RM Rudolf Müller
Spanplatten werden durch Bindemittel zusammengehalten und verfügen meist über Deckschichten. Foto: Pixabay

Spanplatten werden durch Bindemittel zusammengehalten und verfügen meist über Deckschichten. Foto: Pixabay

Forschung, Technik und Trends
29. Mai 2018 | Artikel teilen Artikel teilen

Wohngesundheit: Bindemittel in Spanholzplatten

Spanholzplatten enthalten Bindemittel, die in Sachen Wohngesundheit problematisch sein können – Stichwort: Formaldehyd. Immerhin bieten viele Hersteller heute aber Produkte mit stark reduzierten Schadstoff-Emissionen, und es gibt auch Platten mit formaldehydfreien Bindemitteln.

Spanholzplatten bestehen aus sehr feinen, meist nur zwischen 0,1 und 0,3 mm dicken Holzspänen. In vielen Fällen handelt es sich dabei um Abfallprodukte der Sägeindustrie. Ebenfalls zu dieser Gruppe der Holzwerkstoffe zählen OSB-Platten, für die man allerdings weitaus größere, bis zu 2 cm lange Späne verarbeitet.

Als preisgünstige Alternative zu teuren Massivholzprodukten sind Spanplatten heute in Wohnhäusern allgegenwärtig – vor allem bei Möbeln. Robuste Spanhölzer kommen sogar als aussteifende Platten im konstruktiven Holzbau zum Einsatz. Verglichen mit Massivholz hat der Holzwerkstoff den Vorteil, dass er sich nicht so leicht verzieht.

Klebstoffe in Spanholz

Die Sichtoberflächen von Spanplatten sind manchmal mit Echtholz-Furnieren beschichtet, häufiger ist heutzutage allerdings die Verwendung von Folien oder Laminat-artigen Beschichtungen. Die Decksschichten erfüllen einerseits einen dekorativen Zweck. Zum anderen bieten sie aber auch einen gewissen Schutz vor VOC-Schadstoffen, die aus den Platten ausgasen können. Gefahren für die menschliche Gesundheit gehen hier in erster Linie von Klebstoffen aus, die in Spanholz enthalten sind. Schließlich wird aus den losen Spänen erst durch Beimischung von Bindemitteln eine feste Platte.

Als klassisches Bindemittel für Spanplatten kommen Formaldehydharze zum Einsatz. Meist handelt es sich dabei um Harnstoff-, Phenol- oder Melaminharz. Wie die Sammelbezeichnung Formaldehydharz schon andeutet, haben all diese Klebstoffe gemein, dass sie Formaldehyd enthalten. Diese Substanz gehört zu den flüchtigen organischen Verbindungen (VOC). Es tritt daher permanent als Gas aus dem Baustoff aus und belastet die Raumluft. Aufhalten lässt sich das durch die oben erwähnten Beschichtungen. Da diese aber bei vielen Spanholzprodukten nicht durchgängig sind, kommt es trotzdem zu Ausgasungen, etwa an Platten-Schnittkanten oder im Bereich von Bohrlöchern.

Gefahren durch Formaldehyd

In geringen Mengen stellt Formaldehyd keine Gefahr für Mensch und Natur dar. Es kommt in unserer Umwelt sogar ganz natürlich vor. Manche Früchte und auch unbehandeltes Massivholz gasen ebenfalls Formaldehyd in geringen Mengen aus. Selbst im menschlichen Körper entsteht das Gas bei Stoffwechselvorgängen.

Aber es kommt eben auf die Dosierung an. Früher enthielten Spanholzplatten so hohe Konzentrationen an Formaldehyd, dass sich daraus nachweislich eine Gesundheitsgefährdung für den Menschen ergab. Das austretende Gas kann etwa Schleimhautreizungen, Hustenreiz, Kopfschmerzen und Übelkeit hervorrufen sowie allergische Reaktionen auslösen. Die europäische Chemikalienagentur hat Formaldehyd zudem 2015 als „wahrscheinlich karzinogen (krebserregend) beim Menschen“ eingestuft.

Der Verband der deutschen Holzwerkstoffindustrie betont in seiner Broschüre „Wohngesundheit – Bauen und Leben mit Holz“, dass viele Hersteller „mittlerweile formaldehydfreie verleimte Produkte und Produkte mit derart niedrigen Emissionswerten produzieren, dass diese um ein Vielfaches unter den gesetzlichen Vorgaben liegen“. Das stimmt. Es bedeutet aber auch, dass sich Verbraucher selbst informieren müssen, wenn sie formaldehydarme oder -freie Spanplatten wünschen. Den gesetzlich erlaubten Maximalwert jedenfalls halten viele Fachleute für zu hoch.

Emissionsklassen

Die verarbeiteten Späne sind meist nur 0,1 bis 0,3 mm dick. Foto: Pixabay

Die verarbeiteten Späne sind meist nur 0,1 bis 0,3 mm dick. Foto: Pixabay

Holzwerkstoffe werden nach ihrer so genannten Formaldehyd-Ausgleichskonzentration einer von drei Emissionsklassen zugeordnet:

  • Emissionsklasse E1 : Konzentration unter 0,1 ppm,
  • Emissionsklasse E2 : Konzentration von 0,1 bis 1,0 ppm,
  • Emissionsklasse E3 : Konzentration über 1,0 ppm.

In Deutschland sind für den Innenausbau und für Möbel nur noch Spanplatten der Klasse E1 zugelassen. Müssen sich Verbraucher also doch keine Sorgen machen? Leider doch. Denn für die Bestimmung der Emissionsklasse ermittelt man die Formaldehyd-Konzentrationen in einer Prüfkammer unter spezifischen Laborbedingungen, die nicht gerade den realen Bedingungen in heutigen Wohnhäusern entsprechen.

Ein Beispiel: Das Prüfkammerverfahren wird bei einer festgelegten Luftwechselrate von 1/h durchgeführt. In modernen Wohnhäusern mit luftdichter Gebäudehülle ist die Luftwechselrate aber oft viel geringer. Das bedeutet konkret, dass eine Spanplatte, die im Labor als E1-Produkt eingestuft wurde, an ihrem realen Einsatzort tatsächlich weitaus höhere Formaldehyd-Konzentrationen als 0,1 ppm auslösen kann. Übrigens steht die Maßeinheit ppm für „parts per million“ (Anteile pro Million). 0,1 ppm entsprechen 0,125 mg/m3.

Abgesehen von den Differenzen zwischen Prüfkammer und Realität muss auch ganz allgemein betont werden, dass die Kennzeichnung „E1“ keineswegs für einen besonders geringen Schadstoffgehalt steht. Wie oben schon angedeutet: E1 ist für Möbel und Innenausbau mittlerweile Pflicht und eben kein Ausweis für besondere Wohngesundheit.

Wer Wert auf geringe Formaldehyd-Ausgasungen legt, sollte eher zu Produkten greifen, die über entsprechende Zusatzlabel verfügen. Das RAL-Umweltzeichen 38 garantiert zum Beispiel eine Ausgleichskonzentration von maximal 0,05 ppm. Alternativ sind auch Spanplatten erhältlich, die ganz ohne formaldehydhaltige Bindemittel auskommen.

Spanplatten ohne Formaldehyd

Formaldehydfreie Platten werden nicht mit E1, sondern mit dem Kürzel F0 gekennzeichnet („Formaldehyd Null“). Das bedeutet allerdings nicht automatisch, dass sie keine Klebstoffe auf Kunstharzbasis enthalten. Im Gegenteil: Die meisten F0-Platten enthalten zwar kein Formaldehydharz, dafür aber Polyurethanharz.

Polyurethanharzkleber enthalten Isocyanate, die zumindest bei der Herstellung und Verarbeitung der Bindemittel umweltbelastend und gesundheitsgefährdend sind. Während das Formaldehyd in Formaldehydharzen allerdings leicht ausgast, liegen die Isocyanate in Polyurethanharz-Klebstoffen in gebundener Form vor. Deshalb werden sie aktuell „als ungefährlich angesehen“ – heißt es auf der Website des Instituts für Baubiologie Rosenheim.

Wer ganz auf Kunstharzkleber verzichten möchte, findet im Handel mittlerweile auch Spanplatten, die mineralische Bindemittel wie Gips, Zement oder Magnesit enthalten. Es gibt sogar moderne Produkte, denen überhaupt kein externer Kleber mehr zugesetzt wird. Bei diesen besonders umweltfreundlichen Platten werden die Späne nur durch das holzeigene Lignin zusammengehalten.


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Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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