RM Rudolf Müller
Baustoffklassen beschreiben, wie leicht ein Material zu entzünden ist und wie intensiv es brennt. Foto: Heck Wall Systems

Baustoffklassen beschreiben, wie leicht ein Material zu entzünden ist und wie intensiv es brennt. Foto: Heck Wall Systems

Baurecht
25. Juli 2019 | Artikel teilen Artikel teilen

Baustoffklassen: Brandverhalten von Baustoffen

Baustoffe werden bezüglich ihres Brandverhaltens in so genannte Baustoffklassen eingeteilt. Dafür gibt es aktuell zwei parallel geltende Normen. Ältere Baustoffe klassifiziert man oft meist nach der deutschen Brandschutznorm DIN 4102. Für neu zugelassene Baustoffe ist dagegen die europäisch harmonisierte Norm DIN EN 13501 zwingend anzuwenden.

Beim Bau von Gebäuden dürfen natürlich keine leicht entflammbaren Materialien eingesetzt werden wie zum Beispiel Papier und Stroh in loser Form oder sehr dünnes Holz beziehungsweise Holzwerkstoffplatten mit einer Dicke von weniger als 2 mm. Andererseits geht der bauliche Brandschutz nicht so weit, dass er ausschließlich die Verwendung von nicht brennbaren Baustoffen vorschreiben würde. Stattdessen dürfen in vielen Fällen auch „schwer entflammbare“ oder sogar „normal entflammbare“ Materialien zum Einsatz kommen.

Sowohl die deutsche DIN 4102 als auch die europäische DIN EN 13501 definieren Baustoffklassen, mit denen sich das Brandverhalten von Baustoffen beschreiben lässt. Zugleich legen sie aber auch beide fest, wie lange Bauteile aus verschiedenen Baustoffen einem Feuer standhalten müssen. Letzteres geschieht durch die Definition von Feuerwiderstandsklassen. Diese sind aber nicht Thema dieses Beitrags, wir haben sie bereits in einem eigenen Fachwissen-Beitrag beschrieben.

Baustoffklassen nach DIN 4102

Nach Herstellerangaben ist dies das erste WDVS der Euro-Klasse A1. Grafik: Heck Wall Systems

Nach Herstellerangaben ist dies das erste WDVS der Euro-Klasse A1. Grafik: Heck Wall Systems

Die alte DIN 4102 ist noch vergleichsweise übersichtlich und unterscheidet fünf verschiedene Baustoffklassen. Die Baustoffklasse A1 steht für nicht brennbare Baustoffe, die keine brennbaren Bestandteile beinhalten (wie Beton, Gips, Kalk, Steine, Metalle, Mineralwolle).

Zur Baustoffklasse A2 gehören Materialien, die selbst nicht brennbar sind, jedoch brennbare Bestandteile enthalten. Das gilt zum Beispiel für Gipsfaserplatten und Gipskartonplatten mit Feuerschutzbehandlung.

Alle schwer entflammbaren Baustoffe ordnet die DIN 4102 der Baustoffklasse B1 zu. Sie sind zwar grundsätzlich brennbar, brennen aber nicht selbstständig weiter, wenn das ursprüngliche Feuer erloschen ist. Das trifft etwa auf Hartschaum-Dämmplatten mit Flammschutzzusatz, auf Eichenparkett sowie auf Guss- und Walzasphalt-Estrich zu.

Die Baustoffklasse B2 steht für normal entflammbare Baustoffe. Sie sind leichter entflammbar als B1-Materialien und können auch ohne weitere Wärmezufuhr von alleine brennen. Beispiele dafür sind Holz und viele Holzwerkstoffe sowie Hartschaum-Dämmplatten ohne Flammschutzzusatz.

Die Baustoffklasse B3 schließlich steht für die oben bereits erwähnten leicht entflammbaren Baustoffe (Papier, Stroh, dünnes Holz, …). Sie dürfen ohne zusätzliche Brandschutzbehandlungen im Gebäudebereich überhaupt nicht als Baustoffe eingesetzt werden.


Welches europäisches Prüfverfahren bezüglich Glimmverhalten von Faserdämmstoffen angewendet wird, lesen Sie hier:

FeuerTrutz Magazin 1-2020: Hintergründe zum Nachweis des Glimmverhaltens

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Das Glimmverhalten von Faserdämmstoffen ist eines der prominenten Themen rund um die Reform des Bauproduktenrechts seit dem EuGH-Urteil vom Oktober 2014. Inzwischen existiert ein europäisches Prüfverfahren, mit dem nach der Prioritätenliste des DIBt der Nachweis geführt werden kann, dass ein Bauprodukt nicht glimmt. Der Beitrag erläutert die Hintergründe zum Nachweis des Glimmverhaltens. mehr »


Baustoffklassen nach DIN EN 13501

Das Brandverhalten von neu zugelassenen Baustoffen ist, wie bereits erwähnt, mithilfe der Baustoffklassen der europäischen DIN EN 13501 einzuordnen. Deren Systematik ist komplizierter, bietet allerdings auch zusätzliche Informationen. Statt fünf gibt es hier sieben Baustoffklassen: A1, A2, B, C, D, E und F. Wie bei der DIN 4102 geben diese Klassen Auskunft darüber, wie leicht ein Material zu entzünden ist und wie intensiv es brennt.

Doch das Klassifizierungssystem der DIN EN 13501 ist weitaus komplexer. Die Klassen beinhalten nämlich zusätzlich auch Informationen über die Rauchentwicklung und das brennende Abtropfen der Baustoffe. Die Rauchentwicklung s (für „smoke“) wird dabei mit drei Abstufungen berücksichtigt (s1, s2 und s3). Dasselbe gilt für das brennende Abtropfen d (für „droplets“). Hier lauten die Abstufungen d0, d1 und d2. Durch diese Zusatzinformationen ergeben sich in der DIN EN 13501 insgesamt 31 (!) verschiedene Baustoffklassen. Hinzu kommen noch besondere Klassen für Bodenbeläge.

Praxisbeispiel WDVS

Die höchste Baustoffklasse A1 der DIN EN 13501 steht für nichtbrennbare Baustoffe. Das sind zum Beispiel mineralische Materialien wie Sand, Lehm, Ton, Kies, aber auch Glas sowie die Dämmstoffe Glas- und Steinwolle. Diese Baustoffe enthalten keinerlei organischen Zusätze und keinen Stahl.

Kürzlich hat der Hersteller Heck Wall Systems nach eigenen Angaben das erste „Wärmedämm-Verbundsystem der Euro-Klasse A1“ entwickelt (siehe Grafik). Da ein WDVS aus mehreren Baustoffschichten besteht, müssen in diesem Fall also alle Bestandteile des Systems das A1-Kriterium erfüllen. Beim Heck-Produkt gelingt das, weil alle verwendeten Komponenten – vom Kleber über den Dämmstoff bis hin zum Oberputz – rein mineralisch sind. Sie sind nicht brennbar, entwickeln keinen Rauch und kein brennendes Abtropfen. Herzstück des WDVS ist eine nicht brennbare Steinwolle-Dämmplatte.

Komplizierte Systematik

Die Baustoffklasse A1 der DIN EN 13501 entspricht weitgehend der Klasse A1 von der DIN 4102. Doch schon bei der Baustoffklasse A2 wird es komplizierter. Sie umfasst ebenfalls nicht brennbare Baustoffe – allerdings mit geringen organischen Bestandteilen. Auch hier gibt es Parallelen zur DIN 4102. Das gilt aber nur für die Variante „A2 – s1 d0“, wobei s1 für „keine/kaum Rauchentwicklung“ und d0 für „kein Abtropfen“ steht. Daneben sieht die DIN EN 13501 aber noch fünf weitere A2-Klassen vor (A2 – s2 d0, A2 – s3 d0, A2 – s1 d1, …). Und diese beschreiben auf einmal „schwer entflammbare Baustoffe“.

Diese Komplexität der europäischen Norm führt dazu, dass man Baustoffe zwar einerseits genauer klassifizieren kann, das System aber andererseits nur schwer darstellbar ist. Die DIN EN 13501 definiert beispielsweise auch sechs B- und weitere sechs C-Baustoffklassen, die aber allesamt zur Klassifizierung schwer entflammbarer Baustoffe dienen.

Erst mit der Baustoffklasse D (in fünf Varianten) beginnt der Bereich der normal entflammbaren Baustoffe (zum Beispiel Kork, Holz und Holwerkstoffe von mehr als 2 mm Dicke). Die zwei zusätzlichen „E-Klassen“ beschreiben ebenfalls normal entflammbare Baustoffe. Die Baustoffklasse F schließlich steht für leicht entflammbare Baustoffe wie Papier und Stroh sowie Holz bis zu 2 mm Dicke.

Dieser Beitrag ist eine Überarbeitung unseres ursprünglichen Beitrags „Hintergrund: Brandverhalten von Baustoffen“ von 2013.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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