RM Rudolf Müller
Rohbau eines Wohnhauses aus Holzbetonsteinen. Foto: Isospan

Rohbau eines Wohnhauses aus Holzbetonsteinen. Foto: Isospan

Grundstoffe des Bauens
26. Oktober 2017 | Artikel teilen Artikel teilen

Was ist Holzbeton?

Holzbeton ist – anders als zum Beispiel Holzschaum – keineswegs ein neuer Werkstoff. Im Bauwesen spielte das Material allerdings in den letzten Jahrzehnten nur eine untergeordnete Rolle – zumindest in Deutschland. In Zukunft könnte sich das ändern. Die Baustoffforschung interessiert sich nämlich seit einiger Zeit wieder verstärkt für den Verbundwerkstoff und seine positiven Eigenschaften.

Gibt man den Begriff Holzbeton in eine Internet-Suchmaschine ein, findet man gleich unter den ersten Ergebnissen mehrere Websites mit Anleitungen zum Selbstbau von Nistkästen. Offenbar eignet sich das Material bestens zur Herstellung solcher „Behausungen“ für Vögel und Insekten. Auf einer Regionalseite des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) etwa wird Holzbeton für Nistkästen ausdrücklich empfohlen, weil der Werkstoff mehrere Jahrzehnte haltbar sei und einen guten Temperatur- und Feuchtigkeitsausgleich für das Brüten biete.

Nun sind Nistkästen sicher eine gute Sache, aber eigentlich kein Thema für baustoffwissen.de. Doch Holzbeton wird auch für menschliche Behausungen eingesetzt. Die Internet-Recherche liefert hier vor allem Treffer, die zu Baustoffherstellern aus Österreich führen. Tatsächlich sind in der Alpenrepublik so genannte Mantelsteine aus Holzbeton, die auf der Baustelle noch mit Frischbeton gefüllt werden, auch im Wohnungsbau weit verbreitet. Sie werden zum Beispiel unter Markennamen wie Isospan und Durisol vertrieben. Eine Übersicht über den österreichischen Markt bietet die Website www.holzbeton.at.

Zusammensetzung

Nistkästen werden häufig aus Holzbeton hergestellt. Foto: Pixabay

Nistkästen werden häufig aus Holzbeton hergestellt. Foto: Pixabay

Dass im Internet so viele Anleitungen kursieren, wie man Holzbeton als Privatperson selbst herstellen kann, zeigt nicht zuletzt eins: Das Material hat eine relativ einfache Zusammensetzung. Die Zutatenliste ist übersichtlich, für den Verbundwerkstoff benötigt man nämlich nur Zement, Holzspäne und Wasser. Die Späne sind Abfallprodukte der Holzindustrie und lassen sich zum Beispiel in Sägewerken oder bei Tischlern beziehen.

Wer Holzbeton selbst mischen möchte, muss zudem noch etwas Calciumchlorid aus der Apotheke besorgen. Die Chemikalie dient als Abbindungsbeschleuniger. Das Ergebnis – der Werkstoff Holzbeton – unterscheidet sich von „normalem“ Beton dadurch, dass er keinen Kies und Sand als Zuschlagstoffe enthält, sondern stattdessen eben die Sägespäne. Wie beim Normalbeton besteht die verbindende Matrix aber aus Zement und Wasser (Zementleim).

Bauteile aus Holzbeton werden übrigens mithilfe vorgefertigter Formen hergestellt. Man stampft die Masse aus Zement und Holzspänen in diese Formen hinein und lässt sie dann aushärten. Das gilt für einzelne Mantelsteine ebenso wie für großformatigere Mauerelemente oder sonstige Formteile.

Bauphysikalische Eigenschaften

Mantelstein mit integrierter Holzfaserdämmung. Foto: Isospan

Mantelstein mit integrierter Holzfaserdämmung. Foto: Isospan

Holzbeton hat einige positive bauphysikalische Eigenschaften, die das Material für den Einsatz im Bauwesen interessant machen. Aufgrund des Holzanteils ist die Wärmeleitfähigkeit geringer als bei normalem Beton. Das bedeutet ein Plus an Wärmeschutz und im Übrigen auch eine bessere Schalldämmung. Der Zementanteil wiederum sorgt für eine vergleichsweise hohe Wärmespeicherfähigkeit.

Normalerweise verfügen leichte, poröse Materialien über eine geringe Wärmeleitfähigkeit, während schwere, dichte Stoffe mehr Wärmespeicherfähigkeit bieten. Beides zusammen in einem Material ist eigentlich unmöglich. Es sei denn, es handelt sich um einen Verbundwerkstoff wie Holzbeton. Der bietet einen guten Kompromiss zwischen relativ hohem Wärmeschutz und relativ hoher Wärmespeicherfähigkeit.

Nicht zuletzt diesen Vorteil machen sich die Österreicher bei ihren oben erwähnten Mantelsteinen zunutze. Deren Hülle (der Mantel) besteht aus Holzbeton, innen sind sie aber hohl. Aus diesen Hohlsteinen errichtete Wände werden auf der Baustelle mit normalem Beton aufgefüllt. So entsteht ein Kern, der eine hohe Wärmespeicherfähigkeit garantiert, während der Holzbeton-Mantel den Wärmeabfluss verringert.

Da Holzbeton statt Kies Holzspäne enthält, ist er deutlich leichter als Normalbeton. Gleichzeitig ist er aber auch ziemlich zäh und belastbar. Außerdem ist der Werkstoff wetterfest und lässt sich daher auch für Fassadenelemente im Außenbereich verwenden. Bei einem Holzmasseanteil von weniger als 20 % erreicht der Baustoff zudem die Baustoffklasse A2 (nicht brennbare Baustoffe mit brennbaren Bestandteilen).

Verstärkte Forschung

Großformatiges Fertigwandmodul aus Holzbeton. Foto: Isospan

Großformatiges Fertigwandmodul aus Holzbeton. Foto: Isospan

Seit den 1940er-Jahren Jahren hat man in der Bundesrepublik und der ehemaligen DDR zwar vereinzelt Holzbeton als kostengünstigen Baustoff erprobt, er konnte sich jedoch – anders als in Österreich – in Deutschland bisher nicht durchsetzen. In den letzten Jahren beschäftigt sich die Forschung aber wieder verstärkt mit den Chancen des Materials.

So hat die Bauhaus-Universität Weimar 2011 im Rahmen eines Forschungsprojekts auf dem Uni-Campus das erste Holzbeton-Passivhaus in Holzrahmenbauweise errichtet. Als Baustoff kamen dabei 1,25 x 1,25 m große Holzbetonplatten von 8 cm Stärke zum Einsatz. Auch an der TU Nürnberg arbeitet man seit 2009 an der Erweiterung des Einsatzspektrums für Holzbeton. Ziel ist die Entwicklung moderner Holzbetonplatten sowohl für die Innenwand- und Decken- als auch für die Fassadenbekleidung.

Ein weiteres Beispiel aus der Forschung ist ganz aktuell: Forscher der Hochschule für Technik und Architektur im Schweizer Fribourg haben kürzlich eine Holzleichtbeton-Mischung mit einem sehr hohen Holz-Volumenanteil entwickelt (bis zu über 50 %), der sich auch zur Herstellung tragender Fertigbauteile eignen soll.

Einsatzbereiche im Bauwesen

Es tut sich also einiges im Forschungsbereich und man darf gespannt sein, ob moderne Holzbeton-Baustoffe künftig vielleicht auch in Deutschland eine größere Rolle spielen werden. Neben den in Österreich und einigen anderen Ländern bereits verbreiteten Mantelsteinen, die auch in Form großformatiger, vorgefertigter Wandelemente angeboten werden, könnte Holzbeton künftig auch verstärkt im Innenausbau zum Einsatz kommen. Plattenwerkstoffe aus Holzleichtbeton eignen sich jedenfalls grundsätzlich gut für Wand- oder Deckenverkleidungen und könnten sich auch als Schallschutz-Elemente bewähren.


Mehr zum Thema Beton finden Sie in der Übersicht


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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