RM Rudolf Müller
PU-Hartschaum kommt häufig für Aufsparrendämmungen zum Einsatz.  Foto: Bauder

PU-Hartschaum kommt häufig für Aufsparrendämmungen zum Einsatz.  Foto: Bauder

Dämmstoffe
21. Juni 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

Woraus besteht PU-Hartschaum?

PU-Hartschaumplatten haben sich im Baubereich seit vielen Jahren als Hochleistungsdämmstoffe etabliert. Doch es haftet ein Nachteil an den klassischen Produkten: Es handelt sich um Kunststoffschäume, für deren Herstellung Nebenprodukte aus der Erdölindustrie zum Einsatz kommen. Mittlerweile bemühen sich aber viele Hersteller um einen nachhaltigeren Rohstoffmix.

Am häufigsten wird PU-Hartschaum sicher für die Aufsparrendämmung eingesetzt, aber im Prinzip lassen sich die aufgeschäumten Kunststoffplatten in allen klassischen Bereichen der Gebäudedämmung verwenden: von der Dach-, Decken- und Boden- bis hin zur Außenwanddämmung. Dank der sehr niedrigen Wärmeleitfähigkeit, die je nach Produkt und Anwendung zwischen 0,023 und 0,029 W/mK liegt, lassen sich bereits mit geringen Plattenstärken hohe Dämmleistungen erzielen.

Auch auf dem Flachdach macht PU-Hartschaum eine gute Figur. Vorteilhaft ist hier nicht zuletzt das geringe Gewicht der Dämmelemente – bei gleichzeitig hoher Druckfestigkeit und Feuchteunempfindlichkeit. Hinzu kommt, dass das Material – im Gegensatz zu anderen Hartschaum-Dämmplatten – bei Flammeneinwirkung weder schmilzt noch glimmt oder brennend abtropft. Aufgrund dieses positiven Brandverhaltens gibt es sogar PU-Platten, die über eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) für den Einsatz als Brandschutzriegel an Dämmfassaden verfügen (mehr dazu in diesem BaustoffWissen-Beitrag).

Rohstoffe aus der Erdölindustrie

Trotz all dieser Vorteile haben klassische PU-Dämmstoffe dasselbe Imageproblem wie alle anderen Hartschaumplatten. Für ihre Herstellung benötigt man Nebenprodukte aus der Erdölindustrie. Die Rohstoffbasis erfüllt also nicht gerade höchste Ansprüche beim Thema Nachhaltigkeit.

Die Abkürzung PU stand früher ausschließlich für Hartschaum aus Polyurethan, heute dagegen sprechen die Hersteller in der Regel auch dann von PU-Dämmstoffen, wenn die Schäume eigentlich aus Polyisocyanurat gefertigt wurden. Beide Verbindungen stellt man aus den flüssigen Elementen Methylendiisocyanat (MDI) und Polyol her, und diese Stoffe wiederum werden aus Erdöl gewonnen.

Noch ein Hinweis zu den Abkürzungen und Produktvarianten: Früher war statt PU meist das Kürzel PUR gebräuchlich. In Abgrenzung dazu sprach man vom PIR-Hartschaum (Polyisocyanurat) – einer Weiterentwicklung des ursprünglichen PU/PUR-Hartschaums. Heute hat sich die PIR-Qualität als neuer Standard weitgehend im Markt durchgesetzt. In den meisten Produkten steckt also PIR. Trotzdem wird meist weiterhin von PU-Dämmstoffen gesprochen, denn bei PUR und PIR handelt es sich um dieselbe Art von Kunststoffverbindung. Hauptunterschied ist, dass PIR einen höheren MDI-Anteil enthält.

Innovation von Bauder

Bei Bauder ECO beträgt der Anteil fossiler Rohstoffe nur noch 32 %.  Grafik: Bauder

Bei Bauder ECO beträgt der Anteil fossiler Rohstoffe nur noch 32 %.  Grafik: Bauder

Mittlerweile arbeiten Baustoffhersteller an der Entwicklung neuer Hartschaumdämmstoffe, die alle Vorteile klassischer PU-Dämmstoffe haben, zugleich aber aus einem nachhaltigeren Rohstoffmix bestehen. Gesucht werden Hartschäume, die sich wie PUR/PIR verhalten, dabei aber möglichst wenig PUR/PIR beziehungsweise generell möglichst wenig fossile Rohstoffe enthalten. Das klingt wie eine Quadratur des Kreises, aber solche Produkte gibt es bereits.

Den Anfang machte der Hersteller Bauder, der auf der Messe Dach+Holz 2020 einen neuartigen Dachdämmstoff präsentierte, der zu 60 % aus nachwachsender Biomasse sowie zu etwa 4 % aus recycelten Säge- und Fräsabfällen aus der Bauder-Produktion besteht. Insgesamt beträgt der Anteil von Biomasse und recycelten Stoffen sogar 68 %. Die zusätzlichen 4 % entfallen auf die untersten Deckvliese der neuen Dämmplatten, die nämlich aus Muschelkalk gefertigt werden. Nur bei den restlichen 32 % handelt es sich um herkömmliches PIR-Material. Trotz dieses geringen Anteils erreicht der Dämmstoff eine „PU-typische“ Wärmeleitfähigkeit von bis zu 0,024 W/mK.

Dieses neuartige Produkt namens „Bauder ECO“ gibt es aktuell in zwei Varianten: als Aufsparrendämmung fürs Steildach (ECO S) und als Flachdachdämmung (ECO F). Für die in den „PU“-Kern einfließende Biomasse verwendet der Hersteller bei beiden Produktvarianten Reststoffe aus der Landwirtschaft: Pflanzenblätter und -stängel sowie ausgedroschene Maiskolben – aber ausdrücklich keine Lebensmittel.

Die Muschelkalkvliese werden aus Schalenabfällen der Lebensmittelindustrie gewonnen. Tabu sind dagegen nach Bauder-Angaben Stoffe, die die Raumluft belasten, wie etwa Formaldehyd, kritische Bindemittel oder sonstige Zusatzstoffe – beispielsweise gegen Schädlinge oder Schimmel. Die Aufsparrendämmplatten verfügen zusätzlich über eine oberseitige Spezialbahn aus Kunststoff, die als zweite wasserführende Ebene unter den Dachpfannen dient. Nach Angaben von Bauder handelt es sich dabei um sortenreines PP, das sich nach der Nutzung einfach recyceln lässt.

Biobasiertes PU von Linzmeier

Anfang dieses Jahres gab auch der Hersteller Linzmeier die Markteinführung eines biobasierten PU-Dämmstoffs bekannt. Bei der neuen Produktgeneration „Linitherm Loop“ werden nach Herstellerangaben mehr als 60 % der Rohstoffe für den PU-Dämmkern aus Biomasse gewonnen – wobei auch hier nicht auf Lebensmittel gesetzt wird. Langfristig sei eine weitere Steigerung des Biomasseanteils im Dämmstoff geplant – heißt es in einer Linzmeier-Pressemitteilung von Mitte Februar.

Die erneuerbaren Rohstoffe würden „in der Fertigung mit einem Restanteil an fossilen Rohstoffen gemischt“. Damit ist dann wohl die übliche PU-Rezeptur gemeint. Linzmeier startet seine neue Dämmstoffgeneration mit den Aufsparrenplatten „Linitherm Loop PAL N+F“, die eine Wärmeleitfähigkeit von nur 0,023 W/mK bieten sollen. Auch die beidseitige Alukaschierung der Dämmelemente soll übrigens recycelbar sein.

CO2 in PU-Hartschaum binden?

Puren arbeitet an PU- Hartschaumkomponenten auf Kohlendioxid-Basis. Foto: Puren

Puren arbeitet an PU- Hartschaumkomponenten auf Kohlendioxid-Basis. Foto: Puren

Einen ganz anderen Ansatz verfolgt aktuell der PU-Dämmstoffproduzent Puren. Das Unternehmen aus Überlingen am Bodensee verändert nicht die klassische Rezeptur seiner PU-Dämmstoffe, arbeitet in einem Forschungsvorhaben aber trotzdem an der Entwicklung regenerativer Rohstoffbestandteile. Im Kern geht es darum, künftig klimaschädliches CO2 zu binden, indem man das Treibhausgas in die Produktion von PU-Dämmstoff einfließen lässt.

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde in Überlingen bereits ein Prototyp aus PU-Dämmstoff hergestellt, der Hartschaumkomponenten auf CO2-Basis enthält. „Mit der Entwicklung dieser Materialien geben wir dem Treibhausgas CO2 einen neuen Verwendungszweck mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten“, sagt Dr. Christoph Gürtler vom Forschungspartner Covestro aus Leverkusen. Aktuell arbeiten Puren und seine Forschungspartner an der Herstellung weiterer, optimierter Prototypen.

Ziel des Projekts ist letztlich die zügige Entwicklung eines marktreifen Produkts. Dr. Anton Demharter, Leiter Forschung und Entwicklung bei Puren, äußerte sich Anfang 2021 optimistisch: „Die ersten Dämmplatten unter der Verwendung des CO2-basierten Rohstoffs sind absolut normkonform. Die wesentlichen technischen Spezifikationen sind bereits mit dem Marktstandard vergleichbar.“ Weitere Infos zu dem Projekt bietet diese Puren-Pressemitteilung von Februar 2021.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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