RM Rudolf Müller
Diese Stampflehmwand steht im Museum Source O Rama in Chaudfontaine (Belgien). Foto: Claytec

Diese Stampflehmwand steht im Museum Source O Rama in Chaudfontaine (Belgien). Foto: Claytec

Grundstoffe des Bauens
25. April 2019 | Artikel teilen Artikel teilen

Was ist Stampflehm?

Der uralte Baustoff Lehm feiert in den letzten Jahren eine Renaissance. Im Zuge des Trends zu mehr Wohngesundheit hat die Baustoffindustrie den Naturwerkstoff wiederentdeckt. Er wird häufig für moderne Lehmbaustoffe wie Lehmmörtel oder Lehmbauplatten verwendet. Weniger bekannt ist, dass es auch monolithische Wände aus Stampflehm gibt. Dabei führt gerade diese historische Bauweise zu besonders wohngesunden und zugleich optisch faszinierenden Ergebnissen.

Schon in der Jungsteinzeit (10.000 bis 3.000 v. Chr.) haben Menschen mit Stampflehm gebaut. Das Grundprinzip der Verarbeitung ist bis heute gleich geblieben: Man mischt erdfeuchten Lehm mit Wasser sowie Stroh und/oder Kies und füllt die frische Masse dann schichtweise in eine Mauerschalung. Jede Schicht wird zunächst verdichtet, bevor man die nächste in die Schalung einfüllt. Diese Bauweise ist uralt und ähnelt doch in vielerlei Hinsicht dem Gießen moderner Stahlbeton-Bauteile.

Historische Bauweise

Beispiele für historischen Stampflehmbau finden sich auf allen Kontinenten der Erde. Auch große Teile der chinesischen Mauer bestehen im Kern aus Stampflehm. In Europa war Stampflehm für Gebäudemauern bis ins Mittelalter weit verbreitet, bevor sich gebrannte Ziegel und andere Mauerwerksteine immer mehr durchsetzten. Ein Vorteil dieser modernen Mauersteine ist, dass sie viel wasserbeständiger als Lehm sind.

Eine Stampflehmwand besteht aus ungebranntem, feuchten Lehm, der durch Trocknung zwar zu einem stabilen Baustoff aushärtet, letztlich aber wasserlöslich bleibt. Die Trocknung ist also reversibel. Aber wurde Stampflehm nicht früher auch für Außenmauern verwendet? Das stimmt, aber dabei wurde stets darauf geachtet, dass das Material nicht direkt Wind und Wetter ausgesetzt ist – etwa durch ausreichende Dachüberstände oder schützende Außenputze.

Stampflehm heute

Raumtrennende Stampflehmwände in einem Wohnhaus bei Berlin. Foto: Claytec

Raumtrennende Stampflehmwände in einem Wohnhaus bei Berlin. Foto: Claytec

Das Verdichten der einzelnen Schichten einer Stampflehmwand erledigten die Menschen früher mit den nackten Füßen – daher der Name Stampflehm. Im Industriezeitalter gibt es dafür natürlich weniger schweißtreibende Verarbeitungsmethoden. Zum Einsatz kommen meist pneumatische oder elektrische Stampfer.

Eine Stampflehmwand kann man heute aber auch als maßgefertigtes Fertigbauteil kaufen, das Zuhause nur noch aufgestellt werden muss. Das ermöglicht eine schnelle und saubere Montage vor Ort. Lange Trocknungszeiten auf der Baustelle entfallen. Neben Wänden und Vorsatzschalen bieten manche Hersteller auch vorgefertigte Elemente wie zum Beispiel Sitzbänke oder Tresen aus Stampflehm an.

Heutige Anwendungen für Stampflehmwände beschränken sich fast immer auf den Innenausbau. Im Außenwandbereich spielt der wasserlösliche Baustoff kaum noch eine Rolle. In der Innenarchitektur hat sich aber ein Nischenmarkt für dekorative Wände aus Stampflehm entwickelt. In geschützten Räumen muss man das Material auch nicht mehr hinter wasserfesten Beschichtungen verbergen. Im Gegenteil: Stampflehm-Liebhaber mögen ja gerade die rohe Optik des unverhüllten Lehms.

In Innenräumen ist Stampflehm vielseitig einsetzbar: als Vorsatzschale vor Wänden aus anderen Materialien, als freistehender Monolith zur optisch ansprechenden Raumtrennung, aber auch als tragende Wand. Das Fundament sollte die Wand vor kapillar aufsteigender Feuchtigkeit schützen.

Vielfältige Gestaltungsvarianten

Farbenfroher Stampflehm im Haus der Nachhaltigkeit (Naturparkzentrum Pfälzer Wald). Foto: Claytec/Druwid

Farbenfroher Stampflehm im Haus der Nachhaltigkeit (Naturparkzentrum Pfälzer Wald). Foto: Claytec/Druwid

Viele Raumgestalter schätzen heute wieder die archaische Ausdruckskraft des uralten Materials und verwenden es gerne in spannendem Kontrast zu modernen Oberflächen wie Beton, Stahl oder Glas. Eine besondere Lebendigkeit erhalten die Wände durch verschiedenfarbige Lehme. Der Hersteller Claytec bietet zum Beispiel fünf natürliche Stampflehmfarben an. Zusätzlich lässt sich punktuell auch Lehm-Designputzmörtel in die Wand einarbeiten. Diese vielfältigen Möglichkeiten führen dazu, dass moderne Stampflehmwände manchmal fast wie abstrakte Gemälde wirken.

Auch wenn man auf unterschiedliche Farben verzichtet, hat die fertige Wand stets eine individuelle Struktur und wirkt niemals monoton. Die Linien der einzelnen Schichten bleiben nämlich stets dauerhaft sichtbar. Das unterstreicht die handwerkliche Beschaffenheit der Wand. Werden verschiedene Lehmmischungen verwendet, so ist die Farbgebung der charakteristischen Linienführung für jede Wand bis ins Detail planbar.

Wohngesunde Nebeneffekte

Angenehmer Nebeneffekt einer Stampflehmwand: Die schiere Masse an Lehm wirkt sich positiv auf das Raumklima aus – Stichwort Wohngesundheit. Das Material kann große Mengen überschüssiger Luftfeuchtigkeit speichern und bei Bedarf wieder an den Raum abgeben. Diese Eigenschaft machen sich mittlerweile auch manche Museen zunutze: Stampflehmwände ersetzen dort eine aufwändige technische Raumklimatisierung und sorgen zugleich für einen optischen Hingucker. Außerdem bieten die schweren Lehmwände eine hohe Wärmespeicherfähigkeit und verbessern die Raumakustik. Der Naturstoff gast zudem keinerlei Wohngifte aus (VOCs).


Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen. Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis. Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

 

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