaswolle soll dort auch das biobasierte Bindemittel „Bio-Piva Lignin“ hergestellt werden, das auf der von UPM entwickelten Lignin-Harz-Technologie basiert. Lignin ist ein natürliches Polymer, das in Holz und anderen Pflanzen vorkommt. Bio-Piva Lignin ist nach Angaben der beiden Partner „ ein nachhaltig produzierter, kosteneffizienter und vielseitiger Rohstoff, der sich bei der Herstellung zahlreicher industrieller Anwendungen bewährt hat, insbesondere bei Lignin-basierten Phenolharzen (LPF) “.