
Modernes Sprossenfenster: Dieses dänische Holzfenster ist dreifachverglast. Foto: Outrup/Frovin
Edelgase im Fenster
Fenster mit Mehrscheiben-Isolierverglasung sind in Deutschland heute Standard. Bei Neubau und Sanierung gelten für die Bauelemente mittlerweile anspruchsvolle Mindestdämmwerte, die mit Einfachverglasungen schon lange nicht mehr zu erreichen sind. Ebenfalls ist es Standard, dass der Scheibenzwischenraum moderner Wärmedämmfenster nicht mehr mit einfacher Luft gefüllt wird , sondern mit Edelgasen wie Argon oder Krypton. Diese sorgen für eine noch bessere Wärmedämmung.
Der Siegeszug der Mehrscheiben-Isolierverglasungen begann in Deutschland in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre – parallel zur Einführung der ersten Wärmeschutzverordnung. Das war die Vorläuferin der späteren Energieeinsparverordnung (EnEV), die in diesem Jahr in das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) integriert wurde.
Mit der Wärmeschutzverordnung von August 1977 wurden erstmals energetische Anforderungen an die Fenster von Neubauten gestellt. In § 2 der Verordnung hieß es damals unmissverständlich: „Außenliegende Fenster und Fenstertüren von beheizten Räumen sind mindestens mit Isolier- oder Doppelverglasungen auszuführen.“ Das kam einen Todesstoß für einfachverglaste Fenster gleich. Zumindest in der Gebäudehülle von Neubauten waren Mehrscheibenfenster nun praktisch gesetzlich vorgeschrieben.
Von zwei zu vier Scheiben

Modell eines Holzfensters mit Dreischeibenverglasung. Foto: Kneer Südfenster
Anfangs wurden vor allem Fenster mit Zweischeiben-Isolierverglasung verbaut. Diese verfügen über einen nach außen abgeschlossen Zwischenraum zwischen den beiden Scheiben. Anfangs war dieser nur mit Luft gefüllt. Doch was heißt nur? Die Wärmeleitfähigkeit von nicht bewegter Luft liegt bei sehr niedrigen 0,0262 W/mK. Luft dämmt also besser als Standarddämmstoffe wie EPS oder Mineralwolle.
Ab Mitte der 1990er-Jahre kamen dann zunehmend Dreischeibenfenster auf den Markt. Bei dieser Variante hat man es bereits mit zwei Scheibenzwischenräumen zu tun. Also auch mit einer weiteren Luftschicht und damit einer noch besseren Wärmedämmung. Bei modernen Energiesparhäusern (zum Beispiel Passivhäuser, Nullenergie- oder Plusenergiehäuser) kommen mittlerweile sogar Vierscheibengläser zum Einsatz. Die haben dann drei Scheibenzwischenräume und dämmen natürlich noch besser.
Scheibenabstand
Erhöhen lässt sich der Dämmeffekt übrigens auch, indem man den Abstand zwischen den Scheiben vergrößert. Allerdings gilt das nur in gewissen Grenzen. Mit zunehmendem Volumen des Scheibenzwischenraums geraten die dortigen Gasmoleküle nämlich stärker in Bewegung, was wiederum einen verstärkten Wärmetransport begünstigt.
Zudem führt ein hoher Scheibenabstand zu mehr Druckbelastungen auf die Gläser, weil die Temperaturunterschiede innerhalb und außerhalb des Bauelements mit zunehmender Stärke des Scheibenverbunds immer größer werden. Das kann zu Durchbiegungen der Gläser und in der Folge zu Undichtigkeiten des Randverbunds führen, über den die Scheiben miteinander verbunden sind. Schlimmstenfalls droht sogar Glasbruch.
Außerdem hat das Prinzip der Wärmeschutzoptimierung durch immer mehr Scheiben und Scheibenzwischenräume natürlich auch konstruktive Grenzen. Schließlich werden die Fenster auf diese Art nicht nur immer dicker, sondern auch immer schwerer. Das hohe Gewicht war schon bei den frühen Dreischeibenfenstern eine Herausforderung für die Tragfähigkeit der damaligen Beschläge.
Edelgas statt Luft
Auch deshalb setzte sich bereits in den 90er-Jahren die Praxis durch, die Scheibenzwischenräume nicht mehr mit Luft, sondern mit Edelgasen zu befüllen. Zum Einsatz kommen dabei die Elemente Argon, Krypton und Xenon – oder auch Mischungen aus diesen einatomigen, farb- und geruchslosen Gasen, die übrigens alle drei in geringen Mengen auch in der Luft enthalten sind, die wir atmen. Edelgase sind sehr reaktionsträge, gehen also unter normalen Bedingungen keine chemischen Bindungen mit anderen Stoffen ein. Dadurch können sie auf Lebewesen auch nicht toxisch wirken.
In unserem Zusammenhang ist aber vor allem entscheidend, dass reine Edelgase im Vergleich zum Gasgemisch Luft eine noch mal deutlich geringere Wärmeleitfähigkeit haben. Zur Erinnerung: Die Wärmeleitfähigkeit von unbewegter Luft liegt bei 0,0262 W/mK – ein bereits ziemlich niedriger Wert. Die Wärmeleitfähigkeit von Argon aber beträgt nur 0,0179 W/mK. Noch bessere Dämmeffekte versprechen die Elemente Krypton (0,00949 W/mK) und Xenon (0,0055 W/mK). Hier sind wir bereits bei zwei Nullen hinterm Komma und damit bei Wärmeschutzwerten wie man sie sonst nur von Vakuumdämmungen kennt.
Angesichts solcher Werte überrascht es nicht, dass sich die unsichtbaren Edelgase gut als Füllgase für Mehrscheibenfenster eignen. Das hat einen doppelten Vorteil: Man kann so einen bestimmten angestrebten Wärmeschutz der Bauelemente auch mit kleinerem Scheibenzwischenraum erreichen, und man benötigt dafür unter Umständen sogar weniger Scheiben. Gleicher Wärmeschutz lässt sich also mit leichteren und weniger dicken Fensterelementen erreichen als bei luftgefüllten Scheibenzwischenräumen.
Argon als Standard
In der Praxis verwendet man für Mehrscheibenfenster heute vor allem Argon, seltener die noch besser dämmenden Gase Krypton und Xenon. Das hat einen einfachen Grund: Argon kommt auf der Erde häufiger vor und ist daher leichter zu gewinnen. Krypton und Xenon sind deutlich seltener und entsprechend teurer.
Krypton kommt daher nur noch zum Einsatz, wenn bei einem Bauvorhaben eine bestimmte Scheibendicke nicht überschritten werden darf, der vorgeschriebene Wärmeschutz unter dieser Bedingung mit Argon jedoch nicht erreichbar ist. Und der Einsatz von Xenon beschränkt sich auf Sonderfälle, bei denen die Fenster eine sehr hohe Wärmedämmung erreichen sollen, der Scheibenabstand zugleich aber geringer als 8 mm sein muss.
Aufgaben des Randverbunds

Randverbund-Profil einer Mehrscheiben-Isolierglaseinheit. Foto: ift Rosenheim
Natürlich können die Edelgase nur wirken, wenn sichergestellt ist, dass sie aus den Scheibenzwischenräumen nicht entweichen können. Technisch ist das aber kein Problem. Bereits die frühen Mehrscheibenfenster ohne Edelgasfüllung waren nach außen hermetisch abgeschlossen, damit die Luftfeuchtigkeit im Scheibenzwischenraum möglichst gering blieb. Man musste außerdem die einzelnen Scheiben schon immer über einen Randverbund zusammenhalten, um ihren korrekten Abstand zu sichern.
Diese Abstandhalter verhindern zugleich ein Entweichen der Gase. Als Randverbund für Mehrscheibenfenster kommen in der Regel Profile aus Aluminium, Edelstahl oder Kunststoff zum Einsatz, die man zwischen je zwei Glasscheiben verklebt. Die Fugen zwischen Glas und Profil werden anschließend von außen mit Polysulfidpolymer oder Silikon abgedichtet.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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