RM Rudolf Müller
Muschelkalkmörtel besteht hauptsächlich aus Seemuscheln und Sand. Foto: Pixabay

Muschelkalkmörtel besteht hauptsächlich aus Seemuscheln und Sand. Foto: Pixabay

Grundstoffe des Bauens
28. Mai 2019 | Artikel teilen Artikel teilen

Was ist Muschelkalkmörtel?

Muschelkalkmörtel ist ein Kalkmörtel, dessen Bindemittel aus Muschelschalen gewonnen wird. Es handelt sich um einen früher vor allem an der Nordseeküste verbreiteten historischen Baustoff, den heute aber nur noch wenige Hersteller produzieren. Das Material wird als Verlege-, Spritz- und Verpressmörtel, aber auch als Putz angeboten und kommt vor allem bei der Sanierung und Restaurierung historischer Bausubstanz zum Einsatz.

In Deutschland scheint die Baustoffspezialität Muschelkalkmörtel fest mit dem Namen des Dortmunder Herstellers Marbos verbunden zu sein – seit 2007 ein Unternehmen der Knauf-Gruppe. Zumindest sind wir bei unserer Internet-Recherche auf keine anderen deutschen Hersteller der historischen Mörtelvariante gestoßen.

Wie alle Mörtel besteht auch Muschelkalkmörtel aus einem Bindemittel, Wasser und Sand. Nur dass als Bindemittel eben nicht Zement, sondern Muschelkalk zum Einsatz kommt. An der Nordseeküste nutzten die Menschen bereits seit dem 2. Jahrhundert Seemuscheln, um daraus Bindemittel für Mörtelprodukte herzustellen. Hersteller Marbos betont, dass er bei seinen Muschelkalk-Produkten bis heute auf Rohstoffe setzt, die den historischen Materialien entsprechen. Zugleich handelt es sich um moderne Werktrockenmörtel nach DIN 18557 beziehungsweise EN 998-1 und -2.

Mörtelzusammensetzung

Diese historische Natursteinmauer wurde mit Muschelkalkmörtel restauriert. Foto: Marbos

Diese historische Natursteinmauer wurde mit Muschelkalkmörtel restauriert. Foto: Marbos

Wobei das Etikett „Muschelkalkmörtel“ nicht zwangsläufig bedeutet, dass das Produkt zu 100 Prozent zementfrei sein muss. So bietet etwa der niederländische Hersteller Remix einen Muschelkalkmörtel an, der zu einem Teil aus Zement, zu fünf Teilen aus Muschelkalk und zu zehn Teilen aus Sand zusammengemischt wird. Der Zementzusatz sorgt in diesem Fall für ein hydraulisches Bindemittel im Mörtel. Ein reiner Muschelkalkmörtel hätte nämlich den Nachteil, dass er wasserlöslich wäre.

Auch die Muschelkalk-Werktrockenmörtel von Marbos enthalten hydraulische Zusätze. Neben Sand und „Bremer Muschelkalk“ setzt der deutsche Hersteller bei seinen Produkten aber nicht auf Zement, sondern auf Puzzolan. Der angerührte Mörtel ist normalerweise hellgrau, kann bei Verwendung entsprechender Sandkörner aber auch braune, oder gelbgraue Farbnuancen aufweisen. Je nach Verarbeitung wird die Oberflächenstruktur des Mörtels zudem rau und damit dunkler oder glatt und damit heller.

Das Bindemittel Muschelkalk besteht aus zerkleinerten Seemuscheln, die gewaschen, gebrannt und anschließend gelöscht wurden. Das Ergebnis ist im chemischen Sinn Kalk. Nach Angaben auf der Website der Materialprüfanstalt MPA Bremen ist nach dem Löschen „nicht mehr feststellbar, ob das Material aus Steinen oder Muscheln hergestellt wurde, weil der Ausgangsstoff beim Löschen völlig zerfällt und keine Muschelschalen-Relikte oder andere Erkennungsmerkmale erhalten bleiben“. Die MPA Bremen folgert weiter: „Bis heute ist ein Muschelkalkmörtel ein zementfreier Kalkmörtel, dessen Bindemittel aus Muschelschalen hergestellt wurde. Teilweise werden hydraulische Zusätze zugegeben.

Typische Eigenschaften

Marbos beschreibt seine Muschelkalk-Mörtel als einfach zu verarbeitende Produkte, die langsam und spannungsarm erhärten und dadurch sehr elastisch bleiben. Dadurch harmoniert der Mörtel besonders gut mit den oft relativ weichen Baustoffen, aus denen viele historische Gebäude errichtet wurden. Das ist wichtig, weil Muschelkalkmörtel vor allem bei der Sanierung und Restaurierung historischer und denkmalgeschützter Bausubstanz zum Einsatz kommen. Zugleich hat der ausgehärtete Mörtel aber auch eine hohe Druck- und Biegezugfestigkeit. Und die heutigen Produkte eignen sich problemlos für die maschinelle Verarbeitung.

Nach Angaben des Herstellers sollen die Mörteloberflächen dank eines guten Wasserrückhaltevermögens nicht wässern und widerstandsfähig gegen aggressive Umwelteinflüsse wie Frost oder Salze sein. Das Material soll zudem sehr gut an Steinflanken haften und sich gut verdichten lassen. Letzteres ist wichtig, weil Marbos aus Muschelkalk zum Beispiel auch speziellen Verpressmörtel herstellt. Für diesen verwendet man Sande mit geringer Korngröße von maximal 0,5 mm. Er wird zum Verpressen von Hohlräumen und Rissen im Mauerwerk verwendet.

Vielfältiges Sortiment

Bremer Muschelkalk ist standardmäßig in sieben unterschiedlichen Farben erhältlich. Grafik: Marbos

Bremer Muschelkalk ist standardmäßig in sieben unterschiedlichen Farben erhältlich. Grafik: Marbos

Die Marbos-Produkte aus Bremer Muschelkalk kommen im Boden- und Mauerwerkbereich zum Einsatz. Neben dem schon genannten Verpressmörtel bietet der Hersteller auch spezielle Spritzmörtel für die Stabilisierung und Sanierung von Natursteinmauerwerk im Trockenspritzverfahren.

Zum Sortiment gehören ferner Verlegemörtel (für das Verlegen von Bodenplatten
 aus Naturstein, Ziegelfliesen oder grober Keramik), Fugenmörtel (für das Fugen von Bodenplatten ohne Zement beziehungsweise von Ziegel- und Natursteinmauerwerk), Vormauermörtel (für das Mauern und Fugen in einem Arbeitsgang) sowie verschiedene Putzprodukte.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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