RM Rudolf Müller
Bei Blähglas-Granulat handelt es sich um winzige, creme-weiße Hohlkügelchen. Foto: Poraver

Bei Blähglas-Granulat handelt es sich um winzige, creme-weiße Hohlkügelchen. Foto: Poraver

Dämmstoffe
04. August 2016 | Artikel teilen Artikel teilen

Was ist Blähglas und wofür wird es verwendet?

Seit rund 30 Jahren spielt das Material Blähglas im Bauwesen eine zunehmend wichtige Rolle. Eingesetzt als dämmendes Schüttgut, vor allem aber als Leichtzuschlag für unterschiedlichste Baustoffe hat sich das aus Altglas gewonnene Granulat dank vieler positiver Eigenschaften bewährt.

Die Erfolgsgeschichte des Blähglases begann Mitte der 1980er-Jahre. Damals startete die deutsche Firma Dennert ihre Produktion eines neuartigen Leichtfüllstoffs auf Basis von Altglas. Das unter der Marke „Poraver“ vertriebene Produkt war anfangs vor allem als wirtschaftlicher und umweltfreundlicher Ersatz für den Leichtzuschlag Blähton gedacht, der unter anderem für Leichtbetonsteine verwendet wird. Heute kommt Blähglas in einer Vielzahl von baunahen Anwendungsbereichen zum Einsatz.

Unterschied zu Schaumglas

Blähglas ist übrigens nicht mit Schaumglas zu verwechseln, obwohl beide Produkte aus aufgeblähtem Altglas bestehen. Der entscheidende Unterschied ist, dass Blähglas als Granulat hergestellt wird. Es besteht aus losen, kugelförmigen Glaskörnern, die mit Gas gefüllt sind. Schaumglas dagegen ist eine fest zusammenhängende, schaumartige Dämmstoffmasse. Wird sie zu Schotter gebrochen, dann entstehen eher scharfkantige Schüttgutbrocken, jedenfalls keine winzigen Kügelchen. Blähglas eignet sich für viele Anwendungen aber gerade deshalb so gut, weil es als kugelförmiges Granulat eingesetzt werden kann.

Herstellung aus Recycling-Glas

Die Firma Dennert war übrigens nicht Erfinderin der Idee des Blähglas-Granulates. Bereits vor den 80er-Jahren hatten andere Hersteller entsprechende Patente eingereicht. Doch diese Erfindungen erwiesen sich noch als unwirtschaftlich, weil sie den Einsatz teurer Spezialgläser als Rohstoff erforderten. Die Pionierleistung von Dennert bestand in der Entwicklung eines wirtschaftlichen Verfahrens zur Blähglasproduktion, bei dem umweltfreundliches und kostengünstiges Recycling-Glas eingesetzt wird.

Bei der Herstellung von Blähglas-Granulat wird das Altglas zunächst gereinigt und dann gemahlen. Auf diese Weise entsteht ein Glasmehl, das man mit Binde- und Blähmitteln vermischt. Dieses Gemisch wird anschließend granuliert. Dabei entsteht bereits die Struktur mit den kleinen Kügelchen, die für Blähglas so typisch sind. Was allerdings noch aussteht, ist der Blähprozess. Dieser erfolgt in einem Ofen mit Temperaturen zwischen 800 und 900 °C. Dabei werden die einzelnen Granulat-Körner aufgebläht und erhalten ihre endgültige Gestalt: kleine Hohlkügelchen mit einer festen, geschlossenen Hülle von creme-weißer Farbe. Je nach Anwendungsbereich produzieren die Hersteller das Granulat in unterschiedlichen Korngrößen. Der Durchmesser der Kügelchen liegt meist zwischen 0,04 und 10 mm.

Eigenschaften von Blähglas-Granulat

Die Blähglas-Kügelchen haben zahlreiche positive Eigenschaften, die sie für den Einsatz in Baustoffen interessant machen. Sie sind sehr leicht, aber gleichzeitig druckstabil und bruchfest. Sie sind nicht brennbar (Baustoffklasse A1) und außerdem wärme- und schalldämmend. Blähglas-Granulat hat in der Regel eine Wärmeleitfähigkeit zwischen 0,040 und 0,090 W/mK. Das ist nicht so viel schlechter als die Wärmeleitfähigkeit herkömmlicher Plattendämmstoffe aus Mineralwolle oder Kunststoffschaum.

Das Granulat ist außerdem kälte- und hitzebeständig, verrottungsfest, alterungs-, feuchte- und säurebeständig, schimmelresistent, geruchsneutral, VOC-frei und überhaupt gesundheitlich völlig unbedenklich. Außerdem lässt sich das Altglasprodukt jederzeit auch wieder problemlos recyceln. Man kann die Kügelchen einfach wieder einschmelzen und somit erneut der Altglas-Wiederverwertung zuführen.

Vielfältige Anwendungen

Das Material kommt zum Beispiel als loses Schüttgut in Hohlräumen zum Einsatz. Foto: Poraver

Das Material kommt zum Beispiel als loses Schüttgut in Hohlräumen zum Einsatz. Foto: Poraver

Blähglas-Granulat in Reinform wird als Schüttgut eingesetzt. So lässt es sich zum Beispiel für Hohlraumdämmungen verwenden – etwa bei Holzbalkendecken – oder zur schalldämmenden Überdeckung von Rohren und Kabelkanälen im Bodenbereich. Aber auch als Drainagematerial auf Balkonen oder Dachterrassen macht das Granulat eine gute Figur – als Ersatz für die weitaus schwereren Kiesschüttungen.

Noch bedeutender als der Einsatz als Schüttgut ist allerdings die Verwendung von Blähglas als Rezepturbestandteil anderer Baustoffe. So haben sich die Glaskügelchen zum Beispiel als Leichtzuschlag für Mörtel, Putz, Spachtelmassen, Fliesenkleber und Leichtbeton bewährt. Außerdem lässt sich das Granulat auch zu festen Plattenmaterialien verarbeiten, die im trockenen Innenausbau oder auch als Fassadenträgerplatten zum Einsatz kommen. Ein besonderer Vorteil solcher Bauplatten aus Blähglas ist ihre materialbedingte Beständigkeit gegenüber Hitze, Kälte und Feuchtigkeit.

Bauplatten aus Blähglas

Die Trockenbauplatte „Vero-Board Rapid“ besteht zu 96 Prozent aus Blähglas-Granulat. Foto: Verotec

Die Trockenbauplatte „Vero-Board Rapid“ besteht zu 96 Prozent aus Blähglas-Granulat. Foto: Verotec

Der bayerisch-schwäbische Hersteller Verotec produziert zum Beispiel Leichtbauplatten, die zu 96 Prozent aus Blähglas-Granulat bestehen. Zur Herstellung dieser Platten werden Blähglaskugeln in unterschiedlichen Körnungen zusammen mit strapazierfähigem Glasfaser-Armierungsgewebe verpresst. Das Ergebnis sind angenehm leichte und zugleich sehr stabile Bauplatten, die universell einsetzbar sind: als Material für Trennwandkonstruktionen und Beplankungen im Trockenbau ebenso wie als schimmel- und verrottungsresistentes Baumaterial für Feuchträume und Fassadenbereiche.

Leichtbauplatten aus Blähglas haben zudem den Vorteil, dass sie einen guten Schallschutz bieten und sich ähnlich wie Holz einfach schneiden und bearbeiten lassen. Die Platten sind zudem biegefähig – wodurch auch die Verkleidung gewölbter Oberflächen möglich ist – und nicht zuletzt ausgesprochen tragfähig. Die Trockenbauplatte „Vero-Board Rapid“ des Herstellers Verotec kann beispielsweise pro Dübel mit bis zu 70 Kilogramm belastet werden. Das ermöglicht auch die Befestigung schwerer Küchenschränke an Wänden aus Blähglas-Platten.


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Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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