RM Rudolf Müller
Historisches Kastenfenster mit Einfachverglasung.   Foto: Pixabay

Historisches Kastenfenster mit Einfachverglasung.   Foto: Pixabay

Bauelemente
09. Mai 2019 | Artikel teilen Artikel teilen

Was sind Kastenfenster?

Bei Wohnungen, die an stark befahrenen Straßen, Bahnstrecken oder an Flughafen-Einflugschneisen liegen, wären Fenster der höchsten Schallschutzklasse 6 durchaus sinnvoll. Deren Anforderungen lassen sich aber mit normalen Fenstern in der Regel gar nicht realisieren. Ausreichenden Schallschutz bietet dagegen ein historischer Fenstertyp, der auf den ersten Blick so gar nicht mehr zeitgemäß wirkt: das gute alte Kastenfenster.

Bei einer Verkehrsdichte ab 3.000 Kraftfahrzeugen pro Stunde empfehlen auch Experten Fenster der höchsten Schallschutzklasse 6 (nach VDI-Richtlinie 2719). Solche Bauelemente erreichen ein Schalldämm-Maß von mehr als 50 dB. Das Problem: Ein derartiger Wert ist selbst mit modernen Schallschutzfenstern in der Praxis kaum erreichbar. Für eine solch hohe Dämmleistung müsste man schon zwei parallel ausgerichtete Fenster hintereinander in die Fassade einbauen – getrennt durch eine Luftschicht. Aber das macht natürlich niemand! Oder vielleicht doch? Kastenfenster funktionieren nämlich genau nach diesem Prinzip.

Typische Bauweisen

Kastenfenster sind zweischalige Bauelemente mit parallelen Fensterflügeln, die sich nacheinander öffnen und schließen lassen. Meist sind die Flügel dieser Doppelfenster an einem einzigen, umlaufenden Fensterfutter (Umfassungszarge) befestigt.  Bei geschlossenen Fenstern ergibt sich so die namensgebende Kastenform.

Zu unterscheiden sind Kastenfenster, bei denen sich alle Flügel nach innen öffnen lassen und solche, bei denen der äußere Flügel nach außen geschwenkt wird. Variante 2 bezeichnet man auch als „Hamburger Fenster“. Dieses Modell hat den Vorteil, dass der Kastenzwischenraum stets frei bleibt, sodass man ihn problemlos mit Blumen oder sonstigen Dekorationen schmücken kann. Dafür lässt sich die Außenscheibe bei dieser Variante vom Innenraum aus nur schwer reinigen. Zu unterscheiden sind ferner Kastenfenster, bei denen die beiden Fensterebenen jeweils nur aus einem großen Fensterflügel bestehen, sowie die (meist älteren) Modelle mit zweiflügeligen Fenstern.

Darüber hinaus gibt es auch Doppelfenster, bei denen jede Flügelseite über eine eigene Zarge verfügt. Da hier die beiden Fensterebenen nicht direkt miteinander verbunden sind, steht diese Variante für einen besonders hohen Schallschutz. Moderne Kastenfenster-Bauelemente bestehen aber meist aus zwei Fensterebenen mit einem gemeinsamen, umlaufenden Futter (siehe Foto unten).

Verglasungen

Dieses moderne Kastenfenster für Neubauten hat der Hersteller HFBB Holzfensterbau Bernau 2014 zusammen mit dem Institut für Holztechnologie Dresden entwickelt.  Foto: IHD

Dieses moderne Kastenfenster für Neubauten hat der Hersteller HFBB Holzfensterbau Bernau 2014 zusammen mit dem Institut für Holztechnologie Dresden entwickelt.  Foto: IHD

Das Kastenfenster wird zu Recht als historischer Fenstertyp bezeichnet, da seine Anfänge in Deutschland bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen. Heute findet man diesen Fenstertypus vor allem in Altbauten. Aber natürlich gibt es weiterhin Fensterbauer, die auch neue Kastenfenster bauen. Schließlich müssen auch alte Bauelemente unter bestimmten Bedingungen ausgetauscht werden beziehungsweise die energetischen Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) erfüllen.

In früheren Zeiten waren die einzelnen Flügel der Kastenfenster nur mit Einfachverglasungen ausgestattet, heute werden auch bei dieser Bauweise Drei-Scheiben-Isolierverglasungen immer häufiger. Manche modernen Kastenfenster verfügen dann also insgesamt sogar über sechs Scheiben. Übrigens lässt sich das historische Kastenfenster mit seiner doppelten Einzelverglasung sogar als Vorläufer des modernen Mehrscheiben-Isolierglases interpretieren. Freilich ein Vorläufer mit sehr großem Scheibenzwischenraum.

In gewisser Weise verschwimmen die Kategorien alt und neu beim Kastenfenster immer mehr. Das kommt daher, weil sich historische Modelle relativ einfach mit modernen Komponenten aufrüsten lassen. Erfüllt ein altes Kastenfenster nicht mehr die heutigen Anforderungen, ist es nicht immer notwendig, das komplette Bauelement auszutauschen. Oft genügt es auch, nur den inneren Fensterflügel durch ein neueres Modell mit besserer Wärme- und Schallisolierung zu ersetzen.

Bedeutung des Kastenzwischenraums

Kastenfenster haben Vorteile sowohl bei der Wärme- als auch bei der Schalldämmung. Das liegt einerseits daran, dass zwei Fenster eben besser dämmen als eins, hängt aber auch mit dem Kastenzwischenraum zusammen. Dieser enthält ein Luftpolster, das entscheidend zur Dämmleistung beiträgt.

Wie wichtig der Abstand zwischen den Scheiben gerade für die Schalldämmung ist, haben wir bereits im Beitrag „Was sind Schallschutzfenster?“ näher erläutert. Diese Fenster zeichnen sich neben teilweise sehr dicken Fenstergläsern auch durch einen relativ großen Abstand zwischen den einzelnen Scheiben aus. Nur so ist es möglich, dass einschalige Schallschutzfenster mit Drei-Scheiben-Aufbau Schalldämmwerte bis zu 49 dB erreichen (Schallschutzklasse 5). Allgemein lässt sich sagen: Je größer der Abstand, um höher der Schallschutz.

Das erklärt, warum Kastenfenster eine noch bessere Isolierung mit Schalldämmwerten bis zu 60 dB erreichen. Die Bautiefe des Kastenzwischenraums ist eben noch einmal deutlich größer als der Abstand zwischen den einzelnen Scheiben einer typischen Mehrscheiben-Verglasung.

Fachgerechte Abdichtung notwendig

Es versteht sich von selbst, dass auch Kastenfenster die hohen Schallschutzanforderungen nur erreichen können, wenn sie luftdicht, also ohne offene Fugenzwischenräume, konstruiert und eingebaut sind. Mehr Infos über den fachgerechten Fenstereinbau und die verschiedenen Abdichtungsebenen bietet unser Beitrag „Fenstereinbau: Wie vermeidet man Wärmebrücken?“. Die fachgerechte Abdichtung ist nicht zuletzt wichtig, um zu verhindern, dass sich im Kastenzwischenraum größere Mengen Wasserkondensat niederschlagen, die dann zu Schimmelpilzbildung führen können.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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