
Leichtbau-Wandelemente mit Kunststoffschaumkern könnten künftig Biokohle enthalten. Alle Fotos: ClimateCarbon/carbonauten
Baustoffe aus Biokohle?
Bei Biokohle handelt es sich um Kohlenstoff, der durch Karbonisierung von pflanzlichen Abfällen aus der Land- und Forstwirtschaft oder aus Sägewerken gewonnen wird. Traditionell verwendet man diesen zum Beispiel als Holzkohle zum Grillen oder als Pflanzenkohle zur Bodenverbesserung. Doch das Material hat mehr Potenzial. Aus Biokohle lassen sich nämlich auch Kunststoffe und Baustoffe herstellen.
Dieses Potenzial verstärkt nutzen will künftig die Forestfinance-Gruppe. Der 1995 gegründete Anbieter von Waldinvestments betreibt im Auftrag seiner Anleger Forste in Deutschland, Süd- und Mittelamerika, Marokko und Vietnam. Da fallen reichlich Pflanzenabfälle an. Künftig will das deutsche Unternehmen daraus auch Biokohle herstellen. Eine erste Karbonisierungsanlage soll bis Ende dieses Jahres in Eberswalde entstehen.
Dort will man Biomasse bei hohen Temperaturen und weitgehend unter Ausschluss von Sauerstoff karbonisieren (Pyrolyse-Verfahren). Für die Finanzierung seiner Anlage sucht Forestfinance aktuell noch weitere Investoren gesucht, die sich an der neu gegründeten Climate Carbon Eberswalde GmbH & Co. KG beteiligen (Mindestbetrag: 2.000 Euro).
Nachhaltiges CO2-Speichermaterial

Eine Tonne Biokohle speichert das Äquivalent von bis zu 3,3 Tonnen CO2.
In nordöstlich von Berlin gelegenen Eberswalde sollen künftig pro Jahr rund 4.800 Tonnen nachhaltige Biokohle entstehen. Nachhaltigkeit bedeutet in diesem Fall unter anderem, dass nur Biomasse aus heimischen Resthölzern karbonisiert wird. Die pflanzlichen Abfälle bezieht man von einem rund 50 Kilometer entfernten Sägewerk. Sie stammen also nicht aus Übersee-Forsten von Forestfinance. Als Nebenprodukt der Karbonisierung entsteht zudem permanent überschüssige Energie, die als Prozess- und Fernwärme genutzt beziehungsweise als Ökostrom in das Eberswalder Netz eingespeist werden soll.
Als nachhaltig gilt das Produkt aber auch, weil nach Angaben von Forestfinance eine Tonne Biokohle das Äquivalent von bis zu 3,3 Tonnen CO2 speichert. Wenn man die Kohle kurz darauf zum Grillen verbrennt, ist dieser Speichereffekt natürlich nur von kurzer Dauer. Obwohl das immer noch besser ist als ganze Bäume für Grillkohle zu fällen.
Bei vielen anderen möglichen Anwendungen bleibt das gespeicherte CO2 zudem langfristig gebunden. Das gilt etwa für die Bodenverbesserung mit Biokohle („Terra Preta“). Man kann die Biomasse auch so karbonisieren, dass daraus Kohle mit mikroskopisch kleinen Poren entsteht. Diese so genannte Aktivkohle wird unter anderem für Filteranlagen zur Wasser- und Gasreinigung gebraucht.
Vielfältige Verwendungsmöglichkeiten

Karbonisierte Pflanzenabfälle eignen sich auch als Zusatzstoff für Biokunststoffe – etwa für Fensterrahmen.
Doch auch im Baustoffbereich sind vielfältige Anwendungen denkbar. Aktivkohle etwa kommt bereits heute als Zusatzstoff für Putze zum Einsatz. Beim Produkt „MP 75 Active-Comfort“ des Herstellers Knauf führt sie dazu, dass der Gipsputz mehr Feuchtigkeit aus der Raumluft zwischenspeichern kann und sogar schädliche VOC-Gase sowie unangenehme Gerüche aufnehmen und neutralisieren soll. Auch der Einsatz von Pflanzenkohle als Sand-Ersatz in Beton wird bereits erforscht.
Doch das ist noch längst nicht alles. Das porenreiche Material Biokohle und mit ihm das gespeicherte CO2 lässt sich auch zu langlebigen Kunststoffen oder Kunststoffschäumen weiterverarbeiten. Vermischt mit herkömmlichen Elastomeren sind zum Beispiel nachhaltigere Materialien für Rohre, Fensterrahmen oder auch Reifen und Dichtungsringe möglich. Aufgeschäumte Biokohle-Produkte könnten Dämmfunktionen übernehmen oder als nachhaltige Verpackungsmaterialien dienen.
Technik der „Carbonauten“

Carbonschaum kann als Grundlage für Dämmstoffe genutzt werden.
Die Forestfinance-Gruppe betritt mit der Herstellung von Biokohle zwar Neuland, die Karbonisierung von Biomasse selbst ist allerdings eine uralte Praxis. Verglichen mit der im Bergbau gewonnenen fossilen Kohle war Biokohle bisher allerdings deutlich teurer. Bei den Produkten aus Eberswalde soll dies anders werden. Dafür kooperiert Forestfinance mit dem bayerischen Startup Carbonauten GmbH. Das wurde 2017 mit dem Ziel gegründet, weltweit qualitativ hochwertige Biokohlenstoffe in großen Mengen zu produzieren – klimafreundlich und zu wettbewerbsfähigen Preisen.
Um dieses Ziel zu erreichen, haben die Carbonauten-Gründer Torsten Becker und Christoph Hiemer ein technisches Verfahren entwickelt, das die Karbonisierung von Biomasse effizienter und weniger störungsanfällig macht. Innovativ daran ist nicht zuletzt auch der hohe Energieüberschuss bei der Herstellung. Diese Technik kommt nun in Eberswalde zum Einsatz. Becker und Hiemer sind für den Standort als Betriebsmanager verantwortlich. Erst ihr Verfahren ermöglicht es, hochwertige Biokohle zu günstigen Preisen anzubieten und nebenbei noch Erlöse aus dem Verkauf von Prozesswärme und Ökostrom zu erzielen.
Verwertung mitgedacht
Übrigens überlassen es die „Carbonauten“ auch nicht dem Zufall, was aus dem mit ihrer Technik hergestellten Pflanzenkohlenstoff wird. Becker und Hiemer haben längst Verfahren entwickelt, um das Material zum Beispiel als Zusatzstoff in Elastomeren zu verwenden oder es zusammen mit dem Biokunstoff PLA – ein Polymer der Milchsäure – zu einem nachhaltigeren Ersatz für erdölbasierte Kunststoffe wie Polypropylen (PP) oder Polyethylen (PE) zu machen.
Auch Pflanzentöpfe aus reiner Biokohle haben die Beiden schon ausgetüftelt. Die sind zwar nicht dauerhaft, aber wenn sie sich nach dem Einpflanzen in kurzer Zeit zersetzen, tragen sie zugleich zur Bodenverbesserung bei. Aus Buchenholz-Kohlenstoff haben die Carbonauten zudem bereits Carbonschaum hergestellt. Der lässt sich als Grundlage für Dämmstoffe oder auch als Kernmaterial für Leichtbauplatten verwenden.
Über den Autor
Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für
BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin
BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift
baustoffpraxis.
Kontakt:
freierjournalist@rolandgrimm.com
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