RM Rudolf Müller
Ein 40 m langes Rotorblatt kann bis zu 8,5 m³ wertvolles Balsaholz enthalten.   Foto: Pixabay

Ein 40 m langes Rotorblatt kann bis zu 8,5 m³ wertvolles Balsaholz enthalten. Foto: Pixabay

Forschung, Technik und Trends
18. Juli 2019 | Artikel teilen Artikel teilen

Baustoffe aus Windkraft-Rotorblättern

Knapp 30.000 Windkraftanlagen stehen heute bereits auf dem deutschen Festland. Wenn sich ihre mächtigen Rotorblätter drehen, entsteht viel grüner Strom. Nach Angaben des Bundesverbandes Windenergie machte der im März 2019 bereits über 35 % der Nettostromerzeugung in Deutschland aus. Doch was passiert mit den Rotorblättern, wenn die Anlage ausgedient hat? Für Rotorblätter, die Balsaholz enthalten, hat das Fraunhofer WKI eine interessante Perspektive entworfen.

Eine moderne Windkraftanlage hat in der Regel drei Rotorblätter, von denen jedes einzelne oft über 50 m lang und etwa 25 Tonnen schwer ist. Dabei bemühen sich die Hersteller, das Gewicht so weit wie möglich zu reduzieren. Deshalb werden die Blätter meist nicht massiv gefertigt, sondern sind innen hohl. Man fertigt sie aus zwei Halbschalen in Sandwichbauweise – mit Versteifungsholmen oder -stegen im Inneren. Außerdem werden möglichst leichte Materialien verwendet.

Ein Großteil der heutigen Rotorblätter besteht aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) – also aus einem Glasfaser-Stützgerüst, das in einem Kunstharz getränkt ist. Seltener kommen die noch leichteren, dafür aber teureren Kohlenstofffasern zum Einsatz. Der Verbundstoff GFK hat allerdings den Nachteil, dass er sich kaum sinnvoll recyceln lässt. Man kann Parkbänke daraus herstellen, aber der Bedarf dafür ist begrenzt. Wird er in der Müllverbrennungsanlage verbrannt, entstehen giftige Gase.

Balsaholz als Alternative

Balsaholz-Stückchen aus einem Rotorblatt. Foto: Fraunhofer WKI / Manuela Lingnau

Balsaholz-Stückchen aus einem Rotorblatt. Foto: Fraunhofer WKI / Manuela Lingnau

Aufgrund dieser Problematik ist man irgendwann dazu übergegangen, Rotorblätter auch aus dem nachhaltigen Material Holz zu produzieren. Manche der GFK-Produkte enthalten extrem leichtes Balsaholz als Kernmaterial, um die Formstabilität der Rotorblätter zu erhöhen. Aber auch zur Herstellung der Halbschale wurde mit Balsaholz experimentiert. Dabei wurde das Naturmaterial von außen meist mit Glasfaser-verstärktem Epoxidharz beschichtet. Das 2012 von Siemens eingeführte Rotorblatt B75 ist zum Beispiel so ein Produkt.

Nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung (Wilhelm-Klauditz-Institut WKI) besteht ein solches Rotorblatt bei einer Länge von 40 m aus etwa 24 t glasfaserverstärktem Kunststoff, 1,3 t Balsaholz sowie 0,5 t Metall. Bei einer mittleren Dichte des Balsaholzes mit 150 kg/m³ enthält solch ein Blatt etwa 8,5 m³ wertvolles Balsaholz, das für Recyclingprozesse zur Verfügung steht. Das in tropischen Regionen angebaute Balsaholz gilt als leichtestes Holz der Welt. Es wiegt weniger als Kork und hat in etwa eine Dichte wie Polystyrol-Hartschaum (EPS, XPS).

Präsentation auf der LIGNA

Eine interessante Möglichkeit, das Balsaholz aus ausgedienten Windkraftanlagen zu recyceln, hat das Fraunhofer WKI im Mai 2019 auf der Messe LIGNA in Hannover präsentiert. Die Forscher zeigten nämlich, wie man aus dem Material neue Dämm- und Baustoffe herstellen kann. „Ein Vorteil des neuen Recyclingverfahrens ist, dass Rotorblätter nicht wie bisher verbrannt werden und wertvolle Rohstoffe in großen Mengen verloren gehen, sondern dass sie als Rohstoffquelle für neue Produkte dienen“, erläutert Peter Meinlschmidt, Projektleiter am Fraunhofer WKI. Dafür trennt man bereits bei der Demontage des Rotorblattes vor Ort die nutzbaren Bereiche mit dem Balsaholz ab und führt sie einer separaten Aufbereitung und hochwertigen Verwertung zu.

Holzfaser – Holzschaum – WPC

Recycelte Produkte: Holzfaser- und Holzschaum-Dämmstoff sowie WPC-Terrassendiele. Foto: Fraunhofer WKI / Manuela Lingnau

Recycelte Produkte: Holzfaser- und Holzschaum-Dämmstoff sowie WPC-Terrassendiele. Foto: Fraunhofer WKI / Manuela Lingnau

Auf der LIGNA zeigten Meinlschmidt und sein Team zum Beispiel sehr leichte Holzfaser-Dämmstoffmatten aus Balsaholz mit Dichten unter 20 kg/m³, die es in solchen Dichten auf dem Markt bisher nicht gibt. Mit der geringeren Dichte ist eine deutlich bessere Dämmung verbunden. Daraus ergeben sich Vorteile gegenüber Dämmstoffen aus XPS oder EPS. Die Holzfaser-Dämmstoffmatten können im Bau in der Zwischensparren-Dämmung und als feste Dämmplatten eingesetzt werden. Am Messestand in Hannover zeigte das Fraunhofer WKI zudem einen neuartigen Holzschaum aus recyceltem Balsaholz.

Ein weiteres neues Produkt sind Terrassendielen aus Wood-Polymer-Composites (WPC), die bisher aus Balsaholz nicht hergestellt wurden. Durch das Balsaholz sind die Dielen nicht nur leichter, sondern nach Angaben des Fraunhofer WKI auch fester als die derzeit verfügbaren Standard-WPC-Terrassendielen.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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