RM Rudolf Müller
Mineral-Aktiv-Scheibenputz verspricht langanhaltenden Schutz vor Algen und Pilzen.  Alle Fotos:  Knauf/Roger Schwarz

Mineral-Aktiv-Scheibenputz verspricht langanhaltenden Schutz vor Algen und Pilzen.  Alle Fotos:  Knauf/Roger Schwarz

Fassade und Massivbau
27. Oktober 2021 | Artikel teilen Artikel teilen

Algenfrei durch hydrophile Putze?

Die Fassade gilt vielen Menschen als Visitenkarte des Hauses. Umso ärgerlicher, wenn frisch sanierte Gebäudewände schon kurze Zeit später auf ihrer Außenseite hässliche grüne, braune oder schwarze Flecken aufweisen. Hydrophile Putz-und Farbsysteme versprechen dauerhaften Schutz vor solcher Grünbildung – und zwar ohne Einsatz von Bioziden. Wie das funktioniert, erklärt der folgende Beitrag.

Bei der Grünbildung an Fassaden handelt es sich in der Regel um Algen, Pilze oder Flechten. Letzteres sind symbiotische Lebensgemeinschaften von Algen und Pilzen. Solche Formen der ungewollten „Naturausbreitung“ hat es schon immer gegeben, aber in den letzten Jahrzehnten, seit man Fassaden immer häufiger von außen mit Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS) isoliert, hat das Phänomen deutlich zugenommen.

Hintergrund: Durch die Dämmung liegt zwar das Außenmauerwerk komplett im warmen Bereich des Hauses, die Fassadenoberfläche aber ist nun kälter als bei einem Gebäude ohne äußere Dämmung. Warum? Weil „gut gedämmt“ und „kalte Außenwand“ praktisch Synonyme sind. Schließlich schränkt der Dämmstoff den Wärmeabfluss aus den Innenräumen nach draußen stark ein. Auf kalten Oberflächen aber bildet sich schnell Tauwasser, und feuchte Oberflächen sind ein idealer Lebensraum für Algen und Pilze.

Natürlichkeit statt Gifte

In der 2018 fertiggestellten Trierer Wohnanlage „Am Mattheiser Weiher“ kam überall das hydrophile Fassadensystem Mineral-Aktiv zum Einsatz.

In der 2018 fertiggestellten Trierer Wohnanlage „Am Mattheiser Weiher“ kam überall das hydrophile Fassadensystem Mineral-Aktiv zum Einsatz.

Seit der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre Jahre, als sich der Markt für Fassadendämmungen allmählich entwickelte, versucht man das wachsende Problem der Grünbildung vor allem dadurch zu bekämpfen, dass man den Fassadenfarben und -putzen Biozide beimischt – also Gifte, die Mikroorganismen abtöten. Das Problem ist nur, dass diese Stoffe bereits nach wenigen Jahren vom Regenwasser ausgewaschen sind. Spätestens dann schützen sie nicht mehr vor Algen und Pilzen an der Fassade. Dafür gelangen sie in die Umwelt, möglicherweise in Gewässer, und töten dort am Ende schützenswerte Natur.

In der heutigen Zeit, wo das Bewusstsein für Umweltschutz und Nachhaltigkeit stark zugenommen hat, sehen viele Hausbesitzer Biozide in Baustoffen kritisch, und auch die Politik versucht verstärkt, die Verwendung der Gifte einzuschränken. Zunehmend „en vogue“ sind dagegen mineralische Putze und Farben, die schon aufgrund ihrer natürlichen Alkalität grundsätzlich einen eher unattraktiven Lebensraum für Mikroorganismen darstellen – auch ohne Einsatz von Bioziden.

Unter den mineralischen Putzen wiederum haben sich in den letzten Jahren die hydrophilen Systeme zunehmend durchgesetzt. Hydrophil heißt „wasserliebend“. Hydrophile Putze weisen Feuchtigkeit nicht ab, sondern können sie vorübergehend in ihren Kapillarporen zwischenspeichern. Der Vorteil: Die direkte Fassadenoberfläche – also der bevorzugte Lebensraum für Mikroorganismen – ist schneller wieder trocken. Damit fehlt Algen und Pilzen die Lebensgrundlage, denn sie gedeihen nur dort, wo es längere Zeit feucht ist.

Das Gegenteil zu hydrophilen Systemen sind hydrophobe Fassadenbeschichtungen. Diese nehmen kaum Feuchtigkeit auf, dafür aber kann sich an ihrer Oberfläche schnell ein Wasserfilm bilden. Das ist dann eher ein „Eldorado“ für Algen und Pilze, dem man in der Regel nur mit Bioziden beikommen kann.

Langzeittest bestanden

Hydrophile Fassadensysteme werden mittlerweile von vielen Baustoffherstellern angeboten. So hat zum Beispiel Knauf im Jahr 2016 das Putz-Farbe-System „Mineral-Aktiv“ auf den Markt gebracht. Das Versprechen war damals ein mineralisches Beschichtungssystem, das ganz ohne Einsatz von Bioziden die Ansiedlung von Mikroorganismen wie Algen und Pilze auf der Fassade sicher und dauerhaft verhindert – selbst unter kritischen Randbedingungen wie Bäume und üppige Begrünung in unmittelbarer Gebäudenähe.

Fünf Jahre nach Einführung von Mineral-Aktiv hat Knauf ausführende Fachfirmen und die Besitzer von Gebäuden, bei denen das System zum Einsatz kam, nach ihren Erfahrungen befragt. In einer Pressemitteilung von April 2021 heißt es, die Wirksamkeit des Systems sei von den Kunden uneingeschränkt bestätigt worden. Selbst Fassaden an schwierigen Standorten seien fünf Jahre nach der Ausführung frei von Algen und Pilzen, während zugleich bei benachbarten Gebäuden, bei denen Mineral-Aktiv nicht zum Einsatz kam, zum Teil eine starke Ansiedlung von Mikroorganismen zu beobachten sei.

Produktsystem mit Infrarot-Absorbern

Nach dem Auftrag des 3-mm-Putzes wird die Mineral-Aktiv-Fassadenfarbe mit dem Farbroller zweimalig aufgetragen.

Nach dem Auftrag des 3-mm-Putzes wird die Mineral-Aktiv-Fassadenfarbe mit dem Farbroller zweimalig aufgetragen.

Das Produktsystem Mineral-Aktiv besteht aus einem Scheibenputz und Fassadenfarbe. Das mineralische System ist hydrophil und bietet eine hohe Alkalität. Nach Angaben von Knauf verhalten sich Putz und Farbe sowohl diffusionsoffen als auch wasserabweisend. Die Beschichtungsstoffe können kleinere Tropfen – etwa bei Nebel, Nieselregen und Tauwasseranfall – kontrolliert aufnehmen, sodass sie kurz darauf verdunsten. Große Tropfen dagegen – zum Beispiel bei Schlagregen – sollen rasch von der Fassade abperlen.

Ein neu entwickeltes Hybrid-Bindemittel, das laut Knauf aus überwiegend mineralischen Bestandteilen besteht, soll garantieren, dass die Alkalität dauerhaft erhalten bleibt. Die hydrophile Oberfläche sorgt nach Herstellerangaben dafür, dass Tauwasser an der Fassadenoberfläche auf einen Bruchteil der üblichen Menge reduziert wird. „Trockene Fassadenoberflächen kennen keinen Algen- und Pilzbefall“, erläutert Dieter Stauder, Leiter Marktmanagement Putz- und Fassadensysteme bei Knauf. „Schlagregen dagegen wird wie bei einer Silikonharzfarbe schnell von der Oberfläche abgeleitet.“

Der Effekt der schnellen Oberflächenabtrocknung wird bei Mineral-Aktiv noch durch spezielle Zusätze in der Fassadenfarbe unterstützt, die laut Hersteller in der Lage sind, einen Teil der Infrarotstrahlung der Sonne zu absorbieren. Unter Infrarotstrahlung versteht man den für Menschen unsichtbaren Anteil von Lichtstrahlen, der dafür sorgt, dass unsere Körper Wärme empfinden, wenn sie angestrahlt werden. Indem die in der Knauf-Farbe enthaltenen Infrarot-Absorber diese Wärme zum Teil aufnehmen, steigt die Oberflächentemperatur der Fassade. Dadurch trocknen nasse Fassadenbereiche noch schneller ab.

Mit Mineral-Aktiv behandelte Fassaden sind also alkalisch, relativ warm und saugen Oberflächenwasser bis zu einem gewissen Grad auf. All das sind lebensfeindliche Bedingungen für Mikroorganismen.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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