
Buckelquader und glattgeschliffene Bossen an derselben Fassade. Foto: Pixabay
Fassade: Was sind Bossen?
Fassaden mit Bossen sind nicht glatt, sondern haben „erhabene“ Bereiche sowie Vertiefungen. Ursprünglich verstand man unter Bossen den überstehenden Teil von Natursteinen innerhalb einer Mauer. Im Mittelalter und in der Renaissance handelte es sich um nur grob behauene („bossierte“) Steine mit buckelartiger Stirnseite. Später wurden die Oberflächen zunehmend geglättet. Es blieben aber überstehende Steine mit angrenzenden Vertiefungen. Die Bossenoptik hat bis heute viele Freunde und wird auch bei Neubauten reproduziert – dann aber meist ohne Natursteine.
Der Ursprung des Wortes „Bosse“ in der Architektur scheint nicht ganz eindeutig. Manche führen den Begriff auf das mittelhochdeutsche „bozen“ zurück, was „schlagen“ bedeutet. Andere verweisen auf das französische Substantiv „Bosse“, das unter anderem mit „Buckel“ übersetzt wird. Beide Wortursprünge passen, denn die architektonische Bosse bezeichnet die hervorstehenden Materialien an der Mauerwerkoberfläche, und das waren früher oft buckelartige Steinerhebungen – nur grob behauen („geschlagen“). Übrigens nicht nur früher: Wo man heute noch mit Natursteinen baut, also vor allem bei Gartenmauern, sind deren Stirnseiten in Regel ja auch nur grob behauen, jedenfalls nicht glattgeschliffen.
Buckelartig oder geglättet

Modernes Bossen-Imitat – integriert in ein Wärmedämm-Verbundsystem. Foto: Heck Wall Systems
Während im Mittelalter noch ganze Bauwerke aus Bossenmauerwerk errichtet wurden – zum Beispiel Burgen – ging man in späteren Epochen immer mehr dazu über, unbehauene Bossen nur noch vereinzelt zur punktuellen Akzentuierung von Fassaden einzusetzen. Sie dienten dann zum Beispiel als schmückende Elemente zur Umrandung von Türen und Fenstern oder wurden zur Gestaltung von Gebäudeecken verwendet – vorrangig im Bereich der Erdgeschoss-Fassaden. Oder man kombinierte einzelne „Buckelquader“ mit glattgeschliffenen Bossen (siehe Foto ganz oben).
Werden die buckeligen Stirnseiten der Steine geglättet, sodass ihre Oberfläche eben, aber immer noch nach außen gewölbt sind, bezeichnet man sie auch als Kissen- oder Polsterquader. Von einem Facettenmauerwerk wiederum spricht man, wenn die Bossen komplett abgeschlagen und eine völlig glatte Fassadenoberfläche geschaffen wurde, freilich nach wir vor mit umrandenden Vertiefungen.
Die Facettenoptik ist meist die Variante, die man auch heute noch bei Neubauten oder Fassadensanierungen reproduziert, dann aber üblicherweise nicht mehr „in Stein gemeißelt“, sondern nachgebildet im Fassadenputz beziehungsweise in den Fassadendämmstoffen.
Bossen-Imitate

Bei wärmegedämmten Fassaden lassen sich die erhabenen Strukturen der Bossen bereits durch die Dämmplatten vorgeben. Foto: Heck Wall Systems
Bossen als Putz-Imitat waren schon bei bürgerlichen Gründerzeithäusern im Mitteleuropa des 19. Jahrhunderts weit verbreitet. Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass die Bossierung mittlerweile auch ein traditionelles Gestaltungsmittel von Putzfassaden geworden ist. Das Prinzip ist längst nicht mehr auf Natursteinfassaden begrenzt. Viele Bossenfassaden sind heute Imitate auf Basis von Putz und/oder Dämmstoffen. Die Formen sind geblieben, das Material hat sich verändert.
Für die Ausarbeitung von Bossen-Imitaten an Bestands- oder Neubaufassaden gibt es verschiedene Methoden. Die gewünschten Vertiefungen lassen sich etwa durch den Einsatz spezieller Bossenprofile in der Putzschicht darstellen. Der Hersteller Protektor bietet zum Beispiel spezielle Metallprofile für Bossenputz. Eine andere Option ist die Hinterschneidung, also das manuelle Einschneiden der Bossen in eine entsprechend dicke Putzschicht.
Eine weitere Variante besteht darin, zunächst komplette Bossen-Formteile zu erstellen, indem man frischen Mörtel in eigens dafür angefertigte Bossen-Schalungen gießt. Wenn der Mörtel trocken ist, werden die harten Bossen-Formteile von der Schalung befreit und an die Fassade geklebt – eventuell auch zusätzlich verdübelt. Für diese Variante der Bossenherstellung eignen sich spezielle Formteil-Mörtel, wie zum Beispiel der Gießstuckmörtel Stuccoco Guss SG 87 von Baumit.
Um Risse im getrockneten Formteil zu vermeiden, ist es vor allem wichtig, dass das Material schnell erhärtend ist. Die fertigen, an der Fassade montierten Bossen werden abschließend in der Regel noch überputzt beziehungsweise zusätzlich mit Fassadenfarbe gestrichen.
WDVS von Heck Wall Systems

WDVS-Aufbau mit integrierten Bossen: Mauerwerk, Kleber, Steinwolle, Armierungsschicht, Oberputz, Fassadenanstrich. Grafik: Heck Wall Systems
Bei Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS) kann man die Bossen-Strukturen auch bereits durch die Dämmplatten vorgeben. Das erleichtert die anschließende Putzgestaltung. Der zum Rockwool-Konzern gehörende Hersteller Heck Wall Systems hat dafür spezielle Steinwolle-Dämmplatten im Programm. Mit den „Coverrock Deco“-Platten lassen sich unterschiedliche Bossenstrukturen leicht in die Fassade integrieren.
Die Heck-Dämmplatten sind bereits mit der entsprechenden Vertiefung vorgefertigt. Nach dem Verkleben auf der Fassade werden sie wie gewohnt armiert, verputzt und bei Bedarf gestrichen – die Bossenvertiefungen bleiben dabei erhalten. Die Bossen-Dämmplatten stehen als drei unterschiedliche Typen zur Auswahl, wobei jeder Typ einer anderen Bossenstruktur entspricht beziehungsweise einer anderen geometrischen Vertiefung in der Steinwolle. Die verfügbaren Formen sind enges Trapez, breites Trapez und Dreieck.
Für jeden Bossen-Typ bietet der WDVS-Hersteller zudem ein passendes Armierungsgewebe. Ferner hilft eine spezielle Bossenkelle beim Ausführen der Putzschicht in den Nuten. Das soll eine schnellere Verarbeitung sowie eine gleichmäßige Optik ermöglichen.
Dämmplatten mit vorgeprägten Bossen-Vertiefungen gibt es natürlich nicht nur aus Steinwolle, sondern zum Beispiel auch aus EPS („Styropor“). Knauf fertigt aus dem Kunststoff-Hartschaum zum Beispiel das leichte Bossenprofil BF, das über eine vorgefertigte Abzugskante für den Armierungsmörtel verfügt.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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