
Dieser Multilayer-Boden besteht im Kern aus Bio-Polyurethan. Foto: wineo
Was sind Polyurethan-Böden?
Die Frage ist nicht so leicht zu beantworten, wie es im ersten Moment erscheint. Denn der Begriff Polyurethan-Boden ist nicht eindeutig definiert. In der Praxis werden sehr unterschiedliche Produkte als „PU-Boden“ bezeichnet. Manche bestehen durch und durch aus Polyurethan, bei anderen Belägen werden dagegen nur einzelne Schichten aus dem namensgebenden Kunststoff gefertigt.
Polyurethan (PU) stellt man im Wesentlichen aus zwei Kunststoffen her: Methylendiisocyanat (MDI) und Polyol. In Baubereich kommt PU – oft wird auch die Abkürzung PUR verwendet – für vielfältige Einsatzzwecke und in vielfältiger Form zum Einsatz. Ein typischer Anwendungsbereich sind etwa Dämmstoffplatten aus PU-Hartschaum. In flüssiger Form ist PU beispielsweise die Basis für den in Dosen angebotenen Bauschaum zum Kleben, Abdichten und Verfüllen.
PU-Gussböden
Auch im Bodenbereich wird der Kunststoff zum Teil flüssig verarbeitet. Das gilt zumindest für Gussböden aus Polyurethan. Diese fugenlosen Beschichtungen werden (ähnlich wie Fließestrich) aus flüssigem, selbstverlaufenden Polyurethanharz gegossen und kommen zum Beispiel in Kindergärten, Schulen, Arztpraxen und Krankenhäusern aber auch in Industrie- und Gewerbebereichen zum Einsatz.
PU-Gussböden sind pflegeleicht, fußwarm, wasserdicht sowie verschleiß- und kratzfest. Zugleich sind sie elastischer und damit gelenkschonender als herkömmliche Kunstharzbeläge und bieten eine bessere Trittschalldämmung als diese. Die Gussböden sind zudem in vielfältigen Farben erhältlich.
PU als Nutzschicht

PU-Gussboden in einem Fitnesscenter. Foto: www.sensoboden.de
Die hohe Widerstandsfähigkeit von PU ist ein Grund dafür, dass auch viele Multilayer-Böden, die ansonsten aus anderen Materialien bestehen, zumindest an der Oberfläche über eine dünne Nutzschicht aus Polyurethan verfügen. Das gilt zum Beispiel für die meisten Vinylböden. Die PU-Oberfläche schützt das PVC der Vinyldielen beispielsweise vor Kratzern und aggressiven Chemikalien aus Reinigungsmitteln.
Darüber hinaus werden schützende PU-Schichten auch gerne zur Veredelung von Bodendielen verwendet, die ansonsten aus Holzwerkstoffen gefertigt sind. Die weichmacherfreien Designboden-Dielen der Marke „Eco Balance Pur“ vom Hersteller Parador bestehen zum Beispiel aus einer HDF-Trägerplatte mit bedrucktem Dekorpapier. Nur die oberste Schutzschicht ist aus transparentem Polyurethan.
Mittellage aus PU
Neben Gussböden, die durch und durch aus PU bestehen, sowie den verschiedenen Bodenmaterialien mit PU-Nutzschicht gibt es zudem auch Multilayer-Produkte, bei denen die Mittellage aus Polyurethan gefertigt wird. Da PU sehr elastisch ist, entstehen somit Bodendielen mit hervorragendem Rückstellverhalten. Das Material verhindert dauerhafte Abdrücke durch schwere Möbel oder durch die Rollen von Bürostühlen.
Der Schichtaufbau solcher Böden besteht meist (von oben nach unten) aus einer transparenten PU-Nutzschicht (zum Teil mit „gefühlsechter“ Oberflächenstruktur), einem bedruckten Dekorpapier (zum Beispiel Holz- oder Steinoptiken), der Kernschicht aus Polyurethan sowie einem kaschierten Gegenzug zur Stabilisierung und besseren Haftung der Dielen auf dem Unterboden. Zwischen Dekorpapier und Dielen-Mittellage fügen die Hersteller oft noch eine zusätzliche Glasfaserarmierung zur weiteren Stabilisierung ein.
Einordnung in die Multilayer-Logik
Mehrschichtige Böden mit PU-Anteilen gehören zu den Multilayer-Böden, was wörtlich übersetzt „Mehrschichtböden“ bedeutet. In den letzten Jahren wird für diese Produktkategorie auch immer häufiger der Begriff „mehrschichtig modulare Fußbodenbeläge“ (MMF) verwendet. Auch der 2012 gegründete Herstellerverband MMFA nennt sich „Verband der mehrschichtig modularen Fußbodenbeläge“. Das Wort „modular“ unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass die einzelnen Schichten der Böden eben nicht aus einem bestimmten Material bestehen, sondern wie ein Modul beliebig austauschbar sind.
Die europäische Norm DIN EN 16511 definiert MMF-Böden als halbstarre, dekorative Beläge in Form von Dielen oder Fliesen mit einem mehrlagigen Aufbau und bearbeiteten Kanten, die ein Zusammenfügen des Produktes zu einer größeren Einheit ermöglichen. Weiterhin heißt es in der Norm, dass der mehrlagige Aufbau aus einer abriebbeständigen Decklage, einer dekorativen Deckschicht, einem Trägermaterial und üblicherweise einem Gegenzug besteht.
Wie oben bereits erwähnt gibt es viele Multilayer-Böden, die eine PU-Nutzschicht haben, ansonsten aber aus anderen Materialien bestehen. Meist werden diese dann nicht als PU-Boden bezeichnet, sondern zum Beispiel als Vinylboden. Spricht man dagegen im MMF-Bereich ausdrücklich von PU-Böden, sind in der Regel Produkte gemeint, bei denen auch die Trägerschicht aus PU-Kunststoff besteht.
Klassisches und Bio-Polyurethan

Schichtaufbau eines PU-Bodens mit „Ecuran“-Polyurethan als Mittellage. Grafik: wineo
Beim klassischen PU wird der Bestandteil Polyol aus Erdöl gewonnen. Es ist aber auch möglich, Polyole aus Pflanzenölen herzustellen – also aus nachwachsenden Rohstoffen. Dies geschieht in der Fußbodenbranche auch immer häufiger, weil die Hersteller Böden aus „Bio-Polyurethan“ als besonders nachhaltige Produkte vermarkten können.
Der ostwestfälische Bodenbelagshersteller Windmöller (Marke „Wineo“) verwendet für seine Designböden der Produktlinie „Purline Bioboden“ zum Beispiel eine Mittellage aus dem Werkstoff Ecuran. Dabei handelt es sich um ein Bio-Polyurethan, das keine petrochemische Polyole enthält. Stattdessen wird der Stoff aus Raps- oder Rizinusöl hergestellt. Zudem verzichtet der Hersteller auf den Zusatz von Chlor, Weichmachern und Lösungsmittel. Als Füllstoff kommt natürliche Kreide zum Einsatz.
Die Produktlinie Purline Bioboden mit Ecuran wurde für ihre wohngesunden Eigenschaften schon mehrfach ausgezeichnet („Blauer Engel“, „Green-Guard Gold“) und erhielt 2019 sogar die „Cradle-to-Cradle“-Auszeichnung.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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