RM Rudolf Müller
Produkte wie die „Profi-Lehmfarbe Nr. 331“ gibt es in vielfältigen Farbtönen.  Foto: Auro

Produkte wie die „Profi-Lehmfarbe Nr. 331“ gibt es in vielfältigen Farbtönen.  Foto: Auro

Grundstoffe des Bauens
11. Januar 2022 | Artikel teilen Artikel teilen

Was ist Lehmfarbe?

So wie alle Lehmbaustoffe – von Putz über Bauplatten und Stampflehm bis hin zu Mauersteinen – gilt auch Lehmfarbe als wohngesunder Baustoff mit positivem Einfluss auf die Raumluftqualität. Der nur für Innenräume geeignete Anstrich ist geruchsarm und heutzutage auch in einer breiten Farbpalette erhältlich. Manche Naturfarbenhersteller bieten Lehmfarben, die keinerlei Wohngifte ausgasen und weder Konservierungsmittel noch chemische Lösemittel enthalten.

Ein Blick auf die Zusammensetzung der Anstrichmittel empfiehlt sich dennoch immer. Denn zumindest streichfertige Lehmfarben, die flüssig im Gebinde angeboten werden und sich direkt aus dem Eimer heraus verarbeiten lassen, enthalten dann doch mitunter synthetische Konservierungsmittel, die zum Beispiel Allergien auslösen können. Bei Herstellern, die die Inhaltsstoffe ihrer Farben nicht vollständig angeben, darf man zumindest skeptisch sein. Zum Glück gibt es aber viele Produzenten von Lehmfarben, die in ihren Produktinformationen eine Volldeklaration anbieten, also alle eingesetzten Zutaten tatsächlich ausweisen.

Pulverförmige und streichfertige Farben

Die Anstriche werden per Rolle oder Streichbürste aufgetragen. Foto: Kreidezeit Naturfarben

Die Anstriche werden per Rolle oder Streichbürste aufgetragen. Foto: Kreidezeit Naturfarben

Wer in Sachen Wohngesundheit auf Nummer sicher gehen will, kann auch auf pulverförmige Lehmfarben zum Selbstanrühren setzen. Die benötigen grundsätzlich keine Konservierungsmittel, um die Haltbarkeit zu erhöhen. Dafür ist die Verarbeitung natürlich komplizierter: Man muss das Pulver zunächst mit der richtigen Menge Wasser anrühren und sollte darauf achten, von vorneherein eine ausreichende Menge Farbe herzustellen – vor allem, wenn auch Farbpigmente hinzukommen. Wenn man nämlich später noch mal nachmischen muss, kann es schwierig sein, erneut den gleichen Farbton zu treffen.

Wer danach sucht, findet jedoch auch streichfertige Lehmfarben mit Volldeklaration der Inhaltsstoffe und durchweg wohngesunden Eigenschaften. Der Naturfarben-Hersteller Auro etwa bietet mit seiner „Profi-Lehmfarbe Nr. 331“ ein streichfertiges Produkt, das laut Hersteller „völlig frei von jeglichen Konservierungsmitteln ist“ und zudem – fertig gemischt – in etwa 800 Wunschfarbtönen geliefert werden kann. Für die Profi-Lehmfarbe hat Auro zudem das biogene Bindemittel „Replebin“ entwickelt. Die geschützte Eigenentwicklung trägt dazu bei, dass das Produkt als „sehr emissionsarm“ nach dem AgBB-Bewertungsschema bewertet wurde (Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten).

Woraus besteht Lehmfarbe?

Natürlich weichen die Rezepturen verschiedener Hersteller und Produkte im Detail voneinander ab. Wesentlicher Bestandteil aller Lehmfarben sind aber feingemahlene Tonmehle. Diese sind überhaupt der Grund dafür, weshalb die Farben als Lehmbaustoffe gelten. In der Regel kommen zudem weitgehend natürliche Bindemittel und Füllstoffe zum Einsatz. Für die Farben sind meist Erd- und Mineralpigmente verantwortlich.

Bei der „Lehmfarbe“ des Anbieters Kreidezeit handelt es sich zum Beispiel um ein Pulver zum Anrühren, das ausschließlich aus weißem Ton, Marmormehlen, Kreide, Cellulosefasern, Pflanzenkasein, Soda und Methylcellulose besteht. Nach Angaben des Herstellers ist das Produkt frei von Konservierungsstoffen und Kunstharz-Bindemitteln. Durch Abtönen mit natürlichen Erd- und Mineralpigmenten sind etwa 250 Farbtöne möglich. Nach Angaben von Kreidezeit können Farbreste sogar „problemlos kompostiert werden, beziehungsweise im eingetrockneten Zustand dem Hausmüll beigegeben werden“.

Natürliche Lehmfarben wie die von Kreidezeit oder Auro gasen nicht nur keine VOC-Schadstoffe aus, sie sind – im Gegenteil – aufgrund ihres hohen Anteils an Tonmineralien sogar in der Lage, Gerüche und Schadstoffe zu absorbieren. Das behaupten zumindest zahlreiche Hersteller. Da Lehmfarbe im Gegensatz zu den klassischen Dispersionswandfarben aus dem Baumarkt zudem keine Kunststoffpartikel enthalten, wirken sie antistatisch. Sie ziehen also keine Schmutzpartikel aus der Luft an.

Was sind Lehmstreichputze?

Lehmstreichputze enthalten zusätzlich feinkörnige Sande. Foto: Kreidezeit Naturfarben

Lehmstreichputze enthalten zusätzlich feinkörnige Sande. Foto: Kreidezeit Naturfarben

Normale Lehmfarben haben eine samtige, matte-stumpfe Optik, die Oberfläche ist aber nicht plastisch. Die so genannten Lehmstreichputze dagegen enthalten zusätzlich Sandkörner, wodurch der Anstrich einen feinkörnigen Putzcharakter erhält. Aber trotz des Namens handelt es sich im Grunde auch um Farben, die nicht mit der Putzkelle, sondern ganz einfach (und dünnschichtig) mit Rolle oder Streichbürste aufgetragen werden.

Man könnte auch sagen: Die Unterschiede zwischen Lehmfarbe und Lehmstreichputz sind fließend. Der Lehmstreichputz von Kreidezeit unterscheidet sich von der Lehmfarbe desselben Herstellers nur dadurch, dass er zusätzlich noch Marmorsand in der Körnung 0,5 mm enthält. Ansonsten besteht die Zutatenliste des Trockenmörtels genauso wie die der Farbe aus Ton, Marmormehlen, Kreide, Cellulosefasern, Pflanzenkasein, Soda und Methylcellulose. Der Streichputz muss auch abschließend nicht etwa noch mit Farbe überstrichen werden. Stattdessen kann man ihn selbst mit Erd- und Mineralpigmenten einfärben.

Regulierung der Raumluftfeuchtigkeit

Wie alle Lehmbaustoffe ist auch Lehmfarbe wasserdampfdurchlässig und kann daher positiv zur Regulierung der Raumluftfeuchtigkeit beitragen. Man sollte sich aber keinen Illusionen hingeben: Eine dünne Farbschicht ist – anders als ein dicker Lehmputz oder gar eine monolithische Stampflehm-Wand – natürlich nicht in der Lage, größere Mengen überschüssigen Wasserdampfs aus der Raumluft vorübergehend zu speichern und bei Bedarf wieder abzugeben. Wer sich von Lehmfarbe vor allem eine raumluftregulierende Wirkung erhofft, benötigt darunter also im Idealfall auch einen Lehmputz. Alternativ sind auch andere diffusionsoffene Baustoffe als Grundlage geeignet, sofern sie schadensfrei Wasserdampf aufnehmen können.

Lehmfarbe und -putz haben zwar keine Probleme mit Wasserdampf, sie sind aber wasserlöslich. Deshalb verwendet man diese Baustoffe in der Regel nicht im Außenbereich und auch nicht in feuchtebelasteten Innenräumen. Zumindest dort, wo eine direkte Spritzwasserbelastung droht, ist das meist nicht zu empfehlen. Wobei sich Verallgemeinerungen an dieser Stelle verbieten – es kommt auf das jeweilige Produkt an. So wirbt Auro für seine oben bereits erwähnte Profi-Lehmfarbe Nr. 331 mit der Aussage, dass diese spritzwasserresistent sei und somit auch in Bad und Küche verwendet werden könne.


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

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