RM Rudolf Müller
Terrazzo-Boden mit Mosaiksteinmuster in Schachbrettoptik. Foto: Pixabay

Terrazzo-Boden mit Mosaiksteinmuster in Schachbrettoptik. Foto: Pixabay

Boden und Wand
23. Februar 2017 | Artikel teilen Artikel teilen

Was versteht man unter Terrazzo-Böden?

Terrazzo-Böden haben eine uralte Geschichte, die bis in die Antike zurückreicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese spezielle Form des Nassestrichs aber zunehmend durch vorgefertigte Industrieböden ersetzt. Doch alles Alte kommt irgendwann mal wieder: Seit einigen Jahren erlebt nun auch der Terrazzo eine kleine Renaissance.

Als Terrazzo bezeichnet man traditionell einen Nassestrich-Boden, dem aus optischen Gründen Naturstein-Bruchstücke beigemischt werden. Zum Einsatz kommen meist Zuschläge aus Marmor, Kalkstein oder Dolomit in Korngrößen von 5 mm bis maximal 16 mm. Durch Abschleifen der Estrichoberfläche bleiben die Zuschläge dauerhaft sichtbar. Das ist ein gewollter Effekt, denn die Gesteinskörnungen dienen nicht in erster Linie der Festigkeit des Bodens, sondern sollen vor allem sein Aussehen prägen. Durch verschiedenfarbige Steinsorten sowie durch die optionale Einfärbung des Estrich-Bindemittels sind vielfältige Terrazzo-Optiken möglich. Vor allem in früheren Zeiten kam es zudem häufig vor, dass zusätzlich Mosaiksteinmuster in die Bodenflächen eingearbeitet wurden.

Woraus besteht Terrazzo?

Moderner „Pandomo“-Terrazzo-Boden im Essener Museum Folkwang. Foto: Ardex

Moderner „Pandomo“-Terrazzo-Boden im Essener Museum Folkwang. Foto: Ardex

Schon im antiken Rom kannte man die Terrazzo-Technik, vor allem reiche Bürger nutzten den Bodenbelag gerne für ihre Villen. Als Bindemittel für den Estrich kam anfangs meist Kalk zum Einsatz, im 19. Jahrhundert folgte der Siegeszug des Zements. Doch eins ist gleich geblieben: Terrazzo besteht immer aus einem Bindemittel, Wasser und Gesteinszuschlägen.

Charakteristisch ist auch der zweischichtige Aufbau: Zunächst wird eine Unterschicht aus frischem Beton erstellt, auf die man dann direkt die fugenlose Terrazzoschicht aufträgt. Da beide Schichten „frisch in frisch“ verarbeitet werden, bilden Trägerschicht und Oberschicht später eine fest zusammenhängende Einheit. Die Oberschicht hat in der Regel eine Dicke zwischen 15 und 35 mm und dient bei Terrazzo direkt als Nutzfläche. Man verlegt also nicht – wie bei herkömmlichem Estrich – zusätzliche Oberbeläge wie Teppich, Laminat oder PVC. Das wäre zumindest widersinnig, da der Terrazzo selbst ja dekorativer Sichtboden sein soll.

Vor- und Nachteile

Im Museum Folkwang kam als Schmuckkörnung Rheinkies als Zuschlagstoff zum Einsatz. Foto: Ardex

Im Museum Folkwang kam als Schmuckkörnung Rheinkies als Zuschlagstoff zum Einsatz. Foto: Ardex

Terrazzo-Böden sind Designböden. Sie werden nicht zuletzt wegen ihrer Optik gekauft. Sie haben aber auch praktische Vorteile. Dazu gehört, dass der Boden sehr strapazier- und tragfähig ist, kaum Wasser aufnimmt und enorm langlebig ist. Im Prinzip ist Terrazzo „unkaputtbar“. Zeigt seine Oberfläche Spuren des Alterns, genügt es, ihn noch mal abzuschleifen und zu polieren, dann sieht er wieder wie neu aus. Setzt man statt weicher Gesteinskörnungen aus Marmor oder Kalkstein harte Materialien wie Granit oder Flusskies ein, eignet sich der Boden sogar für besonders beanspruchte Flächen.

Ein Nachteil des Belags ist allerdings, dass der Estrich zu Rissen neigt. Hinzu kommt die zeitaufwändige Verarbeitung, zumindest wenn Terrazzo noch auf traditionelle Weise hergestellt wird. Letzteres hat entscheidend dazu beigetragen, dass der Boden im 20. Jahrhundert zunehmend Marktanteile verlor und durch alternative Oberbeläge ersetzt wurde, die einfacher zu verlegen und schneller auszutauschen sind.


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Aufwändige Verarbeitung

Auch durch die Entwicklung kostengünstiger Terrazzo-Platten wurde der traditionelle Terrazzo zunehmend verdrängt. Dabei handelt es sich um Betonwerksteine mit Terrazzo-Sichtoberfläche, die im Werk vorgefertigt werden. Das führt zwar nicht mehr zu fugenlosen Böden, aber dafür lassen sich die Platten einfach im Mörtelbett verlegen und die Optik mit den Gesteinskörnungen bleibt ja ebenfalls erhalten.

Mit der herkömmlichen Art der Verarbeitung hat das allerdings nicht mehr viel zu tun. Bei dieser wird die Terrazzo-Oberschicht noch auf der Baustelle flüssig eingebracht und anschließend mit Walzen mehrfach verdichtet. Erst nach einer längeren Trocknungszeit folgen meist mehrere Abschleif-Durchgänge bevor der Boden abschließend poliert wird.

Wechselhafte Historie

Nach seiner frühen Blütezeit in der Antike war Terrazzo im europäischen Mittelalter weitgehend vergessen. Erst im Zeitalter der Renaissance erfolgte eine Wiederbelebung, vor allem in italienischen Palastbauten. Nach und nach verbreitete sich das Material auch in anderen mitteleuropäischen Regionen und wurde immer häufiger für belastbare Böden in öffentlichen Gebäuden eingesetzt. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich Terrazzo dann zunehmend vom Luxusprodukt zum funktionalen Massenbaustoff auch für den Wohnbereich. Vor allem in Küchen, Bädern und Treppenhäusern sah man ihn nun immer häufiger.

In der Nachkriegszeit setzten sich dann zunehmend die oben erwähnten Terrazzo-Platten durch, und der einst edle Belag bekam zunehmend ein Billig-Image. Er wurde nun nicht mehr stolz vorgezeigt, sondern verschwand immer häufiger unter anderen Bodenbelägen. Erst in den letzten Jahren interessieren sich Designer und Architekten wieder für den traditionsreichen Nassestrich und haben ihn für hochwertige Wohnbereiche und Objektbauten wiederentdeckt.

Wiederbelebung eines Klassikers

Bei den Terrazzo-Böden der neuen Generation wird wieder mehr Wert auf Qualität und eine edle Optik gelegt. Neben den früher üblichen matten Oberflächen, ist nun immer häufiger Hochglanz angesagt. Zudem sind die angebotenen Produktsysteme auch meist wesentlich flexibler und verarbeitungsfreundlicher als traditioneller Terrazzo. So kommen neue Bindemittel zum Einsatz, die schneller abbinden – zum Beispiel Epoxidharz. Außerdem lassen sich Terrazzo-Oberschichten nun vielfach auch direkt auf Dämmung oder Fußbodenheizung verlegen. Eine Betonunterschicht ist dann nicht mehr notwendig.

Ein Beispiel für ein modernes Terrazzo-System ist der geschliffene Design-Estrich „Pandomo“ vom Bauchemiehersteller Ardex. Er eignet sich für die Oberflächengestaltung von Böden, aber auch von Wänden und Decken. Das ermöglicht komplett fugenlose Räume wie aus einem Guss. Pandomo kam zum Beispiel 2010 für die Bodengestaltung im damaligen Neubau des Essener Museum Folkwang zum Einsatz (siehe Fotos). Als Schmuckkörnungen setzte man bewusst auf Rheinkies als regionalen Zuschlagstoff. Der strapazierfähige Estrich wurde auf 6.500 qm Bodenfläche in fugenlosen Feldgrößen bis zu 11,50 m Länge rissfrei auf einer Fußbodenheizung/-kühlung eingebaut.

Das Neue an modernen Terrazzo-Produkten wie Pandomo ist auch deren hohe Wirtschaftlichkeit auf großen Flächen. Das Material ist schnell maschinell zu verarbeiten. In Essen konnte bereits nach vier Tagen die abschließende Oberflächenimprägnierung/-politur erfolgen. Im Vergleich zu herkömmlichen Terrazzoböden lässt sich das Material somit wesentlich schneller verarbeiten.


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Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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