
In Erlangen-Bruck sollen 36 Wohneinheiten durch serielle Aufstockung entstehen. Alle Bilder (3): Ecoworks
Seriell bauen – und aufstocken
Im Rahmen des „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ hat die Bundesregierung kürzlich noch einmal betont, dass sie die Entwicklung eines Marktes für serielle und modulare Bauweisen in Deutschland künftig weiter fördern will. In diesem Zusammenhang erwähnte sie nicht nur den Neubau, sondern auch Aufstockungen im Bestand. Das Konzept serieller Aufstockungen mag bislang noch nicht so bekannt sein, es wird in der Praxis aber bereits realisiert – wie ein Projekt in Erlangen zeigt.
Geschossaufstockungen sind eine vergleichsweise günstige und zudem schnelle Möglichkeit, zusätzlichen Wohnraum auch dort zu schaffen, wo neues Bauland rar und teuer ist. Weil für die „On-Top-Etagen“ kein neues Bauland erschlossen wird, entfallen viele sonst üblichen Neubaukosten – von Investitionen in die umliegende Verkehrsinfrastruktur bis hin zur Fundamentplatte. Dass keine weiteren Grünflächen versiegelt werden müssen, ist wiederum gut für Umwelt und Mikroklima.
Bei vielen Aufstockungsprojekten lässt sich der neue Wohnraum auch einfach an die vorhandenen Kanal- und Versorgungsleitungen anschließen. Und die Tatsache, dass die aufgesetzten Baukörper aus statischen oder sonstigen praktischen Gründen meist in Leichtbauweise realisiert werden, senkt in der Regel die Baukosten.
Serielles und modulares Bauen

Bei der seriellen Sanierung kommen vorgefertigte Fassaden- und Dachelemente zum Einsatz.
Noch preiswerter könnten Aufstockungen künftig werden, wenn nicht jedes einzelne Projekt individuell geplant werden müsste, sondern serielle Bauweisen zum Einsatz kämen. Serielles Bauen bedeutet Bauen in Serie. Anstatt dass man jeden einzelnen Wohnneubau als Unikat plant und ihn dann auf der Baustelle „Stein für Stein“ errichtet, werden Gebäude oder Gebäudeteile (Module) zunächst als Prototypen entworfen, um sie dann später in identischer Weise in Serie zu bauen.
In der Praxis ist serielles Bauen weniger individuell als der klassische Hausbau, sondern erinnert stärker an industrielle Herstellungsprozesse. Häufig werden komplette Gebäudewände oder auch fertige Raummodule im Werk vorgefertigt, sodass man sie auf der Baustelle nur noch zusammenfügen muss. Auf diese Weise verkürzen und vereinfachen sich nicht nur die Planungs-, sondern auch die Errichtungsprozesse. Unterm Strich soll das Bauen dadurch günstiger und schneller werden.
Wenn sich die Serienfertigung von Prototypen nicht auf komplette Gebäudehüllen bezieht, sondern nur auf einzelne Gebäudemodule, zum Beispiel eine rundum vorgefertigte Badzelle oder ein einbaufertiger Balkon, dann spricht man auch von Modulbau. Das modulare Bauen mit dreidimensionalen Gebäudeelementen ist gewissermaßen eine Sonderform des seriellen Bauens, sofern die Module vorab als Prototypen geplant und später nicht nur für ein einzelnes Bauobjekt, sondern „in Serie“ eingesetzt werden.
Neben dem Neubau in Serienbauweise wird in Deutschland immer häufiger auch das Konzept der seriellen Sanierung von Altbaubeständen erprobt. Dabei lässt sich der bisher sehr hohe Anteil handwerklicher Arbeit auf der Baustelle reduzieren, indem man im Werk vorgefertigte Gebäudeteile einsetzt – zum Beispiel neue Dach- und Fassadenelemente mit zeitgemäßer Dämmung. Solche Sanierungselement-Prototypen sollen bei möglichst vielen Sanierungsobjekten in Serie zum Einsatz kommen.
In Deutschland ist das serielle Sanieren in den letzten Jahren vor allem durch die Aktivitäten der Initiative „Energiesprong“ bekannter geworden, über die wir auf BaustoffWissen schon häufiger berichtet haben (zum Beispiel hier).
Projekt der Gewobau Erlangen
Im bayerischen Erlangen gehört die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewobau zu den Vorreitern der seriellen Sanierung. Bis 2026 will das Unternehmen rund 6.000 seiner insgesamt 8.800 Bestandswohnungen nach dem Energiesprong-Prinzip sanieren. Nach Abschluss der Sanierung sollen die Altbauwohnungen übers Jahr gerechnet nicht mehr Energie für Heizung, Warmwasser und Haushaltsstrom verbrauchen als sie selbst erzeugen können („Net-Zero-Standard“). Statt mit Gas werden sie künftig mit lokal gewonnener Erdwärme beheizt. Der notwendige Strom für die Erdwärmepumpen und das Nahwärmenetz kommt künftig von vollflächig auf den Wohnhäusern installierten Photovoltaikanlagen.
Das Großprojekt ist nach Angaben der Gewobau Erlangen das bislang größte serielle Sanierungsprojekt in Deutschland. Das kommunale Wohnungsunternehmen setzt dabei auf die serielle Vorfertigung von Fassaden- und Dachelementen sowie innovative Anlagentechnik. Da die Bauarbeiten größtenteils von außen durchgeführt werden, kann die Sanierung stattfinden, während die Gebäude bewohnt bleiben. Pro Wohnung sind nur zwei Tage für den Umbau vorgesehen.
Neben der energetischen Modernisierung der Bestandsbauten wird in Erlangen aber auch zusätzlicher Wohnraum geschaffen. Dafür erhält ein Teil der Gebäude eine serielle Aufstockung. So ist es zum Beispiel beim bereits gestarteten Teilprojekt im Quartier Erlangen-Süd. Dort sollen bis März dieses Jahres 475 Wohnungen energetisch modernisiert und durch Aufstockungen mit seriell gefertigten Holzmodulen 135 neue Wohnungen geschaffen werden. Bei diesem Projekt arbeitet die Gewobau mit dem Erlanger Bauunternehmen Niersberger sowie – bei der Heizungstechnik – mit der Sistems GmbH aus Markt Schwaben zusammen.
Zusammenarbeit mit Ecoworks

Die serielle Aufstockung in Erlangen-Bruck erfolgt in Holzbauweise.
Das zweite Teilprojekt wird im Quartier Erlangen-Bruck realisiert. Dort will die Gewobau bis Mitte 2024 zwölf Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 276 Wohneinheiten seriell sanieren. Zugleich sollen 36 neue Wohneinheiten durch serielle Aufstockung in Holzbauweise entstehen. Mit der Realisierung hat die Gewobau die Berliner Ecoworks GmbH beauftragt – ein modernes Bauunternehmen, das in den letzten Jahren bereits viel praktische Erfahrungen mit seriellen Sanierungen sammeln konnte.
Das Projekt Erlangen-Bruck befindet sich aktuell noch in der Entwurfsplanung. „Wir freuen uns sehr, den bislang größten Auftrag in der seriellen Sanierung mit einer seriellen Aufstockung zu verbinden“, sagt Emanuel Heisenberg, CEO von Ecoworks. Genauso wie die Fassaden- und Dachelemente soll auch die Wohnfläche der Holzbau-Aufstockungen mittels 3D-Technik geplant und anschließend im Werk vorgefertigt werden. Anschließend wird man die bisherigen Steildachkonstruktion der Wohnhäuser zurückbauen und eine neue Dachebene auftragen, die die neuen statischen Lasten großflächig verteilen soll. Anschließend will man die vorgefertigten Holzbaumodule für die eingeschossige Aufstockung aufsetzen und zusammenmontierten, bevor der Innenausbau erfolgen kann.
Ecoworks ist durch digitale 3D-Planung und Vorfertigung in der Lage, bis zu 80 % der sonst üblichen Baustellenarbeiten in Fabriken zu verlagern. Zu Beginn der Projekte steht ein millimetergenaues, dreidimensionales Aufmaß des kompletten Altbaus per Laserscan. Aus den so gewonnenen Daten entwickelt das Unternehmen ein 3D-Gebäudemodell als digitalen Zwilling des aktuellen Ist-Zustandes. Mithilfe dieses Modells ist Ecoworks in der Lage, neue Fassaden- und Dachelemente zu entwickeln, die sich wie eine zweite Haut um das Bestandsgebäude legen. Auf diese Weise werden Altbauten innerhalb weniger Wochen zu energetisch hocheffizienten Gebäuden.
Die vorgefertigten Fassaden- und Dachelementen sind so gestaltet, dass Fenster, Dichtungen, Dämmung und Versorgungstechnik bereits integriert sind und nicht mehr händisch auf der Baustelle montiert werden müssen. Die Hauptlastabtragung erfolgt im Regelfall über Konsolen in der Kellerdecke. Ist die Statik der Bestandsfassade nicht ausreichend, können Streifenfundamente gesetzt werden.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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